Bauhaus Museum Dessau
Den historischen Gründungstermin haben sie in Dessau fast ein halbes Jahr verstreichen lassen, dafür war ihr Bauhaus-Museum zur Eröffnung wirklich fertiggestellt. Allerdings hat auch dieses Haus Kritik auf sich gezogen, in der lokalen Öffentlichkeit wie in der Fachwelt: Haben die Dessauer und ihre Gäste eigentlich jenen schlanken und eleganten Bau bekommen, den die Wettbewerbssieger versprochen hatten? Seit dem 6. September mag sich jeder davon selbst ein Bild machen.
Text: Kil, Wolfgang, Berlin
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Bei nächtlicher Beleuchtung beginnt man das ursprüngliche Konzept zu ahnen: Das Ausstellungsgeschoss scheint über der riesigen Eingangshalle zu schweben.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
Bei nächtlicher Beleuchtung beginnt man das ursprüngliche Konzept zu ahnen: Das Ausstellungsgeschoss scheint über der riesigen Eingangshalle zu schweben.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
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Foto des Modells ...
Abbildungen: Architekten
Foto des Modells ...
Abbildungen: Architekten
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... und Rendering der Rückansicht vom Park aus gesehen. So sieht der Standort aus, wenn man Dessaus Realitäten verdrängt.
Abbildungen: Architekten
... und Rendering der Rückansicht vom Park aus gesehen. So sieht der Standort aus, wenn man Dessaus Realitäten verdrängt.
Abbildungen: Architekten
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Die Umbenennung in Mies-van-der-Rohe-Platz macht den trüben Abschnitt der Kavalierstraße auch nicht schöner.
Foto: Wolfgang Kil
Die Umbenennung in Mies-van-der-Rohe-Platz macht den trüben Abschnitt der Kavalierstraße auch nicht schöner.
Foto: Wolfgang Kil
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In Weimar maßlos überhöht, in Dessau fast zum Verschwinden gebracht: Mit einladenden Hauptzugängen tun sich die Bauhaus-Nachfahren schwer.
Foto: Wolfgang Kil
In Weimar maßlos überhöht, in Dessau fast zum Verschwinden gebracht: Mit einladenden Hauptzugängen tun sich die Bauhaus-Nachfahren schwer.
Foto: Wolfgang Kil
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Zwischen Einkaufsmeile und Stadtpark schiebt sich jetzt ein klirrender Riegel. Assoziationen zu Kommerzarchitektur sind nicht beabsichtigt, aber kaum zu vermeiden.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
Zwischen Einkaufsmeile und Stadtpark schiebt sich jetzt ein klirrender Riegel. Assoziationen zu Kommerzarchitektur sind nicht beabsichtigt, aber kaum zu vermeiden.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
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Die gegen- und übereinander verschiebbaren Farb-Gläser der Fassade sind das Kunstwerk „Lichtspielhaus“ von Lucy Raven, extra für den Dessauer Museumsbau als „work insitu“ hergestellt, in Anspielung auf die vielfältige Auseinandersetzung des Bauhauses mit Farbregeln und -gesetzen.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
Die gegen- und übereinander verschiebbaren Farb-Gläser der Fassade sind das Kunstwerk „Lichtspielhaus“ von Lucy Raven, extra für den Dessauer Museumsbau als „work insitu“ hergestellt, in Anspielung auf die vielfältige Auseinandersetzung des Bauhauses mit Farbregeln und -gesetzen.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
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Im nördlichen Separee wird der Gründungsankauf für die Sammlung aus dem Jahr 1976 ...
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
Im nördlichen Separee wird der Gründungsankauf für die Sammlung aus dem Jahr 1976 ...
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
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... wie ein Schatzkästchen inszeniert.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
... wie ein Schatzkästchen inszeniert.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
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Im Mittelsaal verweist das Zentralregal auf die Leitidee des Dessauer Bauhauses: den „Horizont Fabrik“. Parallel dazu werden Lehrer-Schüler-Beziehungen anhand von Lebensstationen illustriert.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
Im Mittelsaal verweist das Zentralregal auf die Leitidee des Dessauer Bauhauses: den „Horizont Fabrik“. Parallel dazu werden Lehrer-Schüler-Beziehungen anhand von Lebensstationen illustriert.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
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Im südlichen Separee macht ein „Schaufensterobjekt“ mit den Grundfragen des Dessauer Lehrkonzeptes vertraut.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
Im südlichen Separee macht ein „Schaufensterobjekt“ mit den Grundfragen des Dessauer Lehrkonzeptes vertraut.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
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Das Erdgeschoss als Begegnungsort – mit dem Publikum am Eröffnungswochenende ...
Foto: Wolfgang Kil
Das Erdgeschoss als Begegnungsort – mit dem Publikum am Eröffnungswochenende ...
Foto: Wolfgang Kil
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... wird das Potential trotz der geschlossenen Fassaden spürbar.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
... wird das Potential trotz der geschlossenen Fassaden spürbar.
Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
Dem Wettbewerb um das Dessauer Bauhaus-Museum war ein dramatischer Streit vorausgegangen: Weil er sich, vom wissenschaftlichen Beirat der Stiftung einhellig unterstützt, energisch für einen Museumsstandort im „heiligen Bezirk“ zwischen Bauhaus-Gebäude und Meisterhäusern einsetzte, musste der damalige Stiftungsdirektor Philipp Oswalt seinen Posten räumen. In einem unübersichtlichen politischen Kräftespiel wurde so die Wunschoption einiger Landes- und Lokalpolitiker durchgesetzt, die sich mit einem Ausstellungshaus im Stadtpark vermehrten Zulauf für das sonst wenig belebte Dessauer Zentrum erhofften (
Bauwelt 22.2014).
Auch wenn die internationale Bauhaus-Fangemeinde mit diesem Akt zweifelhaften Stadtmarketings noch lange haderte, nahmen mehr als achthundert Architekturbüros aus über sechzig Ländern am 2015 ausgeschriebenen Wettbewerb teil. Aus solcher Ideenfülle einen klaren Gewinner zu küren, war kaum zu erwarten. Aber zwei diametral gegensätzliche Arbeiten auf den ersten Rang zu setzen, ließ wiederum auf tiefe Divergenzen zwischen Architekten und Politikern im Preisgericht schließen. Zog es Erstere zum Minimalismus von addenda architects aus Barcelona, neigten Letztere eher zu Young & Ayata aus New York. Deren skurriles Figurenensemble, vom Volksmund mit Spitznamen wie „Schlümpfe“ oder „Zipfelmützen“ behängt, sollte Dessau offenbar einen Bilbao-Effekt bescheren. Die neue Stiftungsdirektorin Claudia Perren entschied schließlich zugunsten der Katalanen. Bauhaus in Dessau steht doch wohl eher für Rationalität. „Zurückhaltend, seriös, pragmatisch“, kommentierte damals die Bauwelt (
Bauwelt 37.2015).
Der Bau
Im Gegensatz zum Raumlabyrinth des Weimarer Bauhaus-Museums ist die Struktur des Dessauer Baus von großer Klarheit: Die „Blackbox“,das eigentliche Ausstellungsgeschoss, ruht als 18 Meter breiter, einhundert Meter langer Betonkasten auf zwei massiven Treppenhauskernen und überbrückt so ein offenes Erdgeschoss. Die mittige Spannweite beträgt stolze 50 Meter, die Endauskragungen jeweils 18 Meter. Aus Kostengründen war die gewaltige Konstruktion nur in Beton ausführbar, deren circa sieben Meter hohe monolithische Durchlaufträger nun zugleich die fensterlosen Seitenwände für die Ausstellungsräume bilden. Was natürlich die Museumsleute freut – war doch ein Hauptgrund für den Wegzug aus Gropius‘ gläsernem Werkstattgebäude die Lichtempfindlichkeit der kostbaren Sammlungsstücke.
Die Funktionen folgen dem lapidaren Raumplan: Das Obergeschoss bietet 1500 Quadratmeter durchgängige Ausstellungsfläche, unterteilt nur durch die beiden Treppenkerne. So entstehen der mittlere Saal für die Hauptausstellung sowie zwei kleinere Separees – ein Nord- und ein Südraum für thematische Sonderschauen. Im Erdgeschoss weitet sich eine verschwenderische Halle, fünf Meter hoch und nur punktuell mit museumsüblichen Service-Stationen bestückt. Die Raumsegmente unter den Auskragungen sind mit Veranstaltungsräumen bzw. Büro- und Technikfunktionen belegt. Garderoben und Toiletten befinden sich im Keller.
Sieht man von den mutigen Spannweiten ab, ist der problematischste Gebäudeteil sicherlich die Glasfassade. Drei Meter vor die Blackbox-Wände gestellt, wirkt sie wie ein Gewächshaus und zwang die Architekten zu allerlei Maßnahmen gegen zu viel Sonnenschein. Bedarfsgesteuerte Klappen sorgen für vertikale Lüftung, metallbedampfte Vorhänge und punktbedruckte Außenscheiben (Reduktionsgrad 30 Prozent) sollen das Raumklima erträglich halten. Für die äußere Erscheinung des Gebäudes erweist sich die Glashülle indes als verheerend. Was die Entwurfs-Renderings versprachen, eine schwebende Ausstellungsebene und freien Blick durch ein offenes Erdgeschoss, wird von den reflektierenden Scheiben verhindert. Allenfalls sind Schweben und Durchblick bei abendlicher Beleuchtung zu erahnen, am Tage spiegeln sich Wolken und Bäume oder Dessaus disparates Rathausquartier in dem erratischen Block. Glas gleich Transparenz – dieser uralte Irrtum! Sind die Architekten ihren eigenen Zeichnungen auf den Leim gegangen? Oder hat die Jury, trotz aller geballten Fachkompetenz, einfach mal nicht aufgepasst?
