Heimatministerium in Nürnberg
Das ehemalige Staatsbankgebäude von Sep Ruf aus dem Jahr 1951 gehört zu den bedeutenden Zeugnissen der Nürnberger Nachkriegsmoderne. Nach seiner zweiten Sanierung wird das Denkmal seit 2014 vom bayerischen Heimatministerium genutzt.
Text: Stock, Wolfgang Jean, München
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Blick über den Lorenzer Platz auf die Südseite des Gebäudes, das zuvor Hauptsitz der VR-Bank Nürnberg war.
Foto: Stefan Meyer
Blick über den Lorenzer Platz auf die Südseite des Gebäudes, das zuvor Hauptsitz der VR-Bank Nürnberg war.
Foto: Stefan Meyer
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Aufnahme kurz nach Fertigstellung des Baus mit der Apsis der Lorenzkirche.
Foto: Stadtarchiv Nürnberg
Aufnahme kurz nach Fertigstellung des Baus mit der Apsis der Lorenzkirche.
Foto: Stadtarchiv Nürnberg
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Die Beleuchtung mit Leuchtstoffröhren ...
Foto: Stefan Meyer
Die Beleuchtung mit Leuchtstoffröhren ...
Foto: Stefan Meyer
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... und der Lichthof ähneln wieder ihrem Originalzustand.
Foto: Stefan Meyer
... und der Lichthof ähneln wieder ihrem Originalzustand.
Foto: Stefan Meyer
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Nur auf dem Boden der Halle ...
Foto: Stefan Meyer
Nur auf dem Boden der Halle ...
Foto: Stefan Meyer
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... überdeckt ein Teppich die teils beschädigten Steinplatten.
Foto: Stefan Meyer
... überdeckt ein Teppich die teils beschädigten Steinplatten.
Foto: Stefan Meyer
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Der große Konferenzraum im Obergeschoss mit neuen Holzlamellen öffnet den Blick auf die Lorenzkirche.
Foto: Stefan Meyer
Der große Konferenzraum im Obergeschoss mit neuen Holzlamellen öffnet den Blick auf die Lorenzkirche.
Foto: Stefan Meyer
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Die markanten, um die Rundstützen laufenden Leuchtröhren (rechts oben im Bild) hatte der Eigentümer vor Einzug der VR-Bank in Sicherheit gebracht.
Foto: Stefan Meyer
Die markanten, um die Rundstützen laufenden Leuchtröhren (rechts oben im Bild) hatte der Eigentümer vor Einzug der VR-Bank in Sicherheit gebracht.
Foto: Stefan Meyer
Nürnberg zählt in Deutschland zu den unterschätzten Städten. Auch hinsichtlich seiner Architektur unterliegt es bis heute Vorurteilen. Als Belastung wirken sich vor allem die nationalsozialistischen Monumentalbauten auf dem früheren Reichsparteitagsgelände aus. Weil dieses Erbe das Bild von der Stadt noch zu seinem Amtsantritt überwölbte, legte Klaus-Jürgen Sembach als Leiter des neu gegründeten Centrums Industriekultur 1981 eine Gegendarstellung vor. In seinem Buch „Architektur in Nürnberg 1900–1980“ dokumentierte er vom Jugendstil bis zur jüngsten Moderne eine überraschende Liste beispielhafter Bauten. Für die Zwischenkriegszeit waren es besonders Projekte von Otto Ernst Schweizer, für die Zeit nach 1945 die Bauten des Münchner Architekten Sep Ruf. Eine seiner großen Leistungen in Nürnberg ist die 1954 eröffnete Akademie der Bildenden Künste im Osten der Stadt – eine in Pavillons gegliederte Anlage, die von Irene Meissner, Autorin der maßgeblichen Monographie über Sep Ruf, als „ein Hauptwerk der deutschen Nachkriegsarchitektur“ klassifiziert wird. Derzeit wird die Akademie vom Berliner Architekten Winfried Brenne so originaltreu wie möglich saniert, „ohne bildhafte Veränderung“, wie er im Gespräch versichert.
Bereits saniert, und zwar zum zweiten Mal, ist Sep Rufs anderes Nürnberger Meisterwerk, das ehemalige Staatsbankgebäude am Lorenzer Platz. Dieses Gebäude hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Anfang 1945 wurden bei Luftangriffen rund 90 Prozent der Altstadt zerstört, darunter auch das neugotische Gebäude für die „Königliche Bank Nürnberg“ aus dem Jahr 1849. Erhalten blieben lediglich die beiden Untergeschosse, in denen die Bayerische Staatsbank nach dem Krieg ihren Notbetrieb aufnahm. Im März 1950 schrieb dann die Bank für ihren Neubau einen beschränkten Wettbewerb aus, bei dem zwei zweite Preise vergeben wurden: für die konträren Entwürfe von Paul Schmitthenner und Sep Ruf. Das Bankdirektorium entschied sich schließlich gegen den historisierenden Vorschlag von Schmitthenner und für die gemäßigte Moderne von Sep Ruf. Dessen Entwurf war vereinbarmit dem Nürnberger Aufbauplan von 1950, wonach man sich zwar an den alten Baulinien und Parzellen orientierte, aber Neubauten zuließ, sofern sie sich in Maßstab und Material der historischen Umgebung anpassten.
