Bauwelt

Zu wild für Wien

145 Entwürfe für ein Bürogebäude an der Rathausstraße 1

Text: Novotny, Maik, Wien

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1.Preis: Stadler Prenn, Schuberth und Schuberth und ostertag
Rendering: Architekten

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1.Preis: Stadler Prenn, Schuberth und Schuberth und ostertag

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1.Preis: Stadler Prenn, Schuberth und Schuberth und ostertag
Modell: Architekten

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1.Preis: Stadler Prenn, Schuberth und Schuberth und ostertag

Modell: Architekten


Zu wild für Wien

145 Entwürfe für ein Bürogebäude an der Rathausstraße 1

Text: Novotny, Maik, Wien

Der Wettbewerb für einen Büroneubau an einer Schlüsselstelle im Rücken der Wiener Ringstraße ließ den Teilnehmern alle Freiheiten. Wer sie nutzte, wurde nicht belohnt.
145 Architekturmodelle, auf einer langen Tafel aufgestellt – eine in der Ideenfülle beeindruckende und in ihrer komprimierten Vergeblichkeit melancholisch stimmende Leistungsschau, die den kollektiven Aufwand eines offenen Wettbewerbs greifbar illus­trierte. Der Anlass: die Bekanntgabe des Siegers für den Neubau an der prominenten Adresse Rathausstraße 1 in Wien. Der Ort – genau dieser. Noch steht hier ein 80er-Jahre-Bau, der bis 2013 als Rechenzentrum der Stadt Wien genutzt wurde, das nun an den Stadtrand zog. Architekt Harry Glück entwarf das dunkel verspiegelte Gebäude an der sogenannten „Zweierlinie“, die als funktionelle Lastenstraße parallel zur Ringstraße verläuft. Zwar ist die Bausubstanz in tadellosem Zustand, trotzdem sind die Tage des spätmodernen Baus gezählt: Die geringen Raumhöhen und unbelichteten Innenräume, die für die Rechenmaschinen der 80er maßgeschneidert waren, genügen heutigen Bedürfnissen und Bauordnungen nicht mehr. Also schrieb die stadteigene Wien Holding einen offenen, zweistufigen Wettbewerb für einen Büroneubau aus – auch wenn es für diesen noch keinen Nutzer gibt. Der Kubatur wurden dabei praktisch keine Grenzen gesetzt. Man habe ausloten wollen, was an diesem Ort möglich sei, so derJuryvorsitzende Rüdiger Lainer. Dass die Architekten von dieser Freiheit mit großer Lust Gebrauch gemacht haben, war an den Modellen zu sehen: Von dezenten Kuben bis zu expressiven Blobs war alles dabei, gut ein Zehntel davon Hochhäuser. Und dies, obwohl der Bauplatz, wenige Blocks von Rathaus und Parlament entfernt und direkt an einer Straßenkreuzung, die den Stephansdom in der Blickachse hat, zum Weltkulturerbe Wiener Innenstadt gehört.
Eine solche Lage hat in der Vergangenheit schon bei einigen Wiener Projekten zu erbitterten Diskussionen geführt. Beim Thema Hochhäuser sind Stadtpolitik und Öffentlichkeit dünnhäutig. Nur wenige hundert Meter weiter, im ebenfalls an der „Zweier­linie“ gelegenen Museumsquartier, verhin­derten eine Bürgerinitiative und einige Kunsthistoriker vor 15 Jahren den Bau des von Ortner & Ortner geplanten schlanken Leseturms. An weniger sensiblen Orten wiederum sind – dank des äußerst liberal formulierten Hochhauskonzepts der Stadt Wien – durchaus markante Hochhäuser entstanden. Immerhin drei Turm-Entwürfe schafften es unter die acht Teilnehmer der zweiten Runde. Keiner von ihnen gewann.
