Feuer- und Rettungswache 3 in Wiesbaden
Nachdem die Hilfsfrist der Feuerwehr nicht mehr gewährleistet war, benötigte die Kurstadt einen Neubau. Auf einem ehemaligen Erdbeerfeld haben Bayer & Strobel Architekten in einem kompakten Klinkerbau drei Nutzer unter einem Dach vereint.
Text: Spix, Sebastian, Berlin
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Die Feuerwache 3 fasst 7180 Quadratmeter Bruttogeschossfläche und wurde im vergangenen Herbst für 25 Millionen Euro fertiggestellt.
Foto: Peter Strobel
Die Feuerwache 3 fasst 7180 Quadratmeter Bruttogeschossfläche und wurde im vergangenen Herbst für 25 Millionen Euro fertiggestellt.
Foto: Peter Strobel
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Am Ortseingang von Igstadt wird das Gebäude von einer Wohnsiedlung flankiert, gegenüber des Eingangs im Nordosten befindet sich eine Sargfabrik.
Foto: Peter Strobel
Am Ortseingang von Igstadt wird das Gebäude von einer Wohnsiedlung flankiert, gegenüber des Eingangs im Nordosten befindet sich eine Sargfabrik.
Foto: Peter Strobel
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Die Sporthalle mit dem großen Panoramafenster.
Foto: Peter Strobel
Die Sporthalle mit dem großen Panoramafenster.
Foto: Peter Strobel
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Die Freiwillige Feuerwehr nutzt drei Stellplätze in der 7,5 Meter hohen Fahrzeughalle.
Foto: Peter Strobel
Die Freiwillige Feuerwehr nutzt drei Stellplätze in der 7,5 Meter hohen Fahrzeughalle.
Foto: Peter Strobel
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Blick aus den Büroräumen des Zwischengeschosses in die Fahrzeughalle. Die obligatorischen Rutschstangen befinden sich in einem Schacht hinter Schutztüren verborgen.
Foto: Peter Strobel
Blick aus den Büroräumen des Zwischengeschosses in die Fahrzeughalle. Die obligatorischen Rutschstangen befinden sich in einem Schacht hinter Schutztüren verborgen.
Foto: Peter Strobel
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Im gesamten Gebäude wurde mit großen Öffnungen in der Fassade gearbeitet, die für viel Tageslicht im Inneren sorgen.
Foto: Peter Strobel
Im gesamten Gebäude wurde mit großen Öffnungen in der Fassade gearbeitet, die für viel Tageslicht im Inneren sorgen.
Foto: Peter Strobel
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Unlängst wurde die Wache mit der Johann-Wilhelm-Lehr-Plakette des BDA Hessen ausgezeichnet.
Foto: Peter Strobel
Unlängst wurde die Wache mit der Johann-Wilhelm-Lehr-Plakette des BDA Hessen ausgezeichnet.
Foto: Peter Strobel
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Von der Wohnsiedlung aus ist die Verschiebung der Volumen zueinander gut sichtbar.
Foto: Peter Strobel
Von der Wohnsiedlung aus ist die Verschiebung der Volumen zueinander gut sichtbar.
Foto: Peter Strobel
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Eingangsfoyer der Berufsfeuerwehr.
Foto: Peter Strobel
Eingangsfoyer der Berufsfeuerwehr.
Foto: Peter Strobel
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Drei voneinander separierte Treppenhäuser führen in die Obergeschosse.
Foto: Peter Strobel
Drei voneinander separierte Treppenhäuser führen in die Obergeschosse.
Foto: Peter Strobel
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Das Übungshaus im Erdgeschoss.
Foto: Peter Strobel
Das Übungshaus im Erdgeschoss.
Foto: Peter Strobel
Kaum zu glauben, aber die Bevölkerung der hessischen Landeshauptstadt wächst. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Einwohner Wiesbadens um 5000 auf knapp 300.000. Das überrascht insofern, als dass das selbsternannte „Nizza des Nordens“ bislang eher von seiner Vergangenheit als mondäne Kurstadt aus der Kaiserzeit lebte und sich im Laufe des vergangenen Jahrhunderts zur vergreisten Beamtenstadt mit BKA und Statistischem Bundesamt gewandelt hat. Mit dem Bevölkerungsanstieg geht aber nicht nur ein höherer Bedarf an Wohnungen einher: Durch die wachstumsbedingte Ausweitung der Stadt auf seine süd-östlichen Randgebiete war die sogenannte Hilfsfrist der Wiesbadener Feuerwehr nicht mehr gedeckt. Um weiterhin zu gewährleisten, bei jedem Ausrücken in 15 Minuten am Einsatzort zu sein, lobte die Stadt 2016 einen Realisierungswettbewerb für eine neue Feuerwache im östlich gelegenen Stadtteil Igstadt aus. Ausschlaggebend für das polygonale Grundstück am Ortseingang war die mögliche Anbindung an die angrenzenden Autobahnen A 3 und A 66.
Drei Nutzer
Die besondere Herausforderung für die 20 Wettbewerbsteilnehmer bestand darin, die drei Nutzungseinheiten Rettungsdienst, Berufsfeuerwehr und Freiwillige Feuerwehr in einem Gebäude unterzubringen und dabei eine hohe Schallschutz-Anforderung an eine fünf Meter westlich benachbarte Wohnbebauung zu erfüllen. Siegreich hervor ging das Büro Bayer & Strobel aus Kaiserslautern mit einem winkelförmigen Backsteinkomplex, der die einzelnen Nutzer in einem Gebäude kompakt zusammenführt. Sämtliche lärmintensiven Nutzungen wie Alarm- und Übungshof, Parkplätze und Anlieferung konnten von der Nachbarschaft entfernt, Ruhebereiche ihr zugewandt angeordnet werden.
