Bauwelt

2R+1T=65cm

Josepha Landes schätzt Treppen nicht nur wegen runterrutschbarer Handläufe – aber auch derentwegen.

Text: Landes, Josepha, Berlin

2R+1T=65cm

Josepha Landes schätzt Treppen nicht nur wegen runterrutschbarer Handläufe – aber auch derentwegen.

Text: Landes, Josepha, Berlin

Ich liebe Treppen. Also ich steige gern Treppen. Meine Zuneigung geht nicht so weit, an einem Treppenmarathon teilzunehmen oder 20 Etagen zu verherrlichen – es liegt mir wenig am Extremen. Aber ich nehme jedes angemessene Angebot gern an. Treppensteigen ist allerdings eine einsame Angelegenheit. Insbesondere, wenn ein Fahrstuhl im Spiel ist. Selbst sportliche Zeitgenossinnen lassen sich da verführen. Treppensteigen ist neben dem Fahrradfahren der einzige Sport, dem ich mit gewisser Regelmäßigkeit nachgehe. Wohl auch, weil ich beide für recht bequeme Tätigkeiten halte. Bequemlichkeit ist eine Frage der Perspektive. Mein Standpunkt: Wieso teure Fitnesskurse buchen, wenn das Ganzkörpertraining so nah liegt?
Der Aufzug hat viele Vorteile für Menschen, die ihn brauchen. Vielleicht aber eben auch Nachteile für Menschen, die ihn nicht brauchen, vielleicht sogar für die Gesellschaft als Ganzes. Könnte Treppensteigen das Gesundheitssystem entlasten? Die Gebäude-Energiebilanz senken? Wir haben uns so sehr ans Fahrstuhlfahren gewöhnt – ganz zu schweigen vom Rolltreppenehmen –, dass wir verlernt haben, den Wert un­serer Bewegungsfreiheit zu schätzen.
Jüngst war ich in Wien. Das Hotel am Prater hatte überhaupt kein Treppenhaus! Den Fluchtweg gewährleistete eine außenliegende Gitterrostkonstruktion. Ich fand mich in den Aufzug verdammt. Da ich das monierte, ging es anschließend ans Rechtfertigen meiner Reisebegleitung gegenüber, denn: Die einzig akzeptable Begründung, aufs Fahrstuhlfahren zu verzichten, ist Klaustrophobie. Aber mir machen enge Räume nichts aus. Sogar dem Absturzsicherungsmechanismus vertraue ich. Mir ist einfach der Status quo des Objekts zuwider.
Bei aller Diskussion über Ressourcenschutz stellt kaum jemand unsere Beziehung zu Treppe und Aufzug in Frage. Bisweilen (wenn wieder alle Kollegen Fahrstuhl fahren) ertappe ich mich bei geradezu treppendiktatorischen Überlegungen. Ich ziehe dann in Erwägung, der Gesundheitskarte eine Aufzugsberechtigungsfunktion beizufügen, die über ein Chiplesegerät erst die Nutzung ermöglicht. Letztlich aber weiß ich doch: Die Welt hat bereits genug Diktatoren.

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