Kindertagesstätte in Lahr
Eine geschickte Nutzungsmischung, ein kompakter, hallenartiger Grundriss und eine ökologisch sinnvolle Holzkonstruktion: Mit ihrer „Kindertagesstätte+“ beschreitet die Stadt Lahr typologisches Neuland.
Text: Schönwetter, Christian, Stuttgart
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Die Kindertagesstätte am Mauerweg grenzt direkt an den neuen Bürgerpark, ...
Foto: Zooey Braun
Die Kindertagesstätte am Mauerweg grenzt direkt an den neuen Bürgerpark, ...
Foto: Zooey Braun
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... der für die baden-württembergische Landesgartenschau 2018 entlang der Bundesstraße 3 am westlichen Stadtrand von Lahr angelegt worden ist.
Foto: Zooey Braun
... der für die baden-württembergische Landesgartenschau 2018 entlang der Bundesstraße 3 am westlichen Stadtrand von Lahr angelegt worden ist.
Foto: Zooey Braun
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Eine breite Längsachse mit eingestellten Holzboxen gliedert den hallenartigen Grundriss und trennt Aufenthalts- und Funktionsräume
Foto: Zooey Braun
Eine breite Längsachse mit eingestellten Holzboxen gliedert den hallenartigen Grundriss und trennt Aufenthalts- und Funktionsräume
Foto: Zooey Braun
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Mit Ausnahme von zwei Querwänden, die Kindertagesstätte und Bürgertreff voneinander trennen ...
Foto: Zooey Braun
Mit Ausnahme von zwei Querwänden, die Kindertagesstätte und Bürgertreff voneinander trennen ...
Foto: Zooey Braun
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... und aus Brandschutzgründen betoniert wurden, ...
Foto: Zooey Braun
... und aus Brandschutzgründen betoniert wurden, ...
Foto: Zooey Braun
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... prägt Holz die Räume.
Foto: Zooey Braun
... prägt Holz die Räume.
Foto: Zooey Braun
Am Fuß des Südschwarzwalds liegt die kleine Stadt Lahr. Spätestens seit sie im vergangenen Jahr Schauplatz der baden-württembergischen Landesgartenschau war, lohnt sich für Architekten ein Besuch auch des westlichen Stadtrands. Eingebettet in einen neuen Park lassen sich dort in Sichtweite voneinander eine prägnante Radfahrerbrücke und eine Sport- und Mehrzweckhalle von Ackermann+Raff besichtigen – vor allem aber eine Kindertagesstätte von se\arch. Wer sich diesem Gebäude von Süden nähert, könnte es allerdings beinahe übersehen, da es sich als niedriger, eingeschossiger Baukörper an den nördlichen Rand des Parks duckt. Nur knapp überragt es das kräftig modellierte Gelände des Außenspielbereichs. Und mit seinem extensiv begrünten Dach aus flachen Segmentbögen wirkt es wie ein Stück gewellte Landschaft. Damit fügt es sich nicht nur dezent in den Park ein, sondern bietet auch den Bewohnern der nahegelegenen Hochhäuser einen angenehmen Draufblick.
Wer sich dagegen von der Straße im Norden auf die Kindertagesstätte zubewegt, erblickt einen ungewöhnlich langen Baukörper, der mit den Sport-, Schul- und Gewerbehallen der Umgebung korrespondiert. Hier wecken die aneinandergereihten Bogendächer und die vorgela-gerte überwölbte Kolonnade Assoziationen an eine Markthalle. Die überraschende Größe des Gebäudes resultiert aus der Nutzungsmischung; außer dem Kindergarten mit 90 Plätzen in fünf Gruppen ist im Inneren auch ein Bürgertreff untergebracht, ein teilbarer Saal samt Nebenräumen für öffentliche Veranstaltungen, Yogakurse und Ähnliches. Diese Kombination birgt gleich mehrere Vorteile: Sie belebt das Gebäude auch in den Abendstunden, wenn die Tagesstätte bereits geschlossen ist. Dass beide Einrichtungen sich das Foyer und – dank der häufig zeitversetzten Belegung – einen Bewegungsraum teilen, verbessert die Flächeneffizienz. Nicht zuletzt folgt die Nutzungskombination einer Empfehlung der Bundesstiftung Baukultur, Kindergärten und Schulen stärker zu öffnen und mit ihrem Stadtteil zu vernetzen. Da solche Bildungseinrichtungen Lärm und Verkehr erzeugen, sind sie in der Nachbarschaft nicht immer beliebt. Damit sie weniger als Störfaktor wahrgenommen werden, ist es sinnvoll, dass sie ein öffentliches, generationsübergreifendes Angebot unterbreiten, das dem Umfeld einen Nutzen bringt.
