Machismo an der Motorhaube
Sind Mechanikerinnen die besseren Architekten? Blick zurück auf die Hochzeiten der Postmoderne und die Bauwelt-Hefte, in denen sich die Redaktion en passant mit Feminismus, Frauenfrage und Gleichberechtigung im Büroalltag beschäftigte.
Text: Geipel, Kaye, Berlin
Machismo an der Motorhaube
Sind Mechanikerinnen die besseren Architekten? Blick zurück auf die Hochzeiten der Postmoderne und die Bauwelt-Hefte, in denen sich die Redaktion en passant mit Feminismus, Frauenfrage und Gleichberechtigung im Büroalltag beschäftigte.
Text: Geipel, Kaye, Berlin
Ein rechter Spaß, diese Aufforderung der Kolleginnen, die dieses Heft konzipiert haben: ich möchte mich fünfdreißig Jahre zurück in die Köpfe meiner Vorgänger versetzen... Dass die männlich besetzte Bauwelt-Redaktion wegen ihres gepflegten Machismo manchmal ins Zweifeln geraten wäre, ist beim Wiederlesen der Jahrgänge der achtziger-Jahre nicht auszumachen. Man gibt sich zwar interessiert, wenn es um Feminismus, Frauenfrage und Gleichberechtigung im Büroalltag geht. Aber man setzt jovial lächelndes Selbstbewusstsein in Bewegung, wenn die unübersehbaren Ungleichheiten an der eigenen Deutungshoheit kratzen. Auf das Heft „Väter und Söhne“ (15.1984) über Büroinhaber und ihre Nachfolger brauche es kein weiteres Heft über „Mütter und Töchter“, wie die Redaktion eher belustigt auf die Zuschrift einer „bewegten“ Leserin anmerkt. Warum nicht?
Einen Rüttler an den Schreibtischstühlen der Redakteure muss es doch einmal gegeben haben. Bewirkt hat ihn Verena Dietrichs heute legendäres, weit ausgreifendes Buch über Bauten und Projekte von Architektinnen, erschienen 1986. Es wurde in der Bauwelt erst viel später und nur kurz besprochen. Aber das Thema wird übernommen: Die Redakteure fühlen sich bemüßigt, ein eigenes Heft zu Architektinnenentwürfen herausbringen. Zaha Hadid ist mit von der Partie. Zart flatternde Verunsicherung meiner Vorgänger? Der damals populären Frage, ob Frauen „andere Architektur“ produzieren, begegnet man mit Chuzpe: Ein Rätselspiel auf der letzten Seite der Bauwelt zeigt einige Bauten aus Dietrichs Buch – ohne dabei die Architektinnen zu nennen – und verknüpft sie mit der Frage, ob diese Projekte von Männern oder Frauen entworfen wurden. Unterlegte Botschaft: Bei der Bauwelt geht es nur um gute Architektur. Ausgedacht haben sich das Heft mit dem anzüglichen Titel „Der Bauch der Architektin“ (40.1987) fünf Redakteure, denen zwei Frauen im Redaktionsbüro zuarbeiteten.
Den redaktionsinternen Machismo mit Schmäh ausspielen konnte man auf der Achse Berlin – Wien, wie Heft 4.1986 zeigt. Ein spektakulär verbasteltes 50-Quadratmeter-Apartment von Coop Himmelb(l)au mit Klapptreppe und diversen Kettenzügen wird in einer Art Fotoroman der Nachkriegszeit, Abteilung Bergdoktor und Lore-Roman abgebildet. Zu sehen ist eine Spielhölle, in der Männer mit Borsalino und Knarre Zigarre rauchen, Geld verteilen und Karten spielen, während zwei Frauen Rücken an Rücken gefesselt auf der Mezzanine sitzen. Architekturkritik als gecrashte Genderpersiflage. Stilsicherheit im Rückblick – naja.
Ende der achtziger Jahre erscheint dann eine Leserwerbung mit Fotografien zum Geschlechterverhältnis in der Architektur. Titel der Serie: „Außerdem liest er Bauwelt“. Gezeigt werden etwa zwei schaumumspülte Badende, die in einer Wanne Bauwelt lesen, in Vorbereitung auf ein Date mit einem Architekten. Dass dieser Architekt in einer weiteren Anzeige seine DS von einer Mechanikerin im orangefarbenen Overall reparieren lässt, die sich über die Motorhaube beugt, während er Bauwelt liest, soll als Hinweis auf ein progressives Rollenverständnis gelesen werden – Frau repariert den wertvollen Oldtimer, der schöngeistige Architekt kann eh nur Lektüre.
In den Editorials zu diesen Heften ist von „fortschrittlicheren Dimensionen im Geschlechterverhältnis“ die Rede, von „gleichberechtigten Partnern“ und von einem„Anstoß zur Diskussion“. Die Bauwelt als Aufklärungsinstrument der Geschlechterverhältnisse im postmodernen Architektinnenleben? Fehlanzeige. Was bleibt: ein Dokument des männlichen Architektenblicks, der sich nur gut gepolstert von einem dicken Wattebausch Ironie in Frage zu stellen traut.
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