Wettbewerb für die Erweiterung des Ministeriums der Finanzen in Berlin
Der Wettbewerb für den Erweiterungsbau des Bundesfinanzministeriums auf dem Postblockareal an der Berliner Wilhelmstraße belegt eindrucksvoll den festgezurrten Standard der bundesdeutschen Regierungsarchitektur.
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Wettbewerb für die Erweiterung des Ministeriums der Finanzen in Berlin
Der Wettbewerb für den Erweiterungsbau des Bundesfinanzministeriums auf dem Postblockareal an der Berliner Wilhelmstraße belegt eindrucksvoll den festgezurrten Standard der bundesdeutschen Regierungsarchitektur.
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Stresemannstraße, Potsdamer Platz, Ebertstraße – wo vor einem Vierteljahrhundert noch weite Brachen die Teilung Berlins zeigten, stehen heute Ministerien, Hotels, Büro- und Wohngebäude. Auch der Leipziger Platz ist wieder vollständig gefasst, seitdem im letzten Jahr der noch fehlende Schlussstein an der Nordwestecke mit einem Neubau nach Plänen von léonwohlhage gesetzt wurde. Weiter die Leipziger Straße ins Zentrum hinein aber klafft plötzlich eine Leere, die an das Berlin-Gefühl der 1990er Jahre denken lässt, an die vielen Brachen und Freiräume im Zentrum, die in unmittelbarer Nähe dieses Orts mit den Clubs „Tresor“ und „E-Werk“ zwei prominente Zwischennutzer zählten. Die gesamte Ostseite der Wilhelmstraße bis hinunter zur Grenze von Mitte und Kreuzberg, wo die Mauer stand, ist unbebaut und gibt den Blick auf Rückseiten und Brandwände frei. Die Brache ist eine absolute Top-Lage; dass sie bis heute unbebaut ist, hat politische Gründe: Sie dient als Vorhaltefläche für Platzbedürfnisse der Bundesregierung. 22 Jahre nach dem Teil-Umzug vom Rhein an die Spree hat sich, sapperlot!, tatsächlich Bedarf eingestellt: Das Bundesfinanzministerium, 1999 gleich gegenüber der Brachfläche im von HPP renovierten ehemaligen Reichsluftfahrtministerium Sagebiels untergekommen, will sich auf die andere Straßenseite ausdehnen. Ende November wurde die Entscheidung des für den Erweiterungsbau ausgelobten Wettbewerbs bekanntgegeben. Das Berliner Büro Staab Architekten hat den 1. Preis errungen, zweitplatziert kamen Müller Reimann, ebenfalls Berlin, ins Ziel.
Wer sich im Dezember die Ausstellung der Entwürfe im Kronprinzenpalais Unter den Linden angesehen und die Beurteilungen gelesen hat, könnte sich über diese Rangfolge gewundert haben. Denn während der Vorschlag von Müller Reimann vom Preisgericht in allen Punkten gelobt wurde, erntete die Planung von Staab Architekten neben Zuspruch im Großen und Ganzen auch Kritik in Details. Anders gesagt, das Rennen dürfte knapp gewesen sein, lagen den Juroren doch zwei überzeugende Entwürfe vor, die die gestellte Aufgabe auf jeweils eigene Weise souverän bewältigen. Die Arbeit von Müller Reimann wirkt mit ihrer Gliederung in zwei über eine haushohe Halle miteinander verbundene, gleichwohl in den Fassaden differenzierte „steinerne“ Häuser eher „städtisch“, „Berlinisch“. Der Entwurf von Staab dagegen eher als potentiell grundstückssprengende Gewebe-Struktur mit ökologischer High-Tech-Anmutung dank Beton-Exo-Skelett und dahinter liegender Holzfassade. Beiden Entwürfen gelingt es, das gewaltige Gegenüber in Schach zu halten: Sie wirken jeweils eigenständig, repräsentativ, ohne in Monumentalität zu verfallen, zeitgenössisch, ohne einer Mode zu frönen. Das Übel, dass die Wilhelmstraße nun auf beiden Seiten tot liegen wird, Passanten und Spaziergängerinnen keinerlei Anregungen bietet, ist der Bauaufgabe geschuldet, schon klar – aber wäre ein zumindest teilweise gewerblich nutzbares Erdgeschoss wirklich unmöglich herstellbar, um dem ja immer noch öffentlichen Raum ein wenig Lebendigkeit zu schenken? Eine Art „untergeschobene Ladenzeile“ auf 50 Metern, die das Ministerium überbauen darf? In der Wilhelmstraße Flanierende können hier demnächst vielleicht einen Blick in eine Kantine erhaschen: Na toll.
Wo wollte man lieber arbeiten? Auch die Wahl dürfte schwerfallen. Ein Blick auf die Grundrisse zeigt in beiden Fällen endlos aneinandergereihte Bürozellen, wie sie die Bundesregierung seit den 90er Jahren im Büroneubau favorisiert – offenbar zu vollster Zufriedenheit der Beamten, andernfalls wäre der Wettbewerb nur als Fehltritt auf dem Weg hin zu anderen, gemeinschaftlicheren, flexibleren Arbeits- und Alltagswelten zu deuten. Der Wechsel von einer 16 Jahre CDU- zu einer SPD-geführten Bundesregierung und des Finanzministeriums von der SPD zur FDP: Architektonisch bleibt alles wie es ist.
Dieser Artikel enthält Zeilen aus Danger Dan: Mingvase, einem Lied, in dem sich ein Elefanten im Porzellanladen bewegt – gar keine gute Idee!
Realisierungswettbewerb
1. Preis (146.000 Euro) Staab Architekten, Berlin
2. Preis (91.250 Euro) Müller Reimann Architekten, Berlin
3. Preis (54.750 Euro) Code Unique Architekten, Dresden
2. Preis (91.250 Euro) Müller Reimann Architekten, Berlin
3. Preis (54.750 Euro) Code Unique Architekten, Dresden
Anerkennungen (je 36.500 Euro) gmp, Berlin/Hamburg; Delugan Meissl Associated Architects, Wien
Fachpreisgericht
Stefan Behnisch, Regine Leibinger, Jórunn Ragnarsdóttir (Vorsitz), Till Schneider
Ausloberin
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Bonn
Wettbewerbsbetreuung
Schindler Friede, Berlin; a:dks mainz berlin
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