Bauwelt

Fleischlos

Innerstädtisches Zentrum Gallneukirchen

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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1.Preis: Burkhard Meyer
Rendering: Architekten

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Rendering: Architekten


Fleischlos

Innerstädtisches Zentrum Gallneukirchen

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

In einer nur wenige Kilometer nordöstlich von Linz gelegenen Kleinstadt mit rund 6700 Einwohnern sorgt ein Wettbewerb mit renommierten Teilnehmern und einer ebensolchen Jury für Aufsehen. Doch braucht man hier eine Shopping-Mall?
„Nur was jederzeit vor seinem strengen Blick und dem sensiblen Gaumen bestehen kann, verlässt das Haus.“ Anton Riepl ist seit 1988 Chef eines traditionsreichen Familienunternehmens der Fleischverarbeitung in Gallneukirchen. Das Fleisch kommt von den besten Höfen der Region, die Kunden sind Großabnehmer. Beliebt sind die Brühwurst Debreziner, die stark geräucherten Waldviertler, der Würstchen-Snake „Long Boy“ und der Schweinskopf aus der Tube mit der Aufschrift „Drück mich“. Die dezente, sehr ausgefeilte Corporate Identity vom Wiener Designer Sigi Mayer, die bis zum kleinsten Detail der Riepl-Verpackung reicht, hebt sich deutlich vom in der Branche sonst Üblichen ab. Vor 18 Jahren entstand die neue Fleischmanufaktur Riepl an der Ortsumfahrung von Gallneukirchen. Architekt Franz Riepl (Linz/München), ein Onkel von Anton Riepl, lieferte damals den Entwurf und sorgte so dafür, dass das mit dem strengen Blick auch für die Architektur galt (Bauwelt 3.1997).
Dies soll nun auch beim nächsten Projekt gelingen. Die Familie Riepl verfügt noch über die „Riepl Gründe“, den innerstädtischen Standort der alten Fleischhauerei, eine Fläche von 6600 Quadratmetern, heute ein Freiraum mit Parkplatz und etwas Baumbestand. Hierfür wurden, mit tatkräftiger Unterstützung des Onkels und des Innsbrucker Projektentwicklers Redserve, sieben Teilnehmer zu einem „ausführungsorientierten“ Ideenwettbewerb geladen. Vorgesehen ist ein Quartiers-Mix aus Wohnen, Arbeiten, Einkaufscenter und Gastronomie. Von der Lage zwischen Stadtzentrum mit Marktplatz – der über die Dienergasse mit dem Gasthof Riepl erreicht wird – und dem Flüsschen Große Gusen verspricht man sich genügend Potenziale für die Entwicklung. Dies mag zunächst verwundern, doch allein die Nähe zur Landeshauptstadt von Oberösterreich weckt Hoffnungen für das geplante Bauprogramm. Am gegenüberliegenden Ufer des Flüsschens ist eine Haltestelle der RegioTram vorgesehen, die eine schnelle Verbindung nach Linz anbieten wird.   
Das Preisgericht unter Vorsitz von Christoph Sattler (München/Berlin) entschied sich am 24. Juni einstimmig für die Arbeit von Burkard Meyer. Sein Vorschlag für das neue Quartier setzt sich aus zwei Gebäudeensembles zusammen, mit einem großen Pavillon für die Shopping-Mall, der sich gläsern an der Hauptstraße hervorhebt. Rechts und links des Pavillons stehen zwei Giebelhäuser sonderbarer Gestalt, die sich aber aus Sicht des Architekten „in Typus und Form an einer regional geprägten Architektursprache orientiert“. Die Jury kritisierte hier die Lage der Tiefgarageneinfahrt, die merkwürdig proportioniert in eine der Stirnseiten hineingedrückt wurde. Zwei kubische „Punktbauten“ mit sechs Geschossen (gewünscht waren eigentlich ein Erd- und drei Vollgeschosse) markieren den Ort. Durch diese sehr kompakte Bauweise ergibt sich ein großer, platzartiger, „radikal öffentlicher“ Freiraum in der Mitte. Von dort führt ein kleiner überdachter Durchgang zur Dienergasse und weiter zum Marktplatz. Die Orientierung zum Fluss gelingt mit einem Belvedere, einer breiten Freitreppe und einer neuen Fußgängerbrücke. Positiv zu sehen ist die Kombination der eher tradi­tionellen Bauformen mit einer einheitlichen, sachlichen Fassadensprache für die unterschiedlichen Nutzungen.
Es wurden zwei zweite Preise vergeben. Max Dudler sieht die bestehende Stadt durch seine Neubauten „gewissermaßen weitergestrickt“. Bei dieser „entspannten Urbanität“ würden sich durch Weitungen und Engungen zahlreiche städtische Räume ergeben. Die Visualisierungen zeigt etwas anderes: Die Baublöcke wirken rigide und nehmen nur bedingt Bezüge der Umgebung auf. Am Fluss schlägt Dudler eine „repräsentative Silhouette“ vor, bei der eine gedeckte Ufergalerie zum „kontemplativen Spaziergang“ einladen soll. Der Platz zum Fluss und die Durchwegung dahinter liegen eine Ebene höher. Die Shopping-Mall sieht er positiv, er spricht von der „spannungsreichen Choreografie eines neuartigen Einkaufserlebnisses.“
Bernardo Bader hat eine andere Herangehensweise. Er plant zwar einen zentralen (Anton-Riepl-)Platz, der aber als halboffener Hof bezeichnet wird – ein Ensemble aus vier Baukörpern, das sich nicht am Charakter der Nachbarbebauung orientiert. Der Architekt lehnt ein Mall-Konzept ab und schlägt stattdessen „klassische Läden“ zu allen öffentlichen Räumen an den Straßen und zum Hof vor.
Das Engagement des Auslobers Anton Riepl und seines Onkels macht einmal mehr deutlich, dass in kleinen Kommunen allein private Initiativen für das Stemmen eines solch anspruchsvollen Projekts entscheidende Impulse geben können. Man wünscht sich an diesen Orten mehr solcher Vorhaben mit Wettbewerben und dem Bemühen, auch renommierte Büros anzufragen. Diesen Einsatz für den Heimatort zeigte exemplarisch das Textilunternehmen Nya Nordiska in Dannenberg mit seiner innerstädtisch gelegenen Firmenzentrale von Volker Staab (Bauwelt 46.2010). Auch hierfür gab es einen Wettbewerb. In Gallneu­kirchen ist das Programm ein völlig anderes und es stellt sich die Frage, ob die vom Projektentwickler geplante Shopping-Mall für einen 6700-Einwohner-Ort vor den Toren einer Großstadt eine Zukunft hat. Die Zeiten sind eigentlich vorbei.

Geladener Ideenwettbewerb

1. Preis Burkard Meyer, Baden (Schweiz) 
ein 2. Preis Max Dudler, Berlin/Zürich
ein 2. Preis Bernardo Bader, Dornbirn
Weitere Teilnehmer Florian Nagler, München; Much Untertrifaller, Bregenz/Wien; Carlo Baumschlager, Dornbirn/München; Sergison Bates, London/Zürich
Fakten
Architekten Meyer, Burkard, Baden (Schweiz);Dudler, Max, Berlin/Zürich; Bader, Bernardo, Dornbirn
aus Bauwelt 29-30.2014

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