Bauwelt

Me tangere!

Seit der 750-Jahr-Feier Berlins 1980 erzählt die Ausstellung im Alten Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche von ihrer wechselhaften Geschichte. Der Wettbewerb zur Vergrößerung und Modernisierung der Schau ist seit Oktober entschieden.

Text: Kraft, Caroline, Berlin

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    Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wurde 1895 nach Plänen von Franz Schwechten im Stil der Neoromanik erbaut. Ihr Turm war der höchste der damals eigenständigen Stadt Charlottenburg. Heute liegt sie umspült von Verkehr im Zentrum West-Berlins.
    Foto: wikimedia

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    Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wurde 1895 nach Plänen von Franz Schwechten im Stil der Neoromanik erbaut. Ihr Turm war der höchste der damals eigenständigen Stadt Charlottenburg. Heute liegt sie umspült von Verkehr im Zentrum West-Berlins.

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    Lageplan: phase eins

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    1. Preis Heneghan Peng Architects und Ralph Appelbaum Associates schlagen neben einem außen­seitigen Aufzug die Ertüchtigung der vorhandenen Wartungstreppen nach historischem Vorbild vor. Das Regenwasser fließt durch ein Rohrsystem ins Wasserbecken.
    Abb.: Verfasser

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    1. Preis Heneghan Peng Architects und Ralph Appelbaum Associates schlagen neben einem außen­seitigen Aufzug die Ertüchtigung der vorhandenen Wartungstreppen nach historischem Vorbild vor. Das Regenwasser fließt durch ein Rohrsystem ins Wasserbecken.

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    2. Preis Wandel Lorch Götze Wach setzen eine als Doppelhelix ausformulierte Treppe für den Auf- und Abstieg in das Innere des Turms. Der schacht­­lose Kapselaufzug verschwindet in Parkposition hinter dem Bestandsbogen.
    Abb.: Verfasser

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    2. Preis Wandel Lorch Götze Wach setzen eine als Doppelhelix ausformulierte Treppe für den Auf- und Abstieg in das Innere des Turms. Der schacht­­lose Kapselaufzug verschwindet in Parkposition hinter dem Bestandsbogen.

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    Anerkenneung Nieto Sobejano Arquitectos und Studio Adrien Gardère planen eine vertikale Erschließung durch die Kombination eines Aufzugs und eines vor dem ehemaligen Eingang platzierten Treppenturms.
    Abb.: Verfasser

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    Anerkenneung Nieto Sobejano Arquitectos und Studio Adrien Gardère planen eine vertikale Erschließung durch die Kombination eines Aufzugs und eines vor dem ehemaligen Eingang platzierten Treppenturms.

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Me tangere!

Seit der 750-Jahr-Feier Berlins 1980 erzählt die Ausstellung im Alten Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche von ihrer wechselhaften Geschichte. Der Wettbewerb zur Vergrößerung und Modernisierung der Schau ist seit Oktober entschieden.

