Bauwelt

Felix Meritis in Amsterdam


Ein Haus in Amsterdam, das der Aufklärung, experimentellen Studien und künstlerischen Happenings diente, wurde generalsaniert. Der Gang durch die neuen Räume mit ihrem Spektrum an Farben und Formen gleicht einer Entdeckungsreise für die Sinne.


Text: Bokern, Anneke, Amsterdam


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    Der 1787 erbaute Pracht­-bau Felix Meritis (lateinisch: „glücklich durch Verdienste“) an der Keizersgracht.
    Foto: Ewout Huibers

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    Der 1787 erbaute Pracht­-bau Felix Meritis (lateinisch: „glücklich durch Verdienste“) an der Keizersgracht.

    Foto: Ewout Huibers

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    Der grüne Wandteppich am Empfang zeigt Szenen aus dem alten Zeichensaal des Hauses.
    Foto: Ewout Huibers

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    Der grüne Wandteppich am Empfang zeigt Szenen aus dem alten Zeichensaal des Hauses.

    Foto: Ewout Huibers

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    Im großen Konzertsaal sorgen nun aufklappbare Wandpaneele zwischen den Türen für eine anpassbare Akustik.
    Foto: Ewout Huibers

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    Im großen Konzertsaal sorgen nun aufklappbare Wandpaneele zwischen den Türen für eine anpassbare Akustik.

    Foto: Ewout Huibers

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    Restaurant: Viele Elemente wie die Wandteppiche, Bartresen, Empfangstheke ...
    Foto: Ewout Huibers

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    Restaurant: Viele Elemente wie die Wandteppiche, Bartresen, Empfangstheke ...

    Foto: Ewout Huibers

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    m Zuilenzaal, dem Säulensaal, wurde der rohe Charakter eines scheinbar unsanierten Raumes in Teilen erhalten ...
    Foto: Ewout Huibers

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    m Zuilenzaal, dem Säulensaal, wurde der rohe Charakter eines scheinbar unsanierten Raumes in Teilen erhalten ...

    Foto: Ewout Huibers

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    ... die Technik hinter Einbauten versteckt.
    Foto: Ewout Huibers

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    ... die Technik hinter Einbauten versteckt.

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    Neutrale Zone: Das Treppenhaus vermittelt zwischen den Sälen und dem vorderen und hinteren Teil des Hauses.
    Foto: Ewout Huibers

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    Neutrale Zone: Das Treppenhaus vermittelt zwischen den Sälen und dem vorderen und hinteren Teil des Hauses.

    Foto: Ewout Huibers

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    Der als Konferenzraum dienende Kuppelsaal.
    Foto: Ewout Huibers

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    Der als Konferenzraum dienende Kuppelsaal.

    Foto: Ewout Huibers

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    Besprechungsraum im ehemaligen Zeichensaal.
    Foto: Ewout Huibers

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    Besprechungsraum im ehemaligen Zeichensaal.

    Foto: Ewout Huibers

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    Der Shaffysaal ...
    Foto: Ewout Huibers

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    Der Shaffysaal ...

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    ... im ovalen Gebäudeteil.
    Foto: Ewout Huibers

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    ... im ovalen Gebäudeteil.

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    Die gelbe Huslylounge, ein Veranstaltungsraum ...

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    Die gelbe Huslylounge, ein Veranstaltungsraum ...

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    ... mit eigener Küche und Theke.
    Foto: Ewout Huibers

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    ... mit eigener Küche und Theke.

