Haus Abakus in Basel
Wie lassen sich ökologischer Anspruch und bezahlbarer Wohnraum verbinden? Stereo Architektur zeigen mit dem Haus Abakus einen gangbaren Weg auf.
Text: Stumm, Alexander, Berlin
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Foto: Daisuke Hirabayashi
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Das Treppenhaus dient nicht nur der Erschließung, sondern durch die Verbindung zu den Balkonen auch als Kommunikationsort.
Foto: Daisuke Hirabayashi
Das Treppenhaus dient nicht nur der Erschließung, sondern durch die Verbindung zu den Balkonen auch als Kommunikationsort.
Foto: Daisuke Hirabayashi
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Der Zugangsbereich mit offenen und verschlossenen Türen regelt die Verteilung der Zimmer.
Foto: Daisuke Hirabayashi
Der Zugangsbereich mit offenen und verschlossenen Türen regelt die Verteilung der Zimmer.
Foto: Daisuke Hirabayashi
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Alle Oberflächen bleiben materialsichtig, abgesehen von den Brandschutzwänden, die der Vorschrift entsprechend gipsverkleidet sind. Eine Schiebetür zwischen den beiden hinteren Wohnräumen macht einen Rundlauf möglich.
Foto: Daisuke Hirabayashi
Alle Oberflächen bleiben materialsichtig, abgesehen von den Brandschutzwänden, die der Vorschrift entsprechend gipsverkleidet sind. Eine Schiebetür zwischen den beiden hinteren Wohnräumen macht einen Rundlauf möglich.
Foto: Daisuke Hirabayashi
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Foto: Daisuke Hirabayashi
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Im neuen, von der Habitat Stiftung initiierten Stadtquartier Lysbüchel Süd entstanden, wo früher Lagerflächen des Coop-Supermarkts waren, in den letzten Jahren 15 Neubauprojekte (Bauwelt 17.2023). Das ein ganzer Block neu entsteht, passiert in Basel sehr selten. Die Stiftung entschied sich, das Grundstück in 13 sehr kleine Parzellen aufzuteilen, um auch Bauträger und -gruppen anzusprechen, die wenig Eigenkapital und womöglich noch wenig Bauerfahrung mitbringen. Außerdem hat sie das Bewerbungsverfahren mit der Einreichung einer besonderen Wohnidee verknüpft – es war also zuerst kein architektonischer Entwurf gefragt, sondern ein Konzept des Zusammenlebens. So entstand das außergewöhnliche Haus Abakus.
Genossenschaft Mietshäuser Syndikat
Jonathan Hermann, Mitgründer von Stereo Architektur, war schon vor dem Projekt Teil des Vorstands einer Genossenschaft, des Mietshäuser Syndikats Basel. Sie hatte bis dato keinen Neubau realisiert, sondern Bestandsbauten aufgekauft und mit den Bewohnergruppen zusammen in die neue Organisationsform überführt. Ziel war und ist, kompakte und bezahlbare Wohnungen in Altbauten zu sichern.
Das Mietshäuser Syndikat gibt es in Deutschland seit über drei Jahrzehnten. Entstanden in Freiburg mit dem Ziel „die Entstehung neuer selbstorganisierter Hausprojekte zu unterstützen und politisch durchzusetzen: Menschenwürdiger Wohnraum, das Dach überm Kopf für alle“, wie es im Vereinsstatut heißt, fungiert das Mietshäuser Syndikat in Deutschland heute als Dach für 187 Hausprojekte und 17 Projektinitiativen. Das Schweizer Pendant ist ideell, jedoch nicht organisatorisch verbunden; während das Mietshäuser Syndikat in Deutschland als GmbH agiert, ist man in der Schweiz eine Genossenschaft.
Alle die im Haus Abakus wohnen, sind Mitglieder im Mietshäuser Syndikat. Alle Genossenschaftlerinnen und Genossenschaftler haben die gleichen Rechte und Pflichten, niemand kann einfach gekündigt werden. So weit, so Genossenschaft. Der Vorteil des Zusammenschlusses im Mietshäuser Syndikat: Viel Wissen ist schon vorhanden und muss sich nicht erst angeeignet werden, zudem ist mit der Gemeinnützigkeit der Zugang zu Fördermitteln erleichtert. Nicht zuletzt möchte man in Basel auch gerade die negativen Aspekte der Organisationsform Genossenschaft angehen, vor allem die hohe Hürde beim Erwerb von Anteilsscheinen, die sehr kostspielig sein können. Damit werden gewisse Bevölkerungsgruppen schon im Vorhinein ausgeschlossen. Um dies zu verhindern und auch Studierenden, die sich üblicherweise nicht langfristig binden wollen oder können, Wohnraum anbieten zu können, hat die Gruppe um Stereo Architektur das Konzept von „Rumpfwohnung“ + WG-Wohnung entwickelt. Für die Architektur hatte das Team von Stereo den Anspruch, ein Holzhaus mit ökologisch möglichst geringem Fußabdruck zu schaffen. Hier wird ein Zielkonflikt deutlich: Wie lassen sich teurer Holzbau und günstiger Wohnraum zusammenführen?