Die Ausstellung
Der erhoffte „Bauhaus-Spirit“, den das Haus nach außen hin so schmerzlich verfehlt, stellt sich drinnen umso beeindruckender ein. Die Ausstellung ist klug arrangiert und eine wahre Augenfreude, in allen drei Teilen. Im Südraum wird der Besucher mit einer (ziemlich aufwändigen) Rauminstallation eingestimmt auf zentrale Fragestellungen der Bauhaus-Lehre in ihren Dessauer Jahren. Der Nordraum ist der „Wiederentdeckung“ zu DDR-Zeiten gewidmet, man sieht jene knapp einhundert Kunstwerke und Designobjekte, die das Dessauer Kulturamt 1976 von einer Leipziger Galerie erwerben konnte. Mit der Darbietung dieses Gründungskonvoluts ist den Szenografen vom Berliner Büro chezweitz ein kleines, aber feines Raumwunder gelungen.
Die kräftigsten Eindrücke hinterlässt der zentrale Ausstellungspart, der unter dem Titel „Versuchsstätte Bauhaus“ um die tausend Exponate zu einer facettenreichen Erzählung ausbreitet. Nicht nur um komplexe Zusammenhänge im Wirken der Schule geht es hierbei, gefeiert wird auch ein Fest für die Sinne: In feuriges Orange getaucht, führt das mit lauter Inkunabeln der Werkstättenarbeit bestückte Zentralregal das Leitmotiv des Dessauer Bauhauses vor Augen: den „Horizont Fabrik“. Gleich daneben werden in edlem Grau prominente Lehrer-Schüler-Beziehungen anhand von Lebensstationen skizziert. Hat man sich auf so ein Duo (z.B. Hannes Meyer und Konrad Püschel) erst mal eingelassen, ist man vom Rhythmus der strengen Gesamtinstallation schon gefangen. Ganz dezent wirkt hier das Gesetz der Serie, didaktisch hilfreich und in delikater Ästhetik. „Bauhaus intuitiv“, könnte man dieses Regiekonzept umschreiben.
Ein Dritter Ort?
Addenda architects sind noch jung genug, um impulsiv von ihren Vorbildern zu schwärmen: An Mies van der Rohe mussten sie denken, als sie die Ausschreibung lasen, doch ihre wahre Heldin ist Lina Bo Bardi, die mit den schwerelosen Kuben unter südlichem Licht. Von einer Stadt namens Dessau gab es keinerlei Ahnung. Aber stehen die eleganten Solitäre der klassischen Moderne nicht ohnehin am besten in weitläufigen Parks? Und so bietet auch ihr Entwurf mit der aufs Grüne gerichteten Rückfront zweifellos die ansehnlichsten Bilder. Nur: Der (leider kaum auffindbare) Eingang und also die Hauptansicht des Museums liegen auf der anderen Seite, zur Kavalierstraße hin. Und Dessaus Einkaufsmeile bietet weder Weite noch Anmut, sondern Verkehrstrubel, planlose Resträume, ein wahres Schreckgespenst von Shoppingmall. Plattenbau trifft Ramschkapitalismus: Einige Kritiker haben den Bauhaus-Erben zu solcher Hardcore-Kulisse gratuliert. Aus Häme oder Mitgefühl?
Dessau hat sich von seiner Kriegszerstörung nie wirklich erholt, manche Sünden von Wiederaufbau und Nachwende-Bauboom hat der Stadtpark gnädig gemildert. Jetzt verschwinden dessen schattige Baumriesen samt beliebtem Teepavillon hinter einer klirrenden Barriere. Die ist lang und glatt und hermetisch. Von den üblichen Ressentiments gegen moderne Architektur werden da sicher die scheußlichsten bedient. Wirft man dem Weimarer Museum seine Apotheose des Betons vor, so hat sich in Dessau jener andere Auswuchs der Moderne ins Bild geschlichen – nackte, fühllose Kommerzarchitektur. Armes Bauhaus!
Wie um sich selbst darüber hinwegzutrösten, sprachen zur Eröffnung die Kuratoren plötzlich von einem „Dritten Ort“. Denn in der Riesenhalle des bislang nur notdürftig möblierten (und für seriöse Wechselausstellungen höchst problematischen) Erdgeschosses lässt sich tatsächlich von einer großen Spiel- und Begegnungsfläche träumen, die zwischen Steinstadt und Gartenreich als ein kreatives „Drittes“ die Dessauer Stadtgesellschaft zu neuen Daseins- und Umgangsformen lockt – in südländischem Laissez faire und vor anhaltinischem Wetter geschützt. Aber dafür müssten, statt 18 sporadisch verteilter Notausgangstüren, breite Partien der Erdgeschossfassaden zusammenhängend aufklappbar sein. Wem solch bauliches Update zu verwegen erscheint, der möge sich Ermutigung in Moskau holen, wo Rem Kohlhaas mit genau einer solch hybriden, phantasievoll bespielten Ground Hall sein Kulturzentrum „Garage“ zur weltweit bestaunten Attraktion für alle Milieus der Metropole gemacht hat (
Bauwelt 8.2016). An so einem „Dritten Ort“ dürften dann die wohlfeil beschworenen Bauhaus-Ideen sich an der Anwesenheit heutiger Dessauer bewähren. Tun sie es nicht – dann ab damit nach oben, in die Blackbox, ins Museum.
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