Wer nicht wagt, der nicht gewinnt
Für das städtebauliche Modellvorhaben „WarnowQuartier“ in Rostock suchte der Wettbewerb „Buten un Binnen“ ein Mehrgenerationenhaus, das als Pionierbebauung gestaltungsweisend sein soll.
Text: Schäfer, Theresa, Berlin
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt
Für das städtebauliche Modellvorhaben „WarnowQuartier“ in Rostock suchte der Wettbewerb „Buten un Binnen“ ein Mehrgenerationenhaus, das als Pionierbebauung gestaltungsweisend sein soll.
Text: Schäfer, Theresa, Berlin
„Buten un binnen – wagen un winnen“, ziert als früherer Wahlspruch der Bremer Kaufleute die Fassade des Schüttings am Marktplatz der Hansestadt Bremen und bedeutet, „Draußen und drinnen – wagen und gewinnen“. Die Hansestadt Rostock übernimmt dieses Motto und überträgt es auf ein soziales Bauvorhaben an einem zukünftigen Quartiersplatz. Ihren Wettbewerb „Buten un Binnen“ widmet sie einem Mehrgenerationenhaus, das eins von fünf städtischen Einzelvorhaben im „WarnowQuartier“ ist. Dieses wiederum zählt neben Projekten in Brockwitz, Duisburg, Erfurt, Hamburg, Plauen und Saarbrücken zu bundesweit sieben Modellvorhaben zur Erweiterung der Städtebauförderung. Das „WarnowQuartier“ liegt am östlichen Ufer der Unterwarnow. Es soll unter den Stichworten Klimaschutz, neue Mobilität, funktionale und soziale Durchmischung entwickelt werden und damit Lösungsansätze für die Herausforderungen unserer Zeit bieten. Im Sinne einer integrierten, ganzheitlichen Stadtentwicklung verspricht das Quartier rund 1000 Arbeitsplätze sowie Wohnort für 2000 Menschen zu werden.
Das Mehrgenerationenhaus bildet die Nord-Ost Ecke der westlichen Blockrandbebauung am Quartiersplatz. Zusammen mit den Theaterwerkstätten, für die die Stadt Rostock zeitgleich einen Wettbewerb auslobte, gilt es als Pionierbebauung für die Gestaltung des übrigen Quartiers. Das Haus soll eine Begegnungsstätte für Jung und Alt werden, den Betreuungsbedarf von Kindern und den Pflegebedarf von Senioren in Tages-, Kurz- und Langzeitpflege sichern. Ein 900 Quadratmeter großer Innenhof sowie eine Dachfläche, deren öffentliche Nutzung und barrierefreie Zugänglichkeit im Entwurf festgelegt werden sollten, ergänzen die spezifischen Nutzungen. Zusätzlich sollten die Teilnehmenden weitere kompatible, öffentliche Gemeinschaftsflächen definieren und in die Planung integrieren.
Von den 15 eingeladenen Büros gewannen Ortner & Ortner aus Berlin zusammen mit Freiraumplanung Wolf den ersten Preis. Ihr Entwurf fasst den Platz mit einer geschlossenen Kubatur. Die Auflösung dieser im obersten Geschoss überzeugte die Jury genauso wie die funktionale Gliederung mit öffentlichem Foyer, Mehrzweckräumen und Kindergarten im Erdgeschoss. In den Obergeschossen stehen einer pragmatischen Anordnung der Zimmer für die Seniorinnen Gemeinschaftsflächen an den jeweiligen Enden der Flügel gegenüber. Für eine warme Atmosphäre sorgen die Materialien Holz und Lehm. Der Außenbereich im Erdgeschoss wird als Bestandteil des pädagogischen Konzepts dem Kindergarten zugeschrieben. Die Besonderheit des Entwurfs bilden die rückseitig gelegenen Terrassen. Hier verbinden sich dank vielfältiger Angebote von Kräutergarten und Beeten bis zu Veranstaltungsflächen Innen und Außen zu einem großen Ganzen über alle Ebenen. Das Thema der Terrassierung könnte Vorlage für umliegende Baufelder sein. Die Jury sieht hier eine städtische Alternative zu freistehenden Häusern mit Garten. Das Haupttragwerk besteht aus Brettsperrholz (CLT), Fluchttreppenhäuser und Aufzugskerne aus Stahlbeton. Der Entwurf erhebt den Anspruch auf ein Cradle-to-Cradle-Konzept mit regionalen Baustoffen, sowie CO2-Neutralität in Bau und Betrieb.
