Wider die Typenserie
Die aktuelle Ausstellung zum Werk von Manfred Zumpe in Dresden veranschaulicht die verschiedenen Phasen und Tendenzen des innerstädtischen Wohnungsbaus der DDR.
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Wider die Typenserie
Die aktuelle Ausstellung zum Werk von Manfred Zumpe in Dresden veranschaulicht die verschiedenen Phasen und Tendenzen des innerstädtischen Wohnungsbaus der DDR.
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Manfred Zumpe ist in der lokalen Musikszene für sein virtuoses Klavierspiel bekannt. Er hätte auch Pianist werden können, hat sich jedoch für die Architektur entschieden und sich auch während der DDR-Zeit nicht beirren lassen, als er von offizieller Seite immer wieder ausgebremst wurde. Die Musik blieb immer seine zweite Passion. Die Gemeinschaftsausstellung der Stiftung Sächsischer Architekten und der Architektenkammer Sachsen zu seinem beruflichen Wirken, die aktuell im Haus der Architekten in Dresden gezeigt wird, und die dazu entstandene Begleitpublikation unter dem Motto „Der Klang von Architektur“. Die Kuratorin des Archivs der Stiftung Sächsischer Architekten, Susann Buttolo, nahm die Übernahme von Zumpes Vorlass zum Anlass, eine Schau zusammenzustellen.
Ab den 1960er Jahren wurde Manfred Zumpe vor allem durch seine stadtbildprägenden Hochhäuser im Ost-Berliner Stadtzentrum bekannt. Er entwickelte damals zusammen mit seinem Kollegen Hans-Peter Schmiedel ein flexibel variierbares Konzept für punkterschlossene Wohngebäude mit markanten Vieleckformen („Zwölfeckhäuser“) und diagonal zwischen den Gebäudeecken angeordneten Loggien. Die Ausstellung veranschaulicht anhand von Zumpes verschiedenen Projekten geradezu modellhaft die verschiedenen Phasen und Tendenzen des innerstädtischen Wohnungsbaus der DDR: von den freistehenden Wohnhochhäusern auf der Berliner Fischerinsel, über den 320 Meter langen Gebäudekomplex an der Karl-Liebknecht-Straße mit seinen integrierten Läden und Kultureinrichtungen, bis hin zu den an die historischen Strukturen angepassten Plattenbauten am Dresdner Neumarkt. Sie zeigen, wie man auch mit Typensystemen eine urbane Atmosphäre kreieren kann.
Zumpe wurde 1930 als Sohn eines Baumeisters und Bauunternehmers geboren, studierte in Dresden Architektur und beschäftigte sich später in seiner Dissertation und Habilitation mit den verschiedenen Formen des zeitgemäß-modernen Wohnens im internationalen Vergleich. In einigen seiner Bauten kann man Le Corbusiers Idee der „vertikalen Stadt“ wiederfinden. Im Zuge der geplanten Neubebauung der Ost-Berliner Fischerinsel erarbeiteten er und der wenige Jahre später verstorbene Hans-Peter Schmiedel (1929-71) gemeinsam umfangreiche Studien zur Entwicklung neuer Wohnhochhäuser. Dabei entstanden unterschiedliche Grundriss- und Gebäudekonzepte: vom „Wohnhochhaus Fischerkiez“ über das später an der Rochstraße realisierte Punkthochhaus „Windmühle“ bis zu den „Pfeil- und Vieleckhäusern“.
1972 stieg er in das wenig später enteignete Bauunternehmen seiner Familie ein und etablierte hier eine völlig neue firmeneigene Planungsabteilung. Mit seinen Mitarbeitern entwickelte er technologische Alternativen und flexiblere Baumethoden, die auch im industriellen Wohnungsbau gestalterische Variabilität ermöglichten. Sein erstes „Zwölfeckhaus“ in Ottendorf-Okrilla (weitere entstanden später in Arnsdorf und Radeberg) avancierte jahrelang zur Pilgerstätte für Architekten, die dem industriellen Bauen neue Qualitäten abringen wollten. Auch unter den Restriktionen des staatlichen gelenkten Bauens in der DDR behielt er seine gestalterische Freiheit: Das Vieleck-Konzept ermöglichte neben den sich plastisch auffächernden Fassaden und variablen Höhenstaffelungen auch vielfältige Kombinationen von unterschiedlich großen Wohnungen. Die umfangreiche Verglasung der Fassadenbereiche hinter den zurückspringenden Loggien erweckt den Eindruck von ineinander übergehenden Innen- und Außenräumen. Auch bei weiteren seiner Arbeiten fällt die subtile Fassadengestaltung auf, mit unterschiedlichen Materialien, Oberflächen und teilweise sogar grafischen Elementen.
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