Bauwelt

Farbenblind

Text: Stumm, Alexander, Berlin; Yde, Marie Bruun, Berlin

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In der Serie „Do You Know Our Names?“ (2020) übermalt die Künstlerin Rajkamal Kahlon Porträts aus dem Buch „Die Völker der Erde“ und gibt den stereotyp abgebildeten Frauen ihren individuellen Sub­jektstatus zurück.
Abb.: Rajkamal Kahlon

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In der Serie „Do You Know Our Names?“ (2020) übermalt die Künstlerin Rajkamal Kahlon Porträts aus dem Buch „Die Völker der Erde“ und gibt den stereotyp abgebildeten Frauen ihren individuellen Sub­jektstatus zurück.

Abb.: Rajkamal Kahlon


Farbenblind

Text: Stumm, Alexander, Berlin; Yde, Marie Bruun, Berlin

Auch wenn die Idee von menschlichen „Rassen“ spätestens mit der Entschlüsselung des Genoms 2021 endgültig als Pseudowissenschaft widerlegt ist, prägt diese über Jahrhunderte gültige Vorstellung unsere Gesellschaften noch immer. Selbst wenn wohl fast niemand mehr einen biologistischen Rassebegriff vertritt, haben sich gewisse Stereotype in Bezug auf Ethnizität, Herkunft und Hautfarbe erhalten, die zu Diskriminierung führen. Ein solcher struktureller Rassismus bildet sich über Machtverhältnisse ab. Er ist bei weitem kein Randphänomen, wie die wissenschaftliche Geschäftsführerin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung Noa K. Ha in der Analyse des aktuellen Rassismusmonitors zeigt.
Rassismus als räumliches Phänomen
Architektur und Stadt sind nicht nur Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse, sondern produzieren Räume, in denen diese Machverhältnisse wirksam werden. Rassismus handelt in diesem Sinne nicht nur von Vorurteilen, sondern auch von Sichtbarkeit, Ressourcen und Infrastrukturen. Ausgrenzung von nicht-weißen Menschen im europäischen Architekturgeschehen zeigt sich an mangelnder Vertretung in der Universität, in Führungsposi­tionen, auf dem Podium, im Entwurf und Bauen.
Die Beiträge in diesem Heft widmen sich Zusammenhängen zwischen Rassismus, städtischer Segregation und Repräsentation in der Architek­-tur. Sie umfassen Wohnen, Lehre, Arbeitskultur und Gestaltung. Um Machtverhältnisse nicht unbewusst zu reproduzieren, plädiert Kim Ha Tran dafür, die eigene Position stärker zu reflektieren. Rassismusfreie Räume zu schaffen bedarf der Bewusstwerdung von Problemen marginalisierter Bevölkerungsteile – die sich per definitionem schwer Gehör verschaffen können – und ihrer aktiven Miteinbeziehung in Planungsprozesse.
Zu Dänemark finden sich zwei Artikel in dieser Ausgabe. Um bei unserem nördlichen Nachbarn auf die offizielle staatliche „Ghetto-Liste“ zu gelangen, ist ein entscheidendes Kriterium, dass mindestens 50 Prozent der Bevölkerung eines Stadtteils nicht-westlicher Herkunft ist. So entscheiden Ethnizität und Hautfarbe der Bewohnerinnen und Bewohner, ob Gebäude abgerissen werden.
Rechte Gewalt und rassistisch motivierter Terror sind in Deutschland keine Einzelfälle. Die Recherche von Forensic Architecture zu den Mordanschlägen in Hanau macht deutlich, dass staatliche Stellen bei der Aufklärung solcher Gewalttaten immer wieder versagen. Autor Ibrahim Klingeberg-Behr zeigt anhand der Kontroverse, die um das den Opfern des Anschlags gewidmeten Mahnmals entstanden ist, dass zudem das Selbstverständnis einer weißen „Mehrheitsgesellschaft“ dem Gedenken im Weg steht.
Für eine diskriminierungsfreie Stadt streiten
Die Debatte um diskriminierungsfreie Architektur und Stadt ist vielstimmig. Deshalb finden sich in dieser Ausgabe Statements antirassistischer Initiativen in der Architektur, die sich in Deutschland, der Schweiz und Norwegen in verschiedenen Richtungen für eine offenere Lehre und Planungskultur einsetzen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus bedeutet Offenheit für diverse räumliche Erfahrungen und Perspektiven und umfasst auch, vermeintliche Gewissheiten in Frage stellen zu dürfen. Es geht um ein friedliches, gerechteres Zusammenleben. Wofür lohnt es sich mehr zu streiten?

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