Bauwelt

free space (engl.) – Freiraum, luftleerer Raum (dt.)

Yvonne Farrell und Shelley McNamara haben für die diesjährige Biennale ein Manifest mit dem Titel „Freespace“ geschrieben. Der Begriff lässt sich weit fassen – und schließt das Nichts mit ein.

Text: Verschiedene

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    Der in Venedig lebende Fotograf Federico Sutera fängt in seinen Bildern die Vielseitigkeit seiner Stadt ein. Die Fotos der Serie „Postcards from Venice“ scheinen aus einer längst vergangenen Zeit zu stammen, in der der Alltag noch nicht allein vom Tourismus geprägt war.
    Foto: Federico Sutera

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    Der in Venedig lebende Fotograf Federico Sutera fängt in seinen Bildern die Vielseitigkeit seiner Stadt ein. Die Fotos der Serie „Postcards from Venice“ scheinen aus einer längst vergangenen Zeit zu stammen, in der der Alltag noch nicht allein vom Tourismus geprägt war.

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    Während die Zahl der Einwohner sinkt, steigt die Zahl der Touristen. Die jährlich knapp 30 Millionen Gäste bestimmen schon lange das Bild der Stadt. In der Serie „Venice for Sale“ lenkt Sutera seinen Blick vom baukulturellen Erbe auf die vom Tourismus definierte Stadt.
    Foto: Federico Sutera

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    Während die Zahl der Einwohner sinkt, steigt die Zahl der Touristen. Die jährlich knapp 30 Millionen Gäste bestimmen schon lange das Bild der Stadt. In der Serie „Venice for Sale“ lenkt Sutera seinen Blick vom baukulturellen Erbe auf die vom Tourismus definierte Stadt.

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    Um so mehr faszinieren die Bilder, wenn die Stadt im morgendlichen Nebel versinkt und wie in der Serie „Neverland“ als geheimnisvolle, ruhig schlafende Insel erscheint.
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    Um so mehr faszinieren die Bilder, wenn die Stadt im morgendlichen Nebel versinkt und wie in der Serie „Neverland“ als geheimnisvolle, ruhig schlafende Insel erscheint.

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free space (engl.) – Freiraum, luftleerer Raum (dt.)

Yvonne Farrell und Shelley McNamara haben für die diesjährige Biennale ein Manifest mit dem Titel „Freespace“ geschrieben. Der Begriff lässt sich weit fassen – und schließt das Nichts mit ein.

