Zur Geschichte des Historisches Archivs der Stadt Köln
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Zur Geschichte des Historisches Archivs der Stadt Köln
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Die Geschichte des Historischen Archivs der Stadt Köln begann 1406 mit dem Beschluss des Rates, im neuen Rathausturm einen sicheren Ort zur Verwahrung ihrer „Privilegien“ und anderer Urkunden zu schaffen. Mit der Stadt wuchs auch der Bestand an wichtigen Akten, so dass 1894 der erste Archivzweckbau nach einem Entwurf von Friedrich Carl Heimann im neugotischen Stil am Gereonskloster gebaut wurde. Schon damals gab es einen Bibliotheks-Lesesaal im Erdgeschoss, in der Etage darüber einen vornehmeren Archiv-Lesesaal. Das Archivgut wurde mit feuerfesten Decken und feuersicheren Treppen geschützt. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Archivgut unbeschadet, da es rechtzeitig ins Umland ausgelagert worden war; das Gebäude erlitt Bombentreffer, konnte jedoch wieder aufgebaut werden. Zunehmend vermachten Architekten, Schriftsteller und Musiker ihren Nachlass dem Archiv, das bald seine Kapazitätsgrenzen erreichte. Der Gerling-Konzern, der das Archivgebäude am Gereonskloster erwerben wollte, bot ein Grundstück im nahe gelegenen Georgsviertel zum Tausch an. Nach einem Entwurf von Fritz Haferkamp baute die Stadt dort, in der Severinstraße, ein neues Archiv, das 1971 eröffnete. Mit der natürlichen Klimatisierung der Magazinräume nach dem sogenannten „Kölner Modell“ bot es ideale Bedingungen für die Archivalien und galt als Vorbild für zahlreiche Archivneubauten. Mit seiner massiven Granitfassade und den schmalen Lichtschlitzen zeigte es Passanten jedoch ein abweisendes Gesicht. Die Kapazität war 1996 ausgeschöpft.
Am 3. März 2009 stürzte das Archiv ein, Nachbargebäude wurden stark beschädigt, zwei Menschen starben. Ursache für den Einsturz waren Fehler bei Tiefbauarbeiten für die neue Nord-Süd-Stadtbahn. Begraben unter den Trümmern wurden rund 30 Regalkilometer Archivalien, das gesamte historische Erbe der Stadt, darunter 62.000 Urkunden und Testamente, 2000 Handschriften und rund 70 Architektennachlässe.
Innerhalb eines halben Jahres wurden etwa 85 Prozent der verschütteten Bestände geborgen; was unter dem Grundwasserspiegel lag, konnte erst nach der Errichtung eines Bergungsbauwerks gerettet werden. Zeitweise wurden die stark verschmutzten und zerstörten Archivalien von 20 Asylarchiven in ganz Deutschland verwahrt. 2011 wurde in einem ehemaligen Möbel-Lagerhaus ein Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum eingerichtet. Auf die Erfassung und Identifizierung der Bestände folgte nun die Konservierung und Restaurierung – als gerettet gilt erst, was wieder in einem benutzbaren Zustand vorliegt. Gleichzeitig arbeitete das Archiv an nacheinander drei Interimsstandorten weiter, machte dort in einem Lesesaal digitales Material und Mikrofilme zugänglich und zeigte Ausstellungen: wichtige Schritte auf dem Weg zum Bürgerarchiv.
Was nach zwölf Jahren bleibt, ist ein gewaltiges Loch, das so lange nicht geschlossen werden kann, bis die Antworten gefunden wurden. Aber es ist nicht nur das Loch in der Severinstraße, es ist eine Wunde mitten in der Stadt, ein Trauma der Gesellschaft (Bauwelt 6.2013). Von den Rändern her scheint Heilung möglich, die benachbarten Schulen sind saniert, an einer Kante wurden neue Wohnungen gebaut, doch bisher vergeblich forderte die Gruppe „Köln kann auch anders“ einen Gedenkort. Die Dramatikerin Elfriede Jelinek nutzte das Thema des Archiv-Einsturzes als Grundlage für den dritten Teil ihrer Trilogie „Das Werk/Im Bus/Ein Sturz“. Bei der Uraufführung des dritten Teils im Schauspiel Köln 2010 gab es beängstigend viel Staub, Wasser und schließlich Matsch, während der Mix aus O-Tönen und Schauspiel die Politik zur Farce erklärte. Das Publikum war begeistert.
Der Wiederaufbau am Unglücksort war keine Option. Bedauerlich, da die Severinstraße nicht nur zentrumsnah liegt, sondern, gesäumt von Wohnungen, Geschäften, Schulen und Kirchen, die Lebensader eines lebendigen Viertels ist.
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