Bauwelt

Hangar Y in Meudon


Maschinenhalle, Zeppelindock, Luftfahrt­mu­seum und Bühnenwerkstatt – der Hangar Y in Meudon hat eine bewegte Vergangenheit.


Text: Landes, Josepha, Berlin


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    Der Hangar liegt an einem Teich aus dem 18. Jahrhundert. Nördlich befinden sich Forschungsgebäude der französischen Luft- und Raumfahrtbehörde.
    Foto: Maxime Delvaux

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    Der Hangar liegt an einem Teich aus dem 18. Jahrhundert. Nördlich befinden sich Forschungsgebäude der französischen Luft- und Raumfahrtbehörde.

    Foto: Maxime Delvaux

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    Eine Besonderheit des Gebäudes ist, dass seine Stahlträger ohne unterstützende Binder auskommen.
    Foto: Maxime Delvaux

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    Eine Besonderheit des Gebäudes ist, dass seine Stahlträger ohne unterstützende Binder auskommen.

    Foto: Maxime Delvaux

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    Die neue, feingliedrig gefasste Verglasung bringt den Raum zu voller Geltung.
    Foto: Maxime Delvaux

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    Die neue, feingliedrig gefasste Verglasung bringt den Raum zu voller Geltung.

    Foto: Maxime Delvaux

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    Die Ziegel an der Rückseite wurden im Rahmen der Res­taurierung vollständig erneuert. Die kunstfertige Hintertür entspricht dem Original.
    Foto: Maxime Delvaux

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    Die Ziegel an der Rückseite wurden im Rahmen der Res­taurierung vollständig erneuert. Die kunstfertige Hintertür entspricht dem Original.

    Foto: Maxime Delvaux

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    Die Flügeltür erlaubt eine Bespielung zwischen Innen und Außen.
    Foto: Maxime Delvaux

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    Die Flügeltür erlaubt eine Bespielung zwischen Innen und Außen.

    Foto: Maxime Delvaux

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    Der Bestand durfte nicht verändert werden. Boden und Emporen wurden reversibel ergänzt.
    Foto: Maxime Delvaux

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    Der Bestand durfte nicht verändert werden. Boden und Emporen wurden reversibel ergänzt.

    Foto: Maxime Delvaux

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    1884 absolvierte das Lufschiff „La France“ am Hangar Y die erste vollständig gelenkte Fahrt eines Zeppelins.
    Historisches Bild

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    1884 absolvierte das Lufschiff „La France“ am Hangar Y die erste vollständig gelenkte Fahrt eines Zeppelins.

