Schöne Vorlage
Für ein konkurrierendes Verfahren um die Entwicklung der Werft in Dresden-Laubegast lud der Investor siebzehn Architekturbüros ein zum Schöntanzen. Unter sechs Teilnehmern der zweiten Phase sicherten sich die Rotterdamer Barcode Architects den Zuschlag.
Text: Landes, Josepha, Berlin
Schöne Vorlage
Für ein konkurrierendes Verfahren um die Entwicklung der Werft in Dresden-Laubegast lud der Investor siebzehn Architekturbüros ein zum Schöntanzen. Unter sechs Teilnehmern der zweiten Phase sicherten sich die Rotterdamer Barcode Architects den Zuschlag.
Text: Landes, Josepha, Berlin
Selten ließ mich eine Auslobung so ratlos zurück, wie diese. Im Vorwort seines „Konkurrierenden Verfahrens“ zur Planung einer – derzeit ja allenthalben gewünschten – flexiblen Arbeitswelt, in diesem Fall auf dem Gelände einer Werft in Dresden-Laubegast, lässt der initiierende Investor einen Philosophen zu Wort kommen. Nicht exklusiv, sondern in Form eines Text-Nachdrucks von Spektrum.de müht Philosoph Matthias Warkus sich ab, zu fragen: Was ist Schönheit? Für diese Frage, wenn einem schon keine bessere in den Sinn kommt, im Kontext eines Architekturwettbewerbs nicht wenigstens eine Architektin oder einen Architekturkritiker zu bemühen, erstaunt – und wiederum nicht.
Wie nicht anders zu erwarten, bleibt Warkus reichlich vage. Man mag es ihm verzeihen, schließlich bewegt er sich im eigenen System, in dem Philosophieren hauptsächlich bedeutet, sich mit Philosophie auszukennen. Warkus jedenfalls weiß, und am Ende des Vortexts wissen auch wir, und wussten die Verfahrensteilnehmer, vor allem, dass Schönheit in den Augen der Betrachter liegt. Im Fortgang der Aufgabenstellung wird auch deutlich, wessen Augen im Konkreten gemeint sind: die der Gesellschafter der Werft Laubegast, Rico Richert und Sven Spielvogel: „Die Entscheidung über den Siegerentwurf wird von [ihnen] getroffen.“ Der Jury kam beratende Funktion zu.
Natürlich liegt architektonische Schönheit nicht ausschließlich im Auge des Betrachters. Sechs von siebzehn geladenen Büros beteiligten sich an Phase zwei des Verfahren. Die ausschlaggebenden Aspekte bleiben ungewiss. Ob den Teams, die schließlich antraten, die Schönheits-Frage am Herzen liegt? Im Büro AFF, das mit einem sehr gelungenen Beitrag (Begründung folgt), zweitplatziert schloss, dürfte man sich das Lachen verkniffen haben.
In Dresden fahren Investoren in sicherem Wasser mit derartigem Gefasel. Ist ja „schon schön“ da, und es ist „den Dresdnern“ extrem wichtig, dass das so bleibt. Leider aber tut es das gerade dann oft nicht, wenn am lautesten davon gesprochen wird. Besagter Gesellschafter Rico Richert etwa ist nicht zum ersten Mal an einem Bestandsumbau in der Stadt beteiligt. Wie Immobilienunternehmern eigen, mischt auch er bei einer Handvoll Firmen mit und war 2017 einer der Käufer des im Renovierungs-Ergebnis kläglichen Lahmann-Sanatoriums auf dem Weißen Hirsch. Am einst prunkvollen Klinikstandort findet sich nun eine Vorstadtsiedlung mit komplett versiegelnder Erschließung. Eine Besserverdiener-Enklave ohne jede Bezugnahme auf gestalterische Vorgaben aus dem Bestand. Reden wir später weiter über Schönheit.
Das Verfahren in Laubegast haben Barcode Architecten aus Rotterdam gewonnen. Im Auge der Gesellschafter war dieses also das schönste Projekt. Im philosophischen Vorspann geht es in Wirklichkeit vielmehr um Hässlichkeit als um Schönheit: „Wer einfordert, dass ein bestimmtes Gebäude so nicht gebaut werden soll, muss mehr zur Begründung liefern als nur ‚Hässlich!‘. Er muss erklären können, was er mit ‚hässlich‘ meint, warum er diese Einschätzung verallgemeinerbar findet, und gleichzeitig damit leben können, dass nicht alle anderen es genauso sehen.“ Soweit macht das Sinn.