Holzhaus im Blechkleid
Beginnen wir mit der Architektur: Das Abakus hat fünf Regelgeschosse plus Dachgeschoss. Es ist als Holzbau ausgeführt, was am Außenbau allerdings nur zaghaft sichtbar wird, denn eine Wellblechfassade ist als Schutz vorgestellt. Die Holzplatten sind massiv, stabilisierend und erdbebensichernd. Um die ökologischen Ziele mit minimalen Kosten zu erreichen, machte sich der Dialog zwischen Bauherrschaft und Bewohnerschaft schon zu Beginn des Projekts bezahlt. Denn so konnte frühzeitig geklärt werden, was der Gruppe wirklich wichtig war und worauf sie verzichten kann – architektonische Einfachheit oder: Form folgt Bedarf. Als nicht notwendig erachtet wurde beispielsweise die Verkleidung der Bauteile. Alle Wände, Böden und Decken sind materialsichtig. Auch auf manche Standards hat man verzichtet. So ist der Schallschutz nur etwas besser als ein Altbau. Auch die Ausstattung ist robust und minimalistisch. Gedämmt und geheizt werden außerdem nur die Wohnräume, nicht aber das Treppenhaus.
Manchmal musste man auch Kompromisse zwischen ökologisch und bezahlbar eingehen. Die Holzdecke stellte sich als zu teuer heraus, dafür entschied man sich für eine aus der Industrie kommende Spannbetonhohldecke, die mit bis zu fünfzig Prozent weniger Zement auskommt. Manchmal erschwerten aber auch die Normen die selbstgesteckten Vorgaben: „Es gibt regulatorische Hürden, die das einfache Bauen enorm schwierig und aufwendig machen“, sagt Martin Risch, Gründer von Stereo Architektur beim Besuch. Beispiel Treppe. Sie war eigentlich offen geplant, jedoch musste aus regulatorischen Gründen eine Verglasung angebracht werden , weil die Fassade sonst baurechtlich erst hinter dem Treppenhaus begonnen hätte.
Die gemeinschaftliche Dachterrasse wartet mit einem fantastischen Blick auf, der BBQ steht bereit. Hier weht fasst ein Hauch von Dekonstruktivismus, man denke an das frühe Werk von Coop Himmelb(l)au (strukturell: sich zur Fassade hin auflösendes Dach) oder Frank Gehry (materiell: Maschengitter, Wellblech). Auf dem Schrägdach liegt die Photovoltaikanlage, sie wird mit den Nachbarhäusern im genossenschaftlichen Verbund betrieben.
Nicht nur die Dachterrasse, auch das Treppenhaus und alle Außenräume wie der Garten dienen der Gemeinschaft. Selbst die Terrassen sind so an das Treppenhaus angeschlossen, dass sie halb Privat-, halb Verbindungsraum sind. Die Treppe dient gleichzeitig als Sitzgelegenheit, so dass sich spontane Gespräche ergeben können. Über die Erschließung lässt sich auch durch das große Küchenfenster Kontakt zur Rumpfwohnung aufnehmen; wer das nicht mag, schließt einfach den Vorhang. Man sieht dem Treppenhaus an, dass hier nicht gespart werden sollte, sondern mit viel bedacht gestaltet wurde. Durch dieses Außenraumkonzept und die kleine Parzellengröße mit lediglich ein bis drei Parteien pro Geschoss ergibt sich eine sehr nachbarschaftliche Atmosphäre. Allerdings zeigt sich hier auch ein Nachteil des Kleinstgrundstücks. Da das Treppenhaus prozentual einen großen Teil der Gesamtfläche einnimmt, ist die Erschließung nicht besonders effektiv.
Rumpfwohnung mit Benefits
Zurück zur Wohnidee: In jedem Geschoss gibt es die besagte größere „Rumpfwohnung“ mit mindestens zwei Schlafzimmern für langfristige Pläne und zwei Zimmer, die sich einen kleinen Zugangsbereich und eine Nasszelle teilen. Sie können entweder Teil der Wohngemeinschaft sein oder der Rumpfwohnung zugeschaltet werden. Da ein WG-Zimmer stärker fluktuiert, kann sich eine Rumpfwohnung mit einem guten Grund – zum Beispiel Familienzuwachs – diese einverleiben und damit von 3,5 auf bis 5,5-Zimmer anwachsen. Sind die Kinder aus dem Haus, lassen sich Zimmer wieder an die WG abgeben, die so über alle Geschosse maximal zehn Einzelzimmer umfasst. Die WG teilt sich den großen Gemeinschaftsraum mit Küche im Erdgeschoss. Nun ist ein flexibler Grundriss nichts Neues. Im Abakus ist er aber ohne Umbaumaßnahmen durch die Bewohner selbst möglich. Räume werden allein durch Türen zuschaltbar.
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