Im Rückblick erweist sich Rufs Gebäude mit seinen vier Flügeln um einen Innenhof als mutiges Zeichen im Wiederaufbau, weil es Tradition und Moderne auf elegante Weise vereint. Gegenüber der Apsis der gotischen Lorenzkirche liegt der gestreckte Bau mit dem flachen Walmdach und seiner nobel gegliederten, überwiegend verglasten Südfassade so ruhig wie selbstbewusst am Platz, während er von Norden her im Hang wie eine Bastion aufragt und den historischen Sockel zeigt. Markant wirkt die westliche Gebäudeecke, wo das Betonskelett mit Sandsteinplatten verkleidet und zum Platz hin der Haupteingang samt Balkon vor dem heutigen Ministerzimmer eingeschnitten ist.
Im Jahr 1993 verkaufte die Bayerische Vereinsbank, die Nachfolgerin der Staatsbank, das Gebäude an Helmut Schmelzer, einen Nürnberger Investor. Dieser ließ zwar die Fassaden denkmalgerecht sanieren, doch mit dem ersten Mieter, der VR-Bank Nürnberg, die dort bis 2013 ihren Hauptsitz hatte, wurde der Bau im Inneren stark verändert. Sein Herzstück, die 30 mal 40 Meter große Schalterhalle mit einer Lichtdecke, deren Glasdach-Konstruktion den Innenhof überspannt, wurde mit Möbeln und Geräten zugestellt. Noch gravierender waren die Eingriffe in den Obergeschossen, wo die Rundgänge um den Innenhof teilweise verbaut wurden. Die ursprüngliche Transparenz des Gebäudes mit Durch- und Ausblicken ging somit verloren.
Nach dem Auszug der VR-Bank drohte neues Ungemach. Es gab Überlegungen, das Gebäude mit Freizeiteinrichtungen zu belegen, etwa mit einem Schwimmbad im früheren Tresorgeschoss, berichtet Gerhard Wirth, Architekt der zweiten Sanierung. Deshalb sei es ein „Glücksfall“ gewesen, dass sich das bayerische Heimatministerium 2013 bei seiner Suche nach einem zweiten Dienstsitz in Nürnberg für das Bankgebäude entschieden habe. In Absprache mit dem Eigentümer Schmelzer, dessen Bewusstsein für Qualität der Architekt nachdrücklich lobt, hatte Gerhard Wirth bei der nunmehr umfassenden denkmalgerechten Sanierung drei Aufgaben: Rückbau der originalwidrigen Eingriffe, Umbau für die Zwecke des Ministeriums, technische Ertüchtigung.
Ein Hauptpunkt war die Rekonstruktion der Schalterhalle, die nun als Vortrags- und Ausstellungsraum dient. Dabei konnte der Originalzustand weitgehend erreicht werden – mit Ausnahme des Bodens, wo ein textiler Belag die schadhaften Steinplatten überdeckt. Durch die wieder unverstellten Glaswände ist die Raumwirkung so transparent wie ehedem. Erneuert wurde auch die ursprüngliche Beleuchtung an den 16 Rundstützen.
Dies war aber nur möglich, weil der Eigentümer die gebündelten Leuchtstoffröhren noch vor dem Einzug der VR-Bank gerettet hatte. Zusammen mit der erhaltenen alten Uhr und der sorgfältig detaillierten, von der Denkmalpflege geretteten „Ministertreppe“ im angrenzenden Foyer verkörpern sie den Charakter der frühen 1950er Jahre. Die technische Ertüchtigung der Halle (Klima, Medien) verbirgt sich im umlaufenden Deckenfries, der lediglich verbreitert wur-de. Ein neuer Eingriff war unvermeidlich: Aus Sicherheitsgründen musste am Eingang eine massiv verglaste Pforte hinzugefügt werden.
Eine glückliche Konstellation
Auch in den Obergeschossen wurde das Gebäude von den nachträglichen Einbauten befreit. Somit werden die dortigen Büros wieder durch die zum Innenhof hin verglasten Umgänge erschlossen. Ebenso zeigt sich in anderen Bereichen wie der offenen Treppe im nördlichen Trakt der respektvolle Einsatz von Gerhard Wirth und dem Innenarchitekten Udo Kloos.
Ein Erlebnis ist der mit einer neuen Lamellendecke ausgestattete Konferenzraum im obersten Geschoss, von dem aus der Blick über den Platz bis zur Lorenzkirche reicht (Seite 49). Kurzum: In Nürnberg gab es eine selten glückliche Konstellation – einen baukulturell engagierten Eigentümer, den bayerischen Staat als verständnisvollen Mieter und Architekten, die sich aus Hochachtung vor dem Denkmal zurückgenommen haben.
Noch ein Tipp: Wer vom Lorenzer Platz zurück zum Hauptbahnhof geht, kann zu beiden Seiten der Königstraße zwei jüngere Nürnberger „Kleinode“ bewundern, die bis 2008 von Brückner & Brückner umgestaltete Kirche St. Klara sowie die St. Marthakirche, die nach dem Brand von 2014 und einer interpretierenden Rekonstruktion von Florian Nagler im vergangen Jahr neu eingeweiht wurde (
Bauwelt 15.2019).
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