Text: Verschiedene

FREESPACE beschreibt die Freigebigkeit des Geistes und den Sinn für Menschlichkeit als Grundlage der der Architektur. Es geht immer um den Raum und seine Qualität.
FREESPACE konzentriert sich auf die Fähigkeit der Architektur, denen, die den Raum nutzen, kostenlose räumliche Geschenke zu machen und die unausgesprochenen Wünsche von Fremden vorwegzunehmen.
FREESPACE feiert das Können der Architektur, in jedem Projekt einen Mehrwert und eine Großzügigkeit zu entdecken – selbst im allerprivatesten, abwehrenden, ausschließenden und finanziell noch so beschränkenden Rahmen.
FREESPACE verstärkt die kostenlosen Gaben der Natur, das Licht – Sonne, Mond, Luft, Schwerkraft, Materie, die natürlichen und die menschengemachten Ressourcen.
FREESPACE ermutigt zu neuen Wegen des Denkens, die Welt mit anderen Augen zu sehen, Lösungen überall dort zu finden, wo sich Architektur um das Wohl und die Würde jedes Bewohners dieses verletzlichen Planeten dreht.
FREESPACE kann ein Raum der Möglichkeiten sein, ein demokratischer Raum, ohne Programm, einem Gebrauch zugänglich sein, der noch nicht erdacht worden ist. Ob gewollt oder nicht, zwischen Menschen und Bauwerk gibt es immer eine Verbindung, Gebäude selbst finden einen Weg, sich den Leuten mitzuteilen und über die Zeiten hinweg zu dienen, lange nachdem der Architekt die Bühne verlassen hat. Architektur hat ein aktives wie ein passives Leben.
FREESPACE beinhaltet die Freiheit sich vorzustellen, den freien Raum der Zeit und Erinnerung, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander zu verbinden, auf ererbten kulturellen Schichten aufzubauen, das Archaische mit dem Zeitgenössischen zu verweben.
Yvonne Farrell und Shelley McNamara, Kuratorinnen der 16. Architekturbiennale
Endlich wieder ein Manifest, an dem man sich reiben kann, das zur Diskussion einlädt, das die Architektur auf den Prüfstand stellt! Reduziert auf sieben Thesen, lässt die Interpretation des Wortes „Freespace“ vieles zu: Es spricht ganz direkt den Freiraum in der Architektur an, den konkreten Raum, den öffentlichen und den politischen, aber vor allem auch das nicht-greifbare, metaphysische Element der Architektur. Das Wort ins Deutsche übersetzt – Freiraum – vermag auf den ersten Blick nicht einzufangen, was sein englisches Pendant an Möglichkeiten zulässt. Daher haben wir bei den Teilnehmern der Hauptausstellung im Arsenale und dem italienischen Pavillon nachgefragt: Wie interpretieren Sie Freespace? Wie wenden Sie ihn auf Ihre Arbeit an? Wie prägt er Ihre Sicht auf die Architektur? Die inspirierendsten Ergänzungen zum Manifest lesen Sie auf den folgenden Seiten. fr/KK
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FREESPACE steht fast nie in der Projektbeschreibung und muss vom Architekten erdacht und realisiert werden. So wie es der Architekt Louis Kahn bei der Gestaltung der Exeter-Bibliothek machte, indem er den zentralen Raum, das Atrium, entwarf, ohne das die Bibliothek nicht funktionieren würde. Freespace ist auch das Ergebnis dessen, was Kahn als die wichtigste Aufgabe eines Gebäudes bezeichnete: Raum für ungeplante Begegnungen zwischen Menschen, die neue Erfahrungen fördern und Kultur aufbauen. Robert McCarter, St. Louis
In Indien sehen wir FREESPACE an jeder Straßenecke, in jedem Dorf und in erdachten Landschaften. Er erfordert keinen Architekten, sondern wird geschaffen von denen, die bereit sind, sich an seiner Herstellung zu beteiligen. Anne Geenen und Samuel Barclay, Case Design, Mumbai
Der Zugang zu FREESPACE ist entscheidend, weshalb wir den Begriff der „Schwelle“ kritisch hinterfragen. Als Ein- und Ausgang haben Schwellen in der Gesellschaft eine Doppeldeutigkeit: Sie markieren gebaute und symbolische Trennungen und Verbindungen. Architektur kann unwissentlich Trennungen erschaffen, die sich durch Interpretationen von Kultur, Religion oder Gesetzgebung manifestieren. Können Architekten weiche Schwellen entwerfen, die produktive Wechselwirkungen und soziale Kontakte ermöglichen? Rahul Mehrotra, Mumbai/Boston
FREESPACE kann als öffentlicher Raum verstanden werden – insbesonderen als öffentlicher Raum, den die Architektur zweckfrei einräumt. Er beinhaltet eine Leere, die etwas zulässt. Alexander Schwarz, David Chipperfield Architects, Berlin
Wir verbinden FREESPACE mit der Aufforderung, einen öffentlichen Raum zu schaffen, der jedem das Gefühl vermittelt, dass er daran Teil hat. Teilhaben führt dazu, dass man Respekt entwickelt und sich frei fühlen kann, dass man die Architektur, die entsteht, nicht als etwas empfindet, das einem aufgezwungen wird. Benedetta Tagliabue, Barcelona
Globalisierung, soziale Isolation und Klimawandel sind miteinander verbundene Herausforderungen, die nach neuen Wegen für öffentliche Einrichtungen verlangen. Wie können wir die Definition von Architektur erweitern, um diesen drängenden Herausforderungen zu begegnen? Wir präsentieren eine offene Definition von FREESPACE, die Architektur, Landschaft und Infrastruktur miteinander verwebt, um neue Rahmenbedingungen für das öffentliche Leben zu schaffen. Marion Weiss und Michael Manfredi, New York
FREESPACE als selbstverständlich zu betrachten, ist ein Fehler. Er muss vielleicht durch Kampf, Liebe oder List verdient werden, genauso wie Freiheit. Es ist ein versteckter Vertrag mit den Ausgestoßenen, den Schwächsten, denen, die nichts zu sagen haben. Freespace enthält ein geheimes Element von Großzügigkeit und unwahrscheinlicher Würde. Manchmal bedeutet Freespace, aufs Bauen zu verzichten. Dafür zu kämpfen, nichts zu tun. Elizabeth Bonde Hatz, Stockholm
