Gut Garkau von Hugo Häring, Scharbeutz
Ein Stall auf Gut Garkau bei Lübeck verhalf Architekt Hugo Häring in den 1920ern zu Ruhm und Ansehen. Inzwischen steht das Gebäude unter Denkmalschutz – und seit Jahren leer.
Text: Höhns, Ulrich, Oldenbüttel
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Gut Garkau befindet sich in Privatbesitz: Besuch ist nicht erwünscht.
Foto: seier+seier
Gut Garkau befindet sich in Privatbesitz: Besuch ist nicht erwünscht.
Foto: seier+seier
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Stall und Scheune: Hugo Häring vereinte seine organische Formsprache mit den damals neusten Standards der amerikanischen Landwirtschaft.
Foto: seier+seier
Stall und Scheune: Hugo Häring vereinte seine organische Formsprache mit den damals neusten Standards der amerikanischen Landwirtschaft.
Foto: seier+seier
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Ideen für eine heutige Nutzung des Stalls gibt es nicht. Der Versuch einer Schweinehaltung wurde wieder aufgegeben.
Foto: seier+seier
Ideen für eine heutige Nutzung des Stalls gibt es nicht. Der Versuch einer Schweinehaltung wurde wieder aufgegeben.
Foto: seier+seier
Hugo Häring (1882-1958) zählt zu den bedeutenden Architekten des Neuen Bauens der 1920er Jahre und nimmt – als Vertreter einer organhaften Architektur – eine Sonderstellung im Kreise der Modernisten ein. Ungewöhnlich plastische Entwürfe wie für ein Hochhaus an der Berliner Friedrichstraße 1921 blieben zwar auf dem Papier, machten ihn aber als Neuerer bekannt. Eine Veröffentlichung seiner Hochhausskizzen weckte das Interesse eines Hamburger Bauherren, der am Pönitzer See unweit von Lübeck „einen Gutshof braucht“, wie Häring notierte.
Härings ersten Pläne für eine große landwirtschaftliche Anlage mit modernem Wohnhaus, Stallungen und Scheune entstehen 1922. Der Bauherr hatte das Gut kurz zuvor erworben und sich in den USA über neue landwirtschaftliche Methoden und die bauliche Organisation von Betriebsgebäuden informiert. Häring bringt diese Ideen in einem funktionalistischen, organisch ausgestalteten Gesamtkonzept in eine unverwechselbare, die optimierten betrieblichen Abläufe nachzeichnende Form. Garkau ist sein frühes Hauptwerk, mit dem er Baugeschichte schreiben wird. El Lissitzky hat den Kuhstall fotografiert, die ganze Fachwelt kennt ihn.
41 Kühe stehen in ihren Gitterboxen im Haupthaus mit einem birnenförmigen Grundriss, der Bulle in einer größeren Box im Brennpunkt. Die Tiere sind hochwertiges Zuchtvieh und können in einem Rundgang besichtigt werden. Das Futter liegt auf dem langen, zentralen Tisch, auf den es von oben vom Vorratsboden geschoben wird. Die Stalldecke ist nach innen geneigt, sodass diese Arbeit leichter fällt. Zugleich wird die Abluft permanent zu hochgelegenen, umlaufenden Lüftungsschlitzen in den Außenwänden geführt. Die Bandfenster dienen der seitlichen Belichtung und lassen sich nicht öffnen. Das Eisenbetondach ist ebenfalls nach innen geneigt; das Wasser wird über eine fallende Kehle abgeführt. Die Außenwände aus einem halben, dunkelroten Klinkerstein und Schlackengussbeton sind nur eine Klimahülle. Die obere Ebene des Baus und der obere Teil des aufragenden Silos sind senkrecht verbrettert. Traditionelle, regionale Baumaterialien fügen sich zu einer neuen Form – und diese Form erklärt sich selbst. Freistehende Stützen und weit auskragende Träger bilden das raumgliedernde Tragwerk. Kleinere Räume für das Jungvieh, die Jungbullen und der Zugang zu einem Rübenkeller treten außen plastisch hervor, so dass insgesamt ein komplexes architektonisches Bild entsteht.
Gleichrangig im Ensemble und unerlässlich für seine Funktionsfähigkeit ist die benachbarte Scheune mit ihrem eindrucksvollen Innenraum, gewonnen durch die freitragende, wabenartige Bohlenkonstruktion des gewölbten Zollinger-Dachs. Stall und Scheune von 1924/25 blieben die beiden einzigen substanziellen Bauten des Gutes. Die große Vision wurde nicht verwirklicht. Der Bauherr veräußerte bereits 1928 seinen Avantgarde-Hof, der dann zwar weiter bewirtschaftet wurde, dessen Hyperfunktionalität sich aber schon bald als größtes Hindernis für jegliche Erweiterung und Neustrukturierung erwies. Die Bauten im Privatbesitz stehen unter Denkmalschutz und seit vielen Jahren leer: Sie sind zu klein für die große Landwirtschaft unserer Zeit. Der Betrieb des Stalls wurde aufgegeben. Eine sinnvolle neue Nutzung dieses weltbekannten und so kunstvoll klug mit dem Ort verbundenen, heute nicht mehr zugänglichen Denkmals der Moderne auf dem Land, lässt weiter auf sich warten.
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