Stattdessen zeichnete die Jury das Projekt der Wien-Berliner Bürogemeinschaft Stadler Prenn, Schuberth & Schuberth und ostertag Architekten mit dem 1. Preis aus. Es ist der mit Abstand zurückhaltendste Entwurf der zweiten Runde, und einer, dem man die deutsch-österreichische Mischung seiner Autoren anzusehen glaubt: Die ruhige, fast grammatikalisch durchdeklinierte Fassadengliederung lässt an die Berliner-Republik-Strenge denken, die filigranen Messingbänder erinnern an die eleganten Bau­ten von Oswald Haerdtl aus den 50er Jahren, die das Wien der Nachkriegszeit prägten. Der heute knapp bemessene Fußgängerraum an der stark befahrenen Straße bekommt durch Arkaden im Erdgeschoss etwas Luft. Die Jury lobte die Lösung als ruhige und logische Ergänzung des Rathauscarrés und ihre feinfühlige Detailarbeit. Angesichts der noch nicht geklärten Nutzung hat wohl auch die Anpassungsfähigkeit an kommende Wünsche keine geringe Rolle gespielt, wie die Auslober durchblicken ließen. Bei künftigen Interessenten wird dieser Entwurf sicher nicht anecken. Die nachgereihten Projekte dagegen gingen die Aufgabe deutlich forscher an.
Viel Energie ins Nichts gesteckt
Die Wiener Architekten von Pichler & Traupmann (2. Preis) ließen ihren bis an die Straßenkanten dicht gepackten, horizontal geschichteten Block nach oben ins Expressive gleiten und in einer bei österreichischen Architekten stets populären Periskop-Form enden. Unter den weiteren Teilnehmern sind auch zwei Entwürfe von Wiener Büros, die auf unterschiedliche Weise furchtlos in die Höhe gingen: franz architekten (3. Rang) platzierten drei Quader locker übereinander, ein Entwurf, der zwar durch seine freche Selbstverständlichkeit punktet, dem Stadtraum gegenüber aber etwas zu gleichgültig blieb. Das Wiener Büro AllesWirdGut (Anerkennung) übersetzte eine genaue Analyse der umliegenden Gründerzeitfassaden in einen post-postmodern collageartigen 68-Meter-Stapel, nicht ohne Augenzwinkern „Smart-City-Tower“ getauft – als Gruß an den „City-Tower“ von Neumann & Partner auf der anderen Seite der Innenstadt. Die Jury lobte die selbstbewusste Lösung, gestand jedoch: „Die Durchsetzbarkeit eines derartigen Projektes würde mit großen Schwierigkeiten verbunden sein, die einen mittelfristigen immobilienwirtschaftlichen Erfolg an dieser Stelle verunmöglichen könnten.“ Was die Frage aufwirft, warum Auslober und Jury explizit mutige Lösungen zuließen, bei denen eine heftige öffentliche Debatte zu erwarten wäre, um letztendlich doch davor zurückzuschrecken, eine solche mit dem 1. Preis auszuzeichnen. Die eingereichten Hochhausentwürfe hätten eben „den Mehrwert einer solchen Lösung nicht ausreichend nachgewiesen“, so Rüdiger Lainer. Das mag sein. Hätte man jedoch von vornherein darauf gesetzt, dem Ideenreichtum von 145 teilnehmenden Büros einen Rahmen zu geben, der auch tatsächlich machbar ist und sich mehr auf die Flexibilität eines nutzungsoffenen Bürobaus fokussiert, wäre die Ansammlung der Wettbewerbsmodelle vielleicht weniger beeindruckend gewesen. Aber es wäre auch weniger schöpferische Energie in mutige, aber chancenlose Ideen gesteckt worden.
Offener, 2-stufiger Wettbewerb
1. Preis Stadler Prenn, Berlin; Schuberth und Schuberth, Wien; ostertag, Wien
2. Preis Pichler & Traupmann, Wien; Mario Gasser, Wien
3. Preis franz architekten, Wien
Anerkennung ZT Arquitectos, Lissabon; Zinterl Architekten, Graz
Anerkennung AllesWirdGut, Wien
Anerkennung synn architekten, Wien
Anerkennung pool Architektur, Wien 
Fakten
Architekten Stadler Prenn, Berlin; Schuberth und Schuberth, Wien; ostertag, Wien; Pichler & Traupmann, Wien; Mario Gasser, Wien; franz architekten, Wien; ZT Arquitectos, Lissabon; Zinterl Architekten, Graz; AllesWirdGut, Wien; synn architekten, Wien; pool Architektur, Wien
aus Bauwelt 6.2014

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