Text: Kraft, Caroline, Berlin

Es ist Zeit für eine Gedächtnisauffrischung.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Architekturwettbewerb die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin zur Bauafgabe hat. Nachdem der schwer beschädigte Chor und das einsturzgefährdete Kirchenschiff kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs abgetragen werden mussten und der Wiederaufbau eines wilhelminischen Gotteshauses nicht infrage kam, entschied 1957 der nichtoffene Wettbewerb zur Zukunft der Kirchenruine. Der Erstplatzierte polarisierte die Stadtgesellschaft: In Egon Eiermanns Entwurf tauchte der alte Turm nicht auf. Es kam zu Protesten, Presse und Bevölkerung verschmähten die Idee des Abreißens der Ruine zugunsten eines modernen Neubaus. Längst war der „Hohle Zahn“ ein Identifikationspunkt des neuen Westens geworden. Ein Spruchband an der Ruine skandierte gar „Noli me tangere – Berührt mich nicht“ – ein Ausruf, der laut Johannesevangelium auf den auferstandenen Jesus höchstselbst zurückzuführen ist.
Fachwelt und Öffentlichkeit standen wie so oft vor der notwendigen Diskussion: Soll eine Ruine bestehen bleiben, erinnern, mahnen? Oder muss sich der ideologische und gesellschaft­liche Wandel auch architektonisch niederschlagen? Ganz neu war die Überlegung eines Abrisses nicht; der sakrale Solitär samt seiner Insel galt schon in den 1920er-Jahren als Blockade für die Verkehrsplanung am Kurfürstendamm. Ende der 50er-Jahre war selbst ein Umzug der Gemeinde an den Rand des Stadtteils nicht ausgeschlossen – es begann das Zeitalter der autogerechten Stadt. Schlussendlich war der Turm an seinem Platz verblieben, wenn auch inzwischen von Verkehr umflossen. Eiermann ordnete sein modernes Ensemble bis 1961 zunächst widerwillig um eine der letzten Ruinen Berlins aus dem Zweiten Weltkrieg. Der für Zerstörung und Wiederaufbau der Stadt ikonisch gewordene Ort wird sich nun abermals verändern, nicht in seiner Gestalt zwar, doch aber in seiner Gestaltung.
Ein wesentliches Anliegen des auslobenden Kuratoriums der Stiftung Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ist die Umgestaltung der Ausstellung im Alten Turm, sodass sie für ein breites, internationales Publikum verständlich ist. Die Neugestaltung auf Basis des vorhandenen Konzepts ist eine Maßnahme im Gesamtprojekt der Ertüchtigung des Ensembles auf dem Platz. Die Thementrilogie „Herrschaft und Kirche“, „Krieg und Zerstörung“ und „Erinnern und Versöhnen“ bleibt für die Ausstellung bestehen. Zusätzlich zur Szenografie ist die Entwicklung des Grundgerüsts einer Ausstellungsapp vorgegeben.
Räumliche Hauptziele des Wettbewerbs sind die Vergrößerung der Ausstellungsfläche von etwa zweihundert auf fünfhundert Quadratmeter, eine barrierefreie Erschließung und die Optimierung von Service- und Verkaufsangeboten innerhalb des Turms. Alle Inhalte sollen durch inno­vative, flexible Ausstellungsgestaltung kommuniziert werden und im Rahmen des Denkmalschutzes funktionieren. Das Land Berlin stellt für den Umbau 10,3 Millionen Euro zur Verfügung.
Die „physischen Wunden“ des Alten Turms architektonisch zu überschreiben, wäre laut dem erstplatzierten Entwurf des Dubliner Büros Heneghan Peng Architects und Ralph Appelbaum Associates aus Berlin fahrlässig. So schlägt das Team vor, noch einen Schritt zurückzugehen und den nach dem Krieg verschlossenen oberen Teil des Turms wieder zu öffnen. So erzählt die Architektur allein bereits einen Großteil der Geschichte der Kirche, was auch durch das Gegenüberstellen zweier Raumzustände – neobyzan­tinische Welt in der Eingangshalle, nackte Kriegsruine in den Geschossen darüber – erreicht wird. Die Öffnung des Dachs bewertet die Jury als nachvollziehbar, bezweifelt aber zugleich die Umsetzbarkeit. Die ungeschützten Innenseiten des Turms könnten Schaden nehmen; besser vorstellbar wäre womöglich das Einsetzen einer transparenten Deckung.
Charakteristisch für den Entwurf ist außerdem ein Wasserbecken auf der ehemaligen Orgelempore, das die wieder sichtbaren Glocken und den Himmel spiegelt. Das visuell starke und zugleich einfache Mittel bewertet die Jury als unpassend. Ein so religiös konnotiertes Symbol trete in zu hohe Konkurrenz mit dem tatsächlichen benachbarten Kirchenraum. Außerdem entstünden Kosten und Aufwand durch Heizung, Instandhaltung und Sicherheitsvorkehrungen.
Eine mehrkanalige Klanginstallation, die Töne von kaputten und intakten Orgelpfeifen im Turm überlagert, ist weiterer Bestandteil der Architekturvermittlung. Die Jury begrüßt dieses „interessante künstlerische Angebot“, das aber aufgrund des auftretenden Straßenlärms überarbeitet werden müsse.
Auch der zweitplatzierte Entwurf des Frankfurter Büros Wandel Lorch Götze Wach stellt die Glocke, genauer ihre Stille, in den Mittelpunkt der Erzählung. Erinnernd an ihren militaristisch-nationalistischen Hintergrund ist der Schriftzug „Gegossen aus Kanonen – Eingeschmolzen zu Granaten – Ihr stilles Leuten uns zur Mahnung“ in die schwarze Form geprägt. Die Glocke als Symbol für Verlorenes überzeugt das Fachgericht.
Eine überdies vorgeschlagene Doppeltreppe scheint der Jury als überdimensioniert und des Denkmals unangemessen. Die Ausstellung trete neben dem Aufstieg in den Hintergrund, wenn auch der Turm als Tourismusattraktion gestärkt werde – was eine Diskussion über die Zukunft des Ortes, der mehr sein sollte als schwindelerregendes Grenzerlebnis, auslöste. Zusätzlich widerspreche der Zugang über den Kurfürstendamm Eiermanns Prinzip, dass alle Baukörper über ein Podium zu erschließen sind. Schwerwiegender allerdings bedeutet die vorgeschlagene Freitreppe fehlende Barrierefreiheit. Wenn auch der Entwurf oftmals klare Haltung zeige, ließe er sie an entscheidenden Stellen auch vermissen.
Das mit einer Anerkennung bedachte Team aus Nieto Sobejano Arquitectos Berlin und dem Pariser Studio Adrien Gardère lobte die Jury für eine „rücksichtsvolle Grundhaltung“ gegenüber des Bestands. Die Positionierung eines zweigeschossigen Treppenkörpers vor dem Eingangsportal sowie das Treppenbauwerk im Turminneren seien allerdings nicht gerechtfertigt und im Gesamtbild zu dominant. Auch die Szenografie wirke teils fremdkörperartig, wobei Licht, Grafik und Möblierung in Alkoven und über der nördlichen Apsis überzeugten.
Auch wenn die Zeit in der modernen Großstadt außerhalb der Steinhülle weiterfließt, bestehen die Gefahren fort, die unsere Gesellschaft gefährden. Nach vierzig Jahren wird es Zeit, die Geschichtserzählung im Alten Turm anzupassen.


Anonymer, zweiphasiger, nichtoffener interdisziplinärer Planungswettbewerb
1. Preis (18.000 Euro) heneghan peng architects, Dublin, mit Ralph Appelbaum Associates, Berlin
2. Preis (13.000 Euro) Wandel Lorch Götze Wach, Frankfurt am Main
Anerkennung (9000 Euro) Nieto Sobejano Arquitectos, Berlin, mit Studio Adrien Gardère, Paris

Ausloberin
Stiftung Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
Fachpreisgericht
Aleida Assmann, Detlef Daiber-Weitz, Cilly Kugelmann, HG Merz, Martin Reichert, Matthias Sauerbruch (Vorsitz), Christian von Oppen
Verfahrensbetreuung
phase eins, Berlin

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