Altersheim Trotte in Zürich
Verdichtung gerät schnell ins Stocken. So war es auch in Zürich-Wibkingen beim Ersatzneubau des städtischen Alterszentrums. Anwohner sahen ihre Rechte verletzt. Inzwischen steht der Bau und punktet mit einer sorgfältigen Architektur und einem beispielhaften Quartiersgarten.
Text: Geipel, Kaye, Berlin
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Blick über die Limmat: Der Neubau fügt sich in die Hügelbebauung von Zürich Wipkingen ein.
Foto: Annett Landsmann
Blick über die Limmat: Der Neubau fügt sich in die Hügelbebauung von Zürich Wipkingen ein.
Foto: Annett Landsmann
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Das Gebäude befindet sich als markanter Hochpunkt zwischen Mehr- und Einfamilienhäusern.
Foto: Annett Landsmann
Das Gebäude befindet sich als markanter Hochpunkt zwischen Mehr- und Einfamilienhäusern.
Foto: Annett Landsmann
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Die Haupterschließung findet von Norden statt. Ein weiterer Zugang befindet sich im zweiten Untergeschoss auf der Südseite.
Foto: Annett Landsmann
Die Haupterschließung findet von Norden statt. Ein weiterer Zugang befindet sich im zweiten Untergeschoss auf der Südseite.
Foto: Annett Landsmann
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Hinter den kompakten Zimmermodulen verbirgt sich ein spannender Wohnraum.
Foto: Annett Landsmann
Hinter den kompakten Zimmermodulen verbirgt sich ein spannender Wohnraum.
Foto: Annett Landsmann
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Zweigeschossige Lufträume ...
Foto: Annett Landsmann
Zweigeschossige Lufträume ...
Foto: Annett Landsmann
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... durchbrechen die innenliegende Flurzone.
Foto: Annett Landsmann
... durchbrechen die innenliegende Flurzone.
Foto: Annett Landsmann
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Zweigeschossige Lufträume durchbrechen die innenliegende Flurzone.
Foto: Annett Landsmann
Zweigeschossige Lufträume durchbrechen die innenliegende Flurzone.
Foto: Annett Landsmann
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Der große Quartiersgarten im Osten dient sowohl als Außenbereich für das Alterszentrum als auch der Verbindung der beiden anliegenden Straßen. Westlich des Hauses haben die Bewohner einen rein privaten Außenbereich. Im Bild: Eines der drei Staudenbeete mit mediterranen/exotischen Pflanzen.
Foto: Daniel Ganz Landschaftsarchitekten
Der große Quartiersgarten im Osten dient sowohl als Außenbereich für das Alterszentrum als auch der Verbindung der beiden anliegenden Straßen. Westlich des Hauses haben die Bewohner einen rein privaten Außenbereich.
Im Bild: Eines der drei Staudenbeete mit mediterranen/exotischen Pflanzen.
Foto: Daniel Ganz Landschaftsarchitekten
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Die starke Südhanglage des Grundstücks ist ideal für wärmeliebende Arten. Das darauf abgestimmte Vegetationskonzept der Landschaftsarchitekten soll Erinnerungen wecken. Die Themen- und Farbschwerpunkte der Bepflanzung sind auf die jahreszeitlichen Blühphasen abgestimmt.
Foto: Annett Landsmann
Die starke Südhanglage des Grundstücks ist ideal für wärmeliebende Arten. Das darauf abgestimmte Vegetationskonzept der Landschaftsarchitekten soll Erinnerungen wecken. Die Themen- und Farbschwerpunkte der Bepflanzung sind auf die jahreszeitlichen Blühphasen abgestimmt.
Foto: Annett Landsmann
Man kennt solche begehrenswerten wie kniffligen Standorte aus vielen Städten. Sie gehören zum Zentrum, die Bebauung ist aber bereits etwas ausgedünnt. Einzelstehende Mehrfamilienhäuser prägen das Bild. Dazwischen gibt es viel Luft, privates Grün und eine gute Erschließung. Zu diesen Qualitäten kommt hier, im Zürcher Stadtteil Wipkingen, eine reizvolle Hügellage, auf die die Bebauung mit parallelen Perlenketten aus unregelmäßigen Baukörpern reagierte. Für den Fußgänger gibt es da und dort praktische Abkürzungen in Form von steilen Treppen.
Angesichts der Zentrumsnähe, der exzellenten Lage und der Bodenpreise würde man heute viel dichter bauen wollen. Die Eigentumsverhältnisse stehen dem im Weg. Das Bündel an Hindernissen bei der Umsetzung von Verdichtungsstrategien reicht von der entwerferischen Herausforderung, wie mit dem steilen Gelände umzugehen ist, bis hin zu Einsprüchen der Nachbarn, die alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um sich die Aussicht nicht verbauen zu lassen. So war es auch hier. Der Wettbewerb, den die Architekten Enzmann und Fischer zusammen mit dem Landschaftsarchitekten Daniel Ganz 2007 gewonnen hatte, wurde zwölf Jahre später fertiggestellt. Das ursprüngliche Altersheim an dieser Stelle stammt aus den 60er Jahren und musste angesichts der überholten Standards und kaum akzeptabler Gemeinschaftsbereiche ersetzt werden. Rein zahlenmäßig hat sich im Neubau wenig geändert. 95 Zimmer im Altbau stehen heute 85 Einzelzimmern und vier Zimmern für Paare gegenüber. Um solch einen Ersatzneubau rentabel zu machen, gibt es in Zürich das bauliche Instrument der „Arealüberbauung“, mit dem etwas höher und dichter bebaut werden kann. Voraussetzung ist unter anderem eine Mindestfläche von 6000 qm und ein Wettbewerb. Zunächst lief alles rund, nach dem Wettbewerbsgewinn bewilligte der Gemeinderat einen Kredit von 62 Millionen Franken und im Sommer 2010 gaben auch die Zürcher Stimmberechtigten ihr Plazet. Dann aber brauchte es aufgrund von Einsprüchen der Nachbarn eine ganze Reihe von aufwendigen Runden vor dem Baurekurs- und dem Verwaltungsgericht, bevor die Baugenehmigung Bestand hatte.