Gestaffelter Backsteinbau
Durch eine variierende Höhenstaffelung des dreigeschossigen Backsteinbaus, die sich aus der Nutzeranordnung und klar gegliederten Funktionsbereichen ergab, haben die Planer eine prägnante und lebendige Wache gestaltet. Im Erdgeschoss wurden die Fahrzeughallen und Nebennutzungen untergebracht, in den Obergeschossen die Verwaltung, Aufenthalts-, Schlaf-, Dusch- und Fitnessräume sowie eine große Küche. Im zweiten Geschoss befindet sich eine Sporthalle für den täglichen Dienstsport und für Einstellungstests. Mit einer lichten Höhe von knapp fünf Metern sind Volleyball- und Badmintonpartien nicht einfach auszutragen, dafür hat man aus dem raumhoch verglasten Panoramafenster einen beeindruckenden Blick auf die Landschaft am Rand des Vortaunus und die Einflugschneise des Frankfurter Flughafens.
Zusätzlich zu seiner Staffelung betonen drei groß eingeschnittene Loggien, bündig sitzende Fensterbänder und ein markanter Übungsturm die Plastizität des Gebäudes. Dieser Turm im Süden konnte entgegen herkömmlichen Feuerwehrbauten nicht in der Höhe von 23 Metern realisiert werden, um die Wasserschläuche nach dem Einsatz zu trocknen. Trotzdem er mit einer Höhe von nur 15 Metern deutlich von der Autobahn aus zu sehen ist, dient er ausschließlich zum Üben des Anleiterns und Löschens. Zur Trocknung der Schläuche verwendet die Feuerwehr eine moderne Schlauchreinigungsanlage.
Um dem Wunsch der Feuerwehr nach einem wartungsarmen Gebäude zu erfüllen, entschieden sich die Planer für einen robusten im Märkischen Verband gesetzt Klinkerstein, der mit Klinkerbauten der Umgebung korrespondiert. Die rötlich-braune Farbigkeit wurde in Anlehnung an den hiesigen Lehmboden und als Referenz an Industriearchitekturen der 1920er Jahre gewählt. Nicht überraschend erinnert die verklinkerte Feuerwache an Bauten Álvaro Sizas, die Projektarchitekt Artur Schäfer als Inspiration in der Entwurfsphase erwähnt.
Hof und Schleuse
Der Eingang der Wache liegt etwas verborgen zwischen den beiden Fahrzeughallen und unter dem auskragenden Oberschoss. Dieser Tunnel mündet in einem Eingangshof. Von hier gelangt man über drei separate Eingänge in die jeweiligen Nutzertrakte. Der teilbegrünte Hof dient nicht nur als funktionaler Verteiler, sondern vor allem als Begegnungs- und Ruheort für die stets einsatzbereiten Feuerwehr- und Rettungsleute. Zudem ergeben sich über eine seitliche Hofmauer, anhand eines Fassadensprungs in der ansonsten verschlossenen Westseite des Gebäudes, Blickbezüge zur angrenzenden Reihenhaussiedlung.
In jedem der drei Eingangsfoyers gelangt man über helle Treppenhäuser zu den jeweiligen Örtlichkeiten von Rettungswache und Feuerwehr. Insgesamt wird das Gebäude über fünf Treppenhäuser erschlossen, die wiederum über digitale Schleusen voneinander getrennt werden können. Die organisatorische Schleusung zwischen den Nutzern als auch innerhalb der Wache ist ein wesentliches Motiv in der Gebäudekonzeption. Die logische Abfolge von „weißen“ (Ruheraum) und „schwarzen“ (Einsatzhalle) Räumen sowie der Übergang in und vom „Graubereich“ (Dusche) wurde schlüssig gelöst.
„Bipolare“ Materialwahl
In den Innenräumen wird das Entwurfsprinzip des plastisch gestalteten Gebäudevolumens mittels gegossener Betonwände fortgesetzt. Für den Boden wurde ein Stäbchenparkett ausgewählt, dessen Farbigkeit Bezug auf die rotbraunchangierende Klinkerhaut nimmt. Gleichwohl bezeichnen die Architekten im Gespräch ihren gestalterischen Ansatz als „bipolar“: Verzicht auf hochwertige Materialität (Vertäfelung), aber gleichzeitig „in Szene setzen“ einzelner Räume mit einfachen Materialien (Betonfertigteile). Die Decken wurden durchgehend mit einem abgehängten Gitter aus Streckmetall ausgeführt, hinter dem die Haustechnik sichtbar und leicht zugänglich geführt wird, was den Industrie- und Werkstattcharakter des gesamten Gebäudes unterstützt. Die dunkle Farbigkeit des Metallgitters, der Geländer und Armaturen spiegelt dezent die bronzefarbenen Rahmen der Fenster.
Eine kleine Skurrilität verbirgt sich im Übungsraum der Berufsfeuerwehr, die im Kontrast zur ansonsten stringent von ihrer Funktion aus gestalteten Feuerwache steht: Mit Materialien von Kleinanzeigen errichtet, steht zwischen den Betonwänden eingequetscht ein kleines Übungshaus, das wie eine Datsche wirkt, die dem Neubau nicht weichen wollte.
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