    Historisches Bild

Nicht nur, dass er über fast 150 Jahren vielerlei Funktionen Platz bot, er führte auch ein Vagabundendasein. Die Architekten von DATA und Lympia haben die Stahlrahmenhalle auf ihre alten Tage für eine Kunststiftung aufgearbeitet.
Bevor die Aerodynamik mit der Kombination aus Beschleunigung und Fläche das probate Mittel lieferte, Menschen über weite Strecken durch die Luft zu befördern, steckte einiges an Hoffnung in der Aerostatik: Leichte entfliehen schweren Gasen. Das entsprechende himmelwärts strebende Objekt war das Luftschiff, im Deutschen landläufig als Zeppelin bekannt. Ihren Anfang nahm die Luftschifffahrt in den 1880er Jahren, ihr Einsatz für zivile und militärische Zwecke florierte zwischen den Weltkriegen. Letztlich gewann der Flugzeugbau das Rennen; Luftschiffe sind heute höchstens noch effektvolle Werbeträger. Selbstverständlich aber finden sich noch ihre Relikte. Wie die Fußabdrücke von Dinosau­riern liegen die Orte, an denen die heißen Zäpfchen gebaut und gewartet wurden, unter Sedimenten der Jahre versteckt.
Szenenwechsel: Die Pariser Weltausstellung von 1878. Der Eiffelturm wird errichtet. Nebenan läuft eine Baustelle von Eiffels Lehrer Joseph-Louis Henri de Dion; Dion errichtet eine dreischiffige Maschinenhalle. Noch bevor die Halle fertiggestellt sein wird, stirbt er. Sein Name ist neben den Namen weiterer 71 verdienstvoller und ehrenwerter Männer auf den Fuß des Stahlturms graviert, der bald zum Signet von Paris schlechthin werden sollte. Es soll hier aber um Dions Halle gehen, denn anders als Eiffels Turm verblieb diese nach der Schau nicht auf dem Mars-Feld. Ihre Nieten wurden gelöst, und man verbrachte die Stahlstruktur nach Meudon, südöstlich der Stadt – zur Nutzung als Versuchshangar des Établissement Central de l’Aérostation Militaire, einer militärischen Versuchs- und Lehranstalt für Aerostaten. Da die Parzelle, auf der die Konstruktion wiedererrichtet wurde, den Buchstaben Y trug, sollte das Gebäude fortan Hangar Y heißen. Als Start- und Endpunkt des ersten vollends gelenkten und geglückten Flugs eines Luftschiffs, der „La France“, am 9. August 1884 ist der Hangar Y ein geschichtsträchtiger Ort, im Jahr 2000 erhielt er Denkmalschutzstatus.
Seit 1946 hat das französische Institut für Luft- und Raumfahrt, Office national d’études et de recherches aérospatiales, seinen Sitz in Meudon. In den 1920er Jahren fiel der Hangar jedoch aus der Funktion. Bis 1973 fungierte er als Luftfahrtmuseum. Danach wurden zwar verschiedene Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt, etwa in den Neunzigerjahren eine Reparatur des Fachwerks und 2009 eine Restaurierung der Metall-, Mauerwerks- und Verglasungselemente – Kosten: 4 Mio. Euro, Kostenträger: République française –, allein Visionen und Mittel zur langfristigen Bespielung fehlten. 2018 schließlich vergab das Kulturministerium das Nutzungsrecht für den Hangar nebst der angrenzenden, waldbestandenen Domäne und eines Wasserbeckens aus Zeiten der Noblesse – l‘étang de Chalais –, insgesamt etwa zehn Hektar, in Erbpacht auf 100 Jahre. Als einziger Interessent erhielt der privatwirtschaftlich agierende, auf architektonisches Erbe spezialisierte Immobilienentwickler Culture et Patrimoine den Zuschlag. 2020 fand sich die im Jahr zuvor gegründete Stiftung Art Explora des Tech-Unternehmers und Kunstmäzens Frédéric Jousset als Betreiberin des Projekts. Diese Allianz brachte zwanzig Millionen Euro zur Entwicklung des Hangar Y als Kultur- und Veranstaltungsort auf.
Laut Pachtvertrag sollten in der und mit der 70 Meter langen, 24 Meter breiten und mittig 26 Meter hohen Halle 1200 Quadratmeter Fläche für eine an die Luftschifffahrtsgeschichte erinnernde öffentlichen Nutzung und 3700 Quadratmeter als „interne“ Räume eingerichtet werden. Das Gelände sollte täglich und frei zugänglich sein. Tatsächlich kostet der Zugang zur Anlage 10 Euro. Informationstafeln zur Luftfahrtgeschichte des Ortes werden straßenseitig, also vor der Zugangskontrolle, auf Paneelen präsentiert.
Aufgrund des Denkmalschutzstatus war für die Sanierung des Bestands mit der Agence Lympia ein Architecte en Chef des Monuments Historiques betraut, ein speziell für Denkmalaufgaben zertifiziertes Architekturbüro. Dieses Planungsteam ergänzte das Büro DATA Archi­tectes für die durch die neue Funktion als Kulturstandort anfallenden Ein- und Umbauten. Der auffälligste Eingriff von DATA zeigt sich an der Vorderseite der Halle, die heute als Konzert- und Veranstaltungsort genutzt wird. Der hohe Mittelteil dieser Fassade ist vollverglast, mit zwei breiten Schiebetoren versehen und von einem großen kreisförmigen Segment dominiert, dessen unterer Teil sich als Teil einer zentralen Flügeltür öffnen lässt. Die Rahmenprofile sind nach außen so schmal wie nur möglich ausgeführt, um die funktionale Eleganz des Dion-Baus zu ho­fieren: Die Stahlrahmenkonstruktion ohne Zwischenbinder war bauzeitlich eine Neuheit. Sie schimmern durch die gläserne Ansicht. Das grafische Rund unterstütze, so erläutert es DATA-Partner Colin Reynier, die Gestaltung, das Sich-Gewahr-Werden der schieren Größe dieser Fläche. Bei der Auswahl der Gläser war das Team auf größtmögliche Transparenz bedacht – die Umsetzung erleichterte der Umstand, dass der Hallenraum keinerlei thermische Anforderungen zu erfüllen hat, das Glas lediglich Bruchsicherheit bieten muss. Selbst auf Brandschutzanforderungen konnte beim Umbau verzichtet werden. Sollte etwas im Inneren Feuer fangen, öffnete sich die Glasfront großzügig als Fluchtweg. Die ursprüngliche Idee, die Bruchstelle zwischen Glas und Rahmen noch durch poliert spiegelnde Wangen hervorzuheben, verlor sich im Prozess.
Konstruktiv ist die Fassade lediglich an zwei Punkten an der alten Struktur befestigt, um Windlasten abfangen zu können. Sie ankert und lagert ihr Gewicht jedoch hauptsächlich im Boden. Diese minimalistische konstruktive Ausformung beantwortet die Vorgaben des Denkmalschutzes, die Berührungen der Neubauteile und der Substanz weitgehend zu vermeiden. So sind auch alle weiteren Einbauten, die DATA zur Funktionsfähigkeit des Hangars im Rahmen von Musik- oder Theatervorstellungen bis hin zu Firmenfeiern ergänzte, reversibel ausgeführt; namentlich die Emporen in beiden Seitenschiffen der Halle, die Platz für Büros und Sanitäranlagen sowie Fläche für die vorgesehenen zwei Ausstellungen pro Jahr bieten. Auch der neue Boden ist auf einer Unterkonstruktion reversibel aufgebracht. Nach Großveranstaltungen kratzt ein Reinigungsteam die Kaugummis vom Estrich.
Für die Umgebung des Hangars, inklusive Café-Neubau mit gezacktem Dach, zeichneten DATA nicht verantwortlich – darauf weist Reynier beim Rundgang gesondert hin. Die Anlage der Do­mäne geht auf das Ende des 17. Jahrhunderts zurück: Der Landschaftsplaner Le Nôtre entwickelte sie als Teil der Gartenanlage für das Château de Meudon. Das Schloss selbst wurde 1795 während der Französischen Revolution und sein Nachfolgebau 1871 im deutsch-französischen Krieg zerstört. Auf den Überresten entstand vier Jahre später ein Observatorium. Von der aristokratischen Vergangenheit künden nun auf dem Gelände der Kunststiftung noch der sechseckige Chalais-Teich und eine in den Wald geschlagene, einst aufs Schloss ausgerichtete Schneise. Das Ufer des Bassins säumen Kunstwerke, da­runter eine aus Blechgeschirr zusammengesetzt Miniatur des Hangars.



Fakten
Architekten DATA Architectes, Paris
Adresse 9 Av. de Trivaux, 92190 Meudon, Frankreich


aus Bauwelt 24.2023
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