Das erweiterte Raumprogramm organisierten Stefanie und Stephan Eberding vom Stuttgarter Büro se\arch auf einem kompakten Rechteck von 70 mal 30 Metern. Alle Aufenthaltsräume orientieren sich nach Süden, während sich die Funktionsräume an der Nordseite aufreihen. Dazwischen liegt eine breite Verteilerzone mit eingestellten Holzboxen für Nebenräume wie Personaltoilette oder Lager. Diese zentrale, hallenartige Fläche bietet genau jenes Maß, das nötig ist, um sie über die reine Erschließungsfunktion hinaus vielseitig bespielen zu können; momentan haben die Erzieherinnen sie mit Tischen fürs Mittagessen eingerichtet.
Aufgelockert wird der außergewöhnlich tiefe Grundriss durch ein Atrium, das Tageslicht in die Gebäudemitte holt, unterstützt von einem länglichen Einschnitt, der zusätzlich einen Blickbezug zur Gartenfläche bietet. Durch ihn gelangen die Kinder bei schlechtem Wetter direkt vom Außenspielbereich zur zentralen Schmutzschleuse, an der sie ihre Gummistiefel verstauen können, ohne Sand und Matsch in die Gruppenräume zu tragen. Überhaupt spielen Übergänge im gesamten Haus eine wichtige Rolle. Zwischen Innen und Außen etwa vermittelt die Kolonnade an der Südseite, unter der die Kleinen bei Regen trocken und im Sommer sonnengeschützt spielen können, was einen möglichst langen Aufenthalt im Freien begünstigt. Zwischen der zentralen Halle und den Gruppenräumen liegt jeweils eine Nische, gleichsam als Vorzone. Wer von dort durch die Tür tritt, platzt nicht etwa direkt in den Raum, sondern gelangt zunächst in eine weite-re entreeartige Nische. Es sind solche Grundrissdetails, die differenzierte, vielfältige Raumeindrücke erzeugen. In der dritten Dimension wiederum führen die Tonnengewölbe mit ihren unterschiedlichen Breiten und Höhen zu einer lebendigen Gliederung. Auf subtile Weise geben sie mit bergender Geste jedem Raum eine Mitte. Ihre Bekleidung mit „Sauerkrautplatten“ dämpft das Gewirr der Kinderstimmen auf ein angenehmes Maß.
Atmosphärisch profitiert das Gebäude nicht nur von den Tonnendächern, sondern auch von seiner Konstruktion als Holzbau. Ab Oberkante Bodenplatte ist es nahezu komplett aus diesem Baustoff errichtet. Quadratische Holzpfeiler und Wände aus massivem Fichtenbrettsperrholz stützen eine Primärstruktur aus Bogenbindern, die wiederum eine Sekundärstruktur aus Holzsparren tragen. Wo die Binder größere Räume überspannen, nehmen vereinzelte Zugstäbe aus Stahl die Horizontalkräfte aus den Bogendächern auf. Eine vertikale Lattung aus heimischer Weißtanne bekleidet die Fassaden.
Lediglich die Wände von Foyer und Bewegungsraum, die die Nutzungseinheiten Kita und Bürgertreff voneinander trennen, wurden aus Brandschutzgründen betoniert. Konsequent stehen in diesen beiden Querachsen des Gebäudes auch bei der vorgelagerten Kolonnade Stützen aus Beton. Auf der Straßenseite betonen sie auf sehr dezente Weise den Eingang. Ansonsten aber prägt der nachwachsende Rohstoff Holz das Gebäude. Das Tragwerk lässt sich, wenn es einmal abgerissen wird, dank der lösbaren Verbindungen in seine Einzelteile zerlegen, die getrennt recycelt werden können. Damit die Holzwände dabei nicht auf der Sondermülldeponie enden, blieben ihre Oberflächen unbehandelt.
Im Vorfeld gab es noch Bedenken, ob solche Wände nicht zu empfindlich für ein öffentliches Gebäude seien, doch bei einer Besichtigung kann man sich davon überzeugen, dass sie auch nach einem Jahr im Gebrauch so gut wie keine Abnutzungsspuren zeigen. Offensichtlich gehen sowohl die Erzieherinnen und Kinder als auch die Besucher des Bürgertreffs pfleglich damit um. Und noch etwas zeigt sich beim Besuch vor Ort: Die Räume duften nicht – wie man bei den vielen offenporigen Fichte-Oberflächen erwarten würde – nach Holz, sondern es ist vor allem der Geruch des Bodens aus Linoleum, der in die Nase dringt.
Inzwischen bekommt das Gebäude sogar einen Nachfolger. Das Konzept des hallenartigen, mit Tonnendächern gegliederten