    Foto: Ewout Huibers

Wie ein Kuckuckskind im Singvogelnest hockt Felix Meritis zwischen den schlanken Kaufmannshäusern an der Amsterdamer Keizersgracht. Aufgrund der beachtlichen Größe der korinthischen Säulen und des Ziergiebels könnte man das Gebäude für einen neoklassizistischen Tempel halten. Es wurde jedoch schon 1787 nach einem Entwurf von Jacob Otten Husly (1738-1796) als Sitz einer gleichnamigen Sozietät errichtet, die sich – ganz im Geiste der Aufklärung – der Förderung von Musik, Zeichenkunst, Physik und Literatur verschrieben hatte. Im Felix Meritis kamen begüterte Herren in ihrer freien Zeit zusammen, um „Verstand und Tugend durch die Ausübung der Künste und Wissenschaften heranzubilden“ – und nebenbei ihre geschäftlichen Beziehungen zu pflegen.
1888 wurde Felix Meritis aufgelöst. Danach beherbergte das Gebäude eine Druckerei, bevor es von 1947 bis 1981 als Hauptsitz der Kommunistischen Partei der Niederlande diente und in den 1970er Jahren zum Ort wilder Partys und Happenings wurde. Ab 1982 diente es der Stiftung Felix Meritis als Veranstaltungsstätte für Kultur­events. 2014 meldete die Stiftung Konkurs an. Das Haus ging in den Besitz der Stadt über, die es für nur 2,5 Millionen Euro der Verwaltungsgesellschaft Amerborgh verkaufte. In deren Auftrag wurde Felix Meritis nun generalüberholt, damit der Prunkbau in Zukunft wieder als Ort für Vorträge, Debatten, Ausstellungen, Workshops und Konzerte dienen kann.
Das Gebäude besteht aus einem rechteckigen Baukörper an der Gracht und einem dahinter gelegenen Bauteil mit ovaler Grundfläche. Dazwischen befindet sich ein monumentales Treppenhaus, das alle Säle erschließt. Als Amerborgh den Bau kaufte, war dieser in keinem guten Zustand: Viele Räume waren bis zur Unkenntlichkeit umgebaut, die Gebäudetechnik war veraltet, und auch bautechnisch warteten einige unangenehme Überraschungen. So hatten die Balken des Shaffysaals im Obergeschoss einen so schweren Pilzbefall, dass der Raum beinahe einsturzgefährdet war. Nach einer 16 Millionen Euro teuren Renovierung strahlt Felix Meritis nun wieder in frischem Glanz. Math Architecten und das Innenarchitekturbüro i29 haben in einem bemerkenswerten Balanceakt jedem Saal eine eigene Identität verliehen und gleichzeitig vielfältig nutzbar gemacht. Dabei mussten sämtliche neuen Einbauten reversibel sein, denn die Restaurierung geschah unter dem wachsamen Auge des Denkmalschutzes.
Gleich zu Beginn stellten die Architekten fest, dass die unteren Geschosse relativ gut erhalten waren, während es nach oben mehrere Um- und Einbauten gab. Im neuen Entwurf wurde dies beibehalten, sodass das Erklimmen der monumentalen Treppe nun einer Zeitreise gleicht: von historisierenden hin zu moderneren Räumen. Dazwischen bietet das neutral gestaltete Treppenhaus immer wieder eine Atempause.
Beim Betreten des Gebäudes liegt zur Rechten der Empfang mit Garderobe und zur Linken das Restaurant. Beide Räume wurden als moderne Varianten der stijlkamers (Räume mit Möbeln und Kunstwerken aus einer Stilepoche) in Amsterdamer Kaufmannshäusern gestaltet. Die Wände sind verkleidet mit Neuinterpretation der charakteristischen textilen Wandbespannungen, hergestellt mit moderner Technik. Im Empfang diente ein alter Stich, der den Zeichensaal von Felix Meritis darstellt, als Vorlage für einen fransigen Wandteppich, der mit einem kantigen, minimalistischen Kronleuchter, einem verspiegelten Tresen und einer Spiegelwand mit LED-Beschriftung kombiniert wurde. Kronleuchter und Spiegelflächen tauchen in modernen Ausführungen an verschiedenen Stellen des Gebäudes auf. So auch im benachbarten Restaurant, wo die Wandbespannung auf Basis eines Fotos von einem holländischen Wolkenhimmel entworfen wurde. Während die Rezeption in Olivtöne getaucht ist, ist das Restaurant ganz in Rosé und Taubenblau gehalten und orientiert sich damit, unter anderem auf Wunsch des Denkmalschutzes, ebenfalls an Farbkonzepten des 18. Jahrhunderts orientiert. Jenseits des Treppenhauses liegt der große Konzertsaal. Bevor das berühmte Concertgebouw errichtet wurde, war er der bedeutendste Konzertsaal der Stadt, in dem Camille Saint-Saëns, Robert Schumann und Johannes Brahms auftraten. Auf Wunsch des Denkmalschutzes haben die Architekten die crèmefarbene Originalgestaltung restauriert. Da der Bal­­-kon bei einem früheren Eingriff halbiert wurde, stimmte die Akustik im Saal nicht mehr. Mittels aufklappbarer Akustikpaneele, die rundum an den Wänden hängen, kann sie nun wieder reguliert und auf verschiedene Musikarten eingestellt werden.