Den zweiten Platz belegten Schaltraum – Dahle – Dirumdam – Heise aus Hamburg zusammen mit BHF Landschaftsarchitekten. Farblich akzentuierte Loggien in der Holz-Fassade auf der Vorderseite schaffen eine Durchlässigkeit und verbinden das Gebäude mit der Öffentlichkeit. Ein horizontaler Unterschnitt im Erdgeschoss lädt ins Foyer ein. Dadurch entstehen vielfältige Sicht- und Wegebeziehungen. Im Ankerpunkt des Gebäudes befindet sich die Haupttreppe samt Aufzug als Verteiler und Treffpunkt. Die Wegeverbindungen bilden ein offen und transparent wirkendes Haus, unterscheiden aber zwischen der Öffentlichkeit und den zu schützenden Nutzergruppen zu wenig. Ein Retentionsdach und die Regenwassernutzung sowie eine Holz-Hybridkonstruktion und eine begrünte Innenhoffassade bilden die nennenswerteren Aspekte des Nachhaltigkeitskonzepts. Aus Sicht des Preisgerichtes schafft die Nord-Ost-Ecke keine attraktive Adressierung.
Der dritte Preis ging an Gutiérrez-Delafuente Arquitectos aus Madrid und Apel-Stiglmeir-Architektur. Ihr Entwurf zeichnet sich laut Jury durch ein ausgewogenes Verhältnis von privaten und öffentlichen Nutzungen aus. Im Erdgeschoss sorgt das Nebeneinander von Senioren-Tagespflege, Kindertagesstätte und Mehrzweckraum für eine natürliche Begegnung der Generationen und einen Austausch mit der Nachbarschaft. Die Ausgestaltung der Nord-Ost-Ecke, die Zuordnung der Funktionsbereiche, sowie die langen Wege bleiben allerdings ebenso ausbaufähig wie das Nachhaltigkeitskonzept.
„Buten un binnen“, erfüllt das Gewinnerprojekt. Ob „wagen un winnen“ auch eingelöst wird, bleibt bis zur Fertigstellung abzuwarten. Mit dem Wagen ist das allerdings so eine Sache, hat die Stadt doch bereits Teile des Energiekonzepts des vielleicht nicht gewagten, aber dennoch ambitionierten Entwurfs als „redundant“ gestrichen. Vielleicht ist der Wahlspruch aber auch zu platt.
Nicht-offener Planungswettbewerb mit vorgeschaltetem offenen Teilnahmewettbewerb
1. Preis (65.000 Euro) Ortner & Ortner Baukunst, Berlin; Freiraumplaung Wolf, Berlin
2. Preis (39.000 Euro) Schaltraum Dahle – Dirumdam – Heise, Hamburg; BHF Bendfeldt Herrmann Franke Landschaftsarchitekten, Schwerin
3. Preis (26.000 Euro) Gutiérrez-Delafuente Arquitectos, Madrid; A-S-A, Apel-Stiglmeir-Architektur, Hamburg
Ausloberin
Hanse- und Universitätsstadt Rostock, Eigenbetrieb; Kommunale Objektbewirtschaftung und -entwicklung
(KOE)
Jury
Renate Abelmann, Steffen Bockhahn, Carmen Alina Botezatu, Verena Brehm, Jan-Hendrik Brickner, Marco Dinsel, Ute Fischer-Gäde, Julia Fuchs, Hannes Hamann, Christiane Haas, Sigrid Hecht, Christoph Hinz, Lioba Lissner, Katharina Löser, Ralph Maronde, Bettina Radermacher, Patrick Schmidt, Kirsten Schemel, Dürten Schölens, Jörn Schulz, Joachim Schulz-Granberg (Vorsitz), Odett Schwabe, Lars-Christian Uhlig, Nils Sommer, Rober Strauß, Cyrus Zahiri
Durchführung und Koordination
[phase eins]. Hossbach Lehmhaus, Berlin
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