Entschiedenes Wettbewerbskonzept
Wie mit dem hügeligen Gelände am besten umzugehen sei, dafür brachte der damalige Wettbewerb kontroverse Lösungsvorschläge. Einer der Teilnehmer orientierte sich mit kleinen Baukörpern an der Körnigkeit der Umgebung, ein anderer schob einen langen Riegel auf die Nordseite. Die Gewinner Enzmann und Fischer konzentrierten das Programm in einen felsartig aufsteigenden, Y-förmigen Baukörper. Das Bauvo-lumen wurde wie in einem Sandkastenspiel auf die Westseite gedrückt. Im Gegensatz zu den Konkurrenten bot der entwerferische Freigeist die Möglichkeit, statt mehrerer grüner Resträume einen großen Quartiersgarten einzufügen, der sich im Osten bis zum historischen Altbau der „Alten Trotte“ aufspannt. Er umfasst in seiner Mitte einen Erholungsraum in einem Quartier, das sonst nur Straßen zu bieten hat. Der Architekt Philipp Fischer erwähnt im Rückblick die aufgeregte Atmosphäre, die das Bauvorhaben aufgrund der befürchteten Übergröße ausgelöst hatte. „In dieser Zeit hätte man als Architekt zweifeln und vieles in Frage stellen können. Wir waren aber davon überzeugt, dass das Konzept richtig war. Schließlich handelt es sich um ein öffentliches Gebäude, das sein Selbstbewusstsein zeigen darf. Deswegen hat uns auch der andauernde Widerstand nicht aus der Spur geworfen.“
Der große rotbraune Bau steht jetzt mit seinen charakteristisch breiten, leicht hängenden Schultern wie selbstverständlich im Quartier. Im Inneren half der Y-Grundriss bei der Ausformulierung der räumlichen Idee, möglichst fließende Übergänge zwischen innen und außen, zwischen privat, halböffentlich und öffentlich zu schaffen. In den Aufweitungen des Baukörpers finden sich heute die Gemeinschaftszonen. Die Versprünge in der Fassade tragen dazu bei, die Wohneinheiten als individuelle Raumform zu begreifen. Das gilt auch für die Zimmergrundrisse, die mit ihren eingerückten Schlafnischen und den holzgerahmten Loggienwänden außergewöhnliche architektonische Qualitäten aufweisen.
Überzeugender Quartiersgarten
Neue öffentliche Räume müssen sich dem Stadtspaziergänger auf Anhieb erklären. Fußgänger, die auf der höher gelegenen Nord-Straße entlanglaufen, werden an mehreren Blumenbeeten vorbei nach unten geleitet. Ein mehrmals geknickter Fußweg führt sie durch das Gelände. Geschickt löste der Landschaftsarchitekt Daniel Ganz das Dilemma solcher Quartiersgärten, den Nutzern deutlich zu machen, was ist öffentlich und was halböffentlich. Der nördliche Weg wirkt „langsamer“ und ist den verglasten Öffnungen des Altenzentrums zugeordnet; der südliche führt in schnellerem Takt nach unten.
Ganz selbstverständlich erfüllt dieser neue Freiraum die gesellschaftliche Anforderung, ältere Menschen schwellenlos und möglichst direkt mit dem städtischen Umfeld zu verbinden. Daniel Ganz weißt im Gespräch darauf hin, dass das baurechtliche Instrument der „Arealbebauung“ die entscheidende Voraussetzung dafür war, das vormals zerstückelte Grundstück auch als Wegeverbindung im Quartier nutzen zu können. Ganz bepflanzte die drei großen Blumenbeete mit einem kleinen Stück europäischer Vielfalt: Vor dem Altbau „An der Alten Trotte“, einem ehemaligen Bauernhaus, das dem Grundstück seinen Namen gab, findet sich die Pflanzenwelt eines alten Schweizer Bauerngartens. Kernige Stauden und Sträucher dominieren. Zum Altenzentrum hin wird es „mediterran“ und direkt vor dem Neubau gibt es mit dem „barocken Parterre“ noch einen historischen Schlenker. In einem beispielhaften Kontinuum verbinden sich hier die Innen- und Außenräume, direkt daneben trennen sich zugängliche und nichtzugängliche Bereiche. Ohne störende Zäune und Abgrenzungen wird Abstand gehalten.
Eine derart erfolgreiche Kooperation zwischen Architekten und Landschaftsarchitekten wie hier ist selten. Im Rahmen der Schweizer Städtekonkurrenz wird Zürich öfters kritisiert. Attraktive Architektur wie das Konzerthaus von Luzern von Jean Nouvel bringe die Stadt seit Jahren nicht zustande. Nur eine etwas klobige Kunsthaus-Erweiterung von David Chipperfield steht demnächst auf dem Eröffnungs-Fahrplan. Dem steht aber eine beachtliche Reihe kleinerer bis mittelgroßer öffentlicher Bauten gegenüber, die in so sorgfältiger wie mühevoller Weise die Idee der Öffentlichkeit im Stadtquartier voranbringen. Das Ensemble an der Trotte gehört jetzt dazu.
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