Psychedelische Überraschungen

Im ersten Obergeschoss findet man sich auf der Grachtseite in einem Saal mit völlig anderer Atmosphäre wieder. Der Säulensaal trägt seinen Namen nicht umsonst, denn er wird dominiert von zehn Holzsäulen. Auf den ersten Blick wirkt er, als habe man ihn bei der Restaurierung vergessen: Manche Säulen haben große Risse, die Einbaukabinette müssen ohne Verglasung auskommen, die Holzvertäfelung ist übersäht mit Macken und Schraublöchern, und die Wände sind mit simpler Jute bespannt. In Wirklichkeit wurde der Saal aber einmal komplett demontiert, um die neue Haustechnik hinter den Einbauten verstecken zu können. Nach langen Auseinandersetzungen mit dem Denkmalschutz gelang es den Architekten, ihn hinterher nicht aufzuputzen, sondern im rauen, halbfertigen Zustand mit viel Patina zu belassen. Durchquert man das Treppenhaus, wartet hinter der Tür zum ovalen Bauteil die nächste Überraschung. Über dem Konzertsaal befindet sich der Shaffysaal, benannt nach einem niederländischen Chansonnier, der hier in den sechziger und siebziger Jahren eine berühmt-berüchtigte Bühne betrieb. Man betritt den Saal durch ein Vestibül mit Bar und Türen aus bronzefarbenem Stahl. In Anspielung auf die psychedelische Ästhetik der Zeit sind Wände und Teppich ganz in einen Blau-Weiß-Verlauf getaucht. Bei genauem Hinsehen ist der Verlauf an den Wänden auf gelöcherte Akustikpaneele aufgebracht, denn die Rundung der Fenster­laibungen machte eine Akustikdecke unmöglich. Und als hätte das saftige Blau alleine nicht gereicht, wird die Sixties-Ästhetik auf der Empore noch weitergetrieben, denn dessen Teppich trägt einen Rot-Weiß-Verlauf.
Im selben Geschoss befindet sich der ehemalige Zeichensaal, der mit seiner weiß-blauen Möblierung und von der Decke hängenden „Papierbögen“ beinahe einen Ruhepol bildet, bevor man im Geschoss darüber den Huslysaal erreicht. Was früher ein Büroraum war, ist nun ein sonnengelb eingerichteter Veranstaltungssaal. Ermöglicht wurde diese Transformation durch eine Höhenerweiterung des Raums mit einem neuen Dachaufbau, in dem sich die Gebäudetechnik versteckt. Auf der anderen Seite des Treppenhauses warten noch zwei Räume: der Kuppel- und der Dachbodensaal. Hier wurden vor allem die schweren Holzbalken in Szene gesetzt, kombiniert mit neutraler weißer Farbe und einem in die Rundung geschmiegten Sideboard, das man fast für einen Heizkörper halten könnte. Die Zeitreise endet mit einem großartigen Ausblick über die Dächer von Amsterdam.
i29 ist das Kunststück gelungen, das altehrwürdige Haus Felix Meritis in die Gegenwart zu katapultieren, ohne den Denkmalschutz allzu sehr vor den Kopf zu stoßen. Die historischen Interieurs wurden auf respektvolle Weise neu interpretiert – und haben gleichzeitig einen gehörigen Spaßfaktor erhalten.



Fakten
Architekten Husly, Jacob Otten (1738-1796); i29, Ouder-Amstel, Niederlande
Adresse Keizersgracht 324, 1016 EZ Amsterdam, Niederlande


aus Bauwelt 8.2021
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