FREESPACE ist ein Oxymoron, scheinen doch die Freiheit und der gebaute Raum ein unvereinbares Gegensatzpaar zu sein. Freiheit ist eine Vorstellung, eine Stimmung und vor allem nichts Greifbares, während der gebaute Raum das genaue Gegenteil ist: Er ist physisch begrenzt und schneidet Einzelteile aus dem potenziell unbegrenzten Raum heraus. Dieses Oxymoron beschreibt für uns die wesentliche Voraussetzung architektonischer Praxis, die befreiend in ihrer Absicht, aber restriktiv in ihren Mitteln ist. Diesen Konflikt lesbar zu lassen, heißt, die Tür zu einer Form von Freiheit zu öffnen. Louisa Hutton, Matthias Sauerbruch und Juan Lucas Young, Berlin Louisa Hutton, Matthias Sauerbruch und Juan Lucas Young, Berlin
Städte waren immer Orte der Freiheit und der Migration: die ultimativen FREESPACES. Das Manifest besagt, dass jeder das Recht hat, von der Architektur zu profitieren. Aber Städte ringen damit, einerseits Neuankömmlinge willkommen zu heißen und zu beherbergen, anderseits ihre Identitäten zu bewahren. Wie können Stadtplaner und Architekten Städte schaffen, die allen als Freespace dienen: als ein Ort, der dynamisch und stabil ist, robust und flexibel, reich an komplexen Identitäten, aber leicht zugänglich? Crimson Architectural Historians mit Hugo Corbett, Rotterdam
FREESPACE hat für mich eine geistige und eine materielle Komponente. Ich nehme mir die Freiheit, in meinem Haus in der Varkensstraat in Gent großzügige Räume zu entwerfen und zu zeichnen. Gebaut, kann man Freespace sowohl in meinen privaten als auch in meinen öffentlichen Projekten erleben, durch die Auswahl von Materialien, die die haptischen, kontextuellen und historischen Beziehungen zwischen Gebäude, Garten und Straße, Herd, Treppe und Hof oder Piazza hervorbringen und verstärken. Eine Architektur, die atmet, den Blick auf und für die Bewohner rahmt und eine Kulisse für intensive Freude und Sehnsucht schafft. Marie-José Van Hee, Gent
FREESPACE ist für uns untrennbar mit dem natürlichen Licht verbunden, das ihn zum Leben erweckt: Ein unerwarteter Sonnenstrahl, ein Schatten an einer Wand, eine leichte Brise, die uns streift, kann in uns einfache und tiefgründige Gefühle hervorrufen. Architektur, die mit großzügigen Räumen geschaffen wurde, hat die Kraft, den Alltag zu verändern und uns in Staunen zu versetzen. Sie ist ein wert­volles Geschenk, mit Geduld und Handwerk gemacht. Sandra Barclay und Jean Pierre Crousse, Lima
Raum ist das, was zwischen der Kons­truktion liegt und der Idee, die Architektur hervorbringt. Er wird immer von innen wahrgenommen und über seine massiven Wände nach außen sichtbar. FREESPACE entsteht, wenn über das unbedingt Notwendige hinaus die Schönheit der Nützlichkeit zum Ausdruck kommt. Menschen bewohnen ihn, Licht, Zeit und Klang definieren ihn. Ángela García de Paredes und Ignacio Pedrosa, Madrid
FREESPACE bedeutet, den Bewohnern die Freiheit zu geben, ihr Zuhause in städtischen Wohnblocks selbst zu entwerfen und zu bauen. Pia Ilonen, Minna Lukander und Martti Lukander, Talli Architecture & Design, Helsinki
Mit dem Aufstieg des Welthandels sowie einem Anstieg des Nationalismus, gibt es zwei Bereiche, die unser Leben in Frage stellen. Aus wirtschaftlicher Sicht steht FREESPACE im Gegensatz zu etwas, für das man bezahlen muss! Der Markt belegt den Raum mit der Aufforderung zum Konsumieren statt zum Kommunizieren. Mehr denn je brauchen wir offene und erschwingliche Räume für jedermann. Raum, der leer bleibt, damit er mit dem Denken und Handeln der Besucher erfüllt werden kann. Aus politischer Sicht braucht es Freespace um frei denken zu können, kritische Ansichten zu artikulieren, Vielfalt und sogar Anarchismus zu ermöglichen. Jede gesunde, nachhaltige Zivilisation sollte dies in ihren Blaupausen stehen haben – oder sie versagt. Sami Rintala, Dagur Eggertsson, Vibeke Jenssen, Oslo
Wir verstehen FREESPACE als die Fähigkeit von Architektur, über die vorgegebene Nutzung hinauszu­gehen. Architektur verändert, wie Menschen leben, und wird verändert davon, wie Menschen leben. Inês Lobo, Lissabon
FREESPACE hat für mich zwei Bedeutungen. Zum einen eröffnet Freespace im Kontext von Architektur die Möglichkeit, ausschließlich mit den Leerstellen zu arbeiten, dem Raum dazwischen. Ich glaube, wir sind in der Verantwortung, die Lücken um die Gebäude und zwischen den Gebäuden, die wir bauen, ebenfalls zu gestalten. Die Gebäude bekommen so eine zusätzliche Wirkungsebene: Es entsteht freier, unprogrammierter Raum für alle, nicht nur für die Bewohner des Gebäudes. Zum anderen kann Freespace als unmittelbare Definition von „frei“ und „Raum“ interpretiert werden. Der Begriff der Freiheit wird in vielen Zusammenhängen geschätzt, wenn er jedoch unbestimmt wird, verändert er seinen Charakter, wird unheimlich und als Bedrohung erlebt. Auf die gleiche Weise, wie man einen endlosen Raum erlebt, wirkt er einschüchternd, sogar gefährlich. Dieser Gegensatz führt uns zurück zum grundlegendsten Zweck der Architektur – einen schützenden Unterschlupf für die Menschen zu schaffen. Auch unter härtesten Bedingungen. Dorte Mandrup, Kopenhagen
FREESPACE wird im Spanischen zu einem Wortspiel: Es bedeutet „den Raum befreien/libera espacio“ und „Handlungsspielraum/espacio libre“. Für unser Büro ist es beides: die Aufforderung zum Handeln als auch Raum zum Handeln, der in der Entwicklung eines Ortes latent vorhanden ist. Rozana Montiel, Mexiko-Stadt

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