De facto missbrauchen die Auslober diese Argumentation jedoch als Totschlagargument. Sie setzen die weitschweifig unkonkrete Erörterung als populistisches Mittel ein, in dessen Conclusio Architekturkritik eine Art „Fake News“-Charakter besitzt. Erstens: Negieren sie deren Existenz, und zweitens: Negieren sie deren Existenzberechtigung. Warkus‘ Text bedient einen Begriff von Schönheit, die in der Architektur nichts zu suchen hat – einen geschmäcklerischen, in dem jedes Argument gleich schwer dem nächsten wiegt, und schließt Kenntnisse über kulturhistorische, bautechnische oder gestalterische Grundlagen zur Qualifikation aus. Diese Ignoranz ist höchst ärgerlich, wenn nicht gefährlich, denn sie räumt jedem einzelnen Auge des Betrachters einen viel zu hohen Wert ein und führte in ihrer Konsequenz zu Willkür.
Ich erlaube mir aus diesem Grund an dieser Stelle eine Darlegung meiner Einschätzung, deren Gehalt Sie gern prüfen dürfen: AFFs Entwurf ist m.E. „schöner“, im Sinne von gelungen, als der Siegerentwurf, weil er im Gegensatz zu diesem die Rahmenbedingungen des Baugebiets und die Funktionsabläufe der Bauaufgabe begreift und in Konstruktion, Materialität und Raum überführt. Barcodes filigrane Holzschiffchen mögen gefallen, weil sie dem Klischeebild „flexibler Arbeitswelten“ entsprechen. Das macht sie aber noch nicht zu schöner, im Sinne von adäquater, Architektur.
Der Siegerentwurf könnte überall stehen. Allerdings erfüllt er nicht einmal ansatzweise den Anspruch, die Werft weiterhin, zumindest minimal, als solche nutzbar zu halten – die Sächsische Dampfschifffahrtsgesellschaft nimmt auf dem Gelände noch Kleinreparaturen an ihrer Flotte vor. AFF liefern demgegenüber eine Werkstatt, in der es dreckig werden darf, soll, ja muss. Außerdem gestalten und differenzieren sie Räume, wo die Erstplatzierten sich auf ihren Wettbewerbsplänen mit lapidaren, für wechselnde Nutzungen anpassbaren Volumen um Entscheidungen drücken. Aber: Es gibt da Bäume auf dem Dach – toll!
Diese Rubrik ist nicht nur ein Ort für neutrale Berichterstattung. Damit wartet sie ausreichend oft auf. Diese Rubrik ist auch der geeignete Ort, einmal grundsätzlich Kritik zu äußern am Wettbewerbswesen: Aus gutem Grund beraten in regelrechten Wettbewerbs-Preisgerichten Fachleute über Stärken und Schwächen der Einreichungen und wägen ab. Zusehen zu müssen, wie attraktive Standorte, hier ein Areal mit direktem Elbzugang und denkmalgeschütztem Baubestand, in „Konkurrierenden Verfahren“, also nur scheinbaren Wettbewerben, verspielt werden, frustriert. Derlei Schlupflöcher in den Verfahrensrichtlinien machen Investoren wieder und wieder zu kleinen Königen.
Konkurrierende Entwurfswerkstatt
1. Preis Barcode Architects, Rotterdam
2. Preis AFF Architekten, Berlin
3. Preis Charles-Henri Tachon Architecture, Paris
weitere Teilnehmer Leinert Lorenz Architekten, Dresden; Peter Zirkel Architekten, Dresden; Schoener und Panzer Architekten, Leipzig
1. Preis Barcode Architects, Rotterdam
2. Preis AFF Architekten, Berlin
3. Preis Charles-Henri Tachon Architecture, Paris
weitere Teilnehmer Leinert Lorenz Architekten, Dresden; Peter Zirkel Architekten, Dresden; Schoener und Panzer Architekten, Leipzig
Alle Teilnehmer der zweiten Phase erhielten eine Aufwandsentschädigung von 15.000 Euro.
Preisgericht
Jessica Borchardt, Walter Miller, Mikala Holme Samsøe, Jürg Sulzer, Petra Wollenberg, Rico Richert und Sven Spielvogel Auftraggeber (Auftraggeber), Gregor Törzs
Jessica Borchardt, Walter Miller, Mikala Holme Samsøe, Jürg Sulzer, Petra Wollenberg, Rico Richert und Sven Spielvogel Auftraggeber (Auftraggeber), Gregor Törzs
Auslober
Werft Laubegast Vermögensverwaltung, Dresden
Werft Laubegast Vermögensverwaltung, Dresden
Verfahrensbetreuung
Schubert + Horst Architekten, Dresden
Schubert + Horst Architekten, Dresden
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