Zukunft unter Denkmalschutz
Die Schweizerische Nationalbibliothek ist im Wandel, zumindest innerlich. In Zukunft will sie mehr sein als bloß Büchermagazin und Lesestube, nämlich ein Ort für Kultur, Wissen und Begegnung. Die Institution im Berner Museumsquartier steht nun, nach der Wettbewerbsauslobung durch das Bundesamt für Bauen und Logistik, vor einem 70 Millionen Franken teuren Umbau.
Text: Kunst, Jasmin, Zürich
Zukunft unter Denkmalschutz
Die Schweizerische Nationalbibliothek ist im Wandel, zumindest innerlich. In Zukunft will sie mehr sein als bloß Büchermagazin und Lesestube, nämlich ein Ort für Kultur, Wissen und Begegnung. Die Institution im Berner Museumsquartier steht nun, nach der Wettbewerbsauslobung durch das Bundesamt für Bauen und Logistik, vor einem 70 Millionen Franken teuren Umbau.
Text: Kunst, Jasmin, Zürich
Von außen wird von der Neugestaltung der Schweizerischen Nationalbibliothek nicht viel zu merken sein: Der Bau von 1931 ist als wichtiger Zeitzeuge der Moderne denkmalgeschützt. Erweiterungen und Aufstockungen sind „prinzipiell nicht erlaubt“. Seine Erscheinung wird er also behalten: den geduckten Eingang, die viergeschossigen Büroflügel links und rechts davon, sowie den achtgeschossigen Bücherturm im Hintergrund. Galt der nüchterne Ausdruck damals als zukunftsweisend, wirkt er heute – gerade in Kombination mit der strengen Symmetrie der Anlage – für einen niederschwelligen Wissensort zu monumental, etwas zu steif.
Schon in der Vergangenheit wurde an der Bibliothek kräftig gebaut. In den 1990er Jahren zog die Büchersammlung in zwei unterirdische, vier- und siebengeschossige Magazine um. Der Bücherturm – eine Art Hochregallager – wurde frei und bot eine erste Möglichkeit, der Öffentlichkeit in der Bibliothek Raum zu geben. Die neu eingerichteten Arbeitsplätze wurden über eine Kaskadentreppe erschlossen, die aber große statische Probleme mit sich brachte. Mit dem Wettbewerb für eine Gesamtsanierung, den das Schweizer Bundesamt für Bauen und Logistik letztes Jahr ausschrieb, sollte also vor allem über zwei Dinge nachgedacht werden: wie diese statischen Probleme in den Griff zu bekommen sind und welche architektonische Form der inhaltliche Wandel der Bibliothek erhalten soll.
Wichtigster Punkt im Programm ist das „Forum“, eine „vielfältig nutzbare Begegnungszone“, in der Ausstellungen, Lesungen und Konzerte stattfinden können. Des Weiteren sollen Ateliers, die bestehenden Lesesäle erweitert und Büros ergänzt werden. 1350 Quadratmeter zusätzliche Nutzfläche umfasst das Raumprogramm, das in die bestehende Struktur eingeflochten wird. Da von sichtbaren Anbauten abgesehen werden soll, bleibt nur die Erweiterung nach unten. Hier kam bereits in der Vergangenheit jenes zusätzliche Raumprogramm unter, das man außen nicht sehen sollte. Diese Strategie wird weiterverfolgt – allen Fragen, die sich hier wohl in Bezug auf Nachhaltigkeit stellen würden, zum Trotz.
Sechs Generalplanerteams haben sich für die Teilnahme am Wettbewerb qualifiziert, gewonnen haben Christ & Gantenbein aus Basel. Das Büro ist unter anderem bekannt für seinen Erweiterungsbau des Landesmuseums in Zürich, wo sie einem schnörkeligen, historistischen Bau eine kantige, selbstbewusste Betonform entgegengesetzt haben. Der Entwurf für Bern erzählt eine ganz andere Geschichte. Respekt vor dem Bestand ist hier das Credo, möglichst geringe Eingriffe, die sich der bestehenden Struktur unterordnen.
Im Erdgeschoss erlaubt eine geschickte Intervention, die vorhandene Fläche effizienter zu nutzen: Mit dem breiten Korridor wird eine ehemalige Erschließungsfläche zum Forum umgenutzt. Die früheren Lesesäle und die Eingangshalle fungieren zusammengelegt als Ausstellungs- und Veranstaltungszone, die mit Vorhängen unterteilbar ist. In den Seitenflügeln sind weiterhin Büroräume und Sitzungszimmer untergebracht.
Christ & Gantenbein heben sich mit ihrem Vorschlag, den Bücherturm zu entschlacken, statt ihn mit gestenreichen Treppen zu befüllen, von den meisten Einreichungen ab. Sie entfernen die Kaskadentreppe und führen einen kompakten Erschließungskern am alten Ort ein, wo er diskret die Aussteifung übernimmt. Durchbrüche in den Decken schaffen doppelgeschossige Räume, was mehr Licht und Platz für die vertikale „Medienwelt“ bedeutet. Die Ateliers, sämtliche Parkplätze und Klassenzimmer, die heute den Hof belegen, kommen in einem der Bibliothek vorgelagerten, unterirdischen Bau unter. Der Hof wird zu einem „Stadtgarten“ umgewandelt.
Mehr Mut zeigen Miller & Maranta. Sie schlagen vor, das Forum und die öffentlichen Bereiche auf zwei Geschosse zu verteilen: das Erdgeschoss und ein neu angelegtes zweites Untergeschoss. Die beiden Ebenen verbinden sie mit einer skulpturalen „venezianischen“ Treppe. Auf den Visualisierungen wirkt der Entwurf anziehend, die Eingriffe werden von der Jury jedoch als zu tiefgreifend bewertet und scheinen weder denkmalpflegerisch noch finanziell umsetzbar zu sein. Einzig das Team um Armon Semadeni wagt es, eine Veränderung an der äußeren Erscheinung der Bibliothek anzudenken. Die Jury hinterfragt berechtigterweise aber, ob eine zarte Krone als Sonnenschutz Extremwetter standhalten würde.
Alle fünf nicht platzierten Projekte kritisiert die Jury scharf – für die zu starken Eingriffe in die Struktur oder unrealistische Unterbauungen. Mit Blick auf die gewünschten Nutzflächen und die denkmalpflegerischen Vorgaben überrascht dies kaum. Es darf hinterfragt werden, ob sichtbares Erweitern nicht mindestens eine prüfenswerte Alternative gewesen wäre. Schließlich will sich die Bibliothek umfassend wandeln, zeitgemäß werden – dies dürfte man ruhig auch sehen.
Zweistufiger selektiver Realisierungswettbewerb
1. Preis Christ und Gantenbein, Basel; Drees & Sommer, Basel
Weitere Teilnehmende, 2. Stufe Armon Semadeni Architekten, Zürich; Harry Gugger Studio, Basel; Kast Kaeppeli Architekten, Bern; Masswerk Architekten, Luzern; Halter Casagrande Partner, Luzern; Miller & Maranta, Basel
1. Preis Christ und Gantenbein, Basel; Drees & Sommer, Basel
Weitere Teilnehmende, 2. Stufe Armon Semadeni Architekten, Zürich; Harry Gugger Studio, Basel; Kast Kaeppeli Architekten, Bern; Masswerk Architekten, Luzern; Halter Casagrande Partner, Luzern; Miller & Maranta, Basel
Ausloberin
Bundesamt für Bauten und Logistik
Bundesamt für Bauten und Logistik
Fachpreisgericht
Cédric Bachelard, Anja Beer, Daniel Gross, Veronika Niederhauser, Daniel Schürer, Toni Weber, Hanspeter Winkler (Vorsitz)
Cédric Bachelard, Anja Beer, Daniel Gross, Veronika Niederhauser, Daniel Schürer, Toni Weber, Hanspeter Winkler (Vorsitz)
Verfahrensbetreuung
Techdata, Bern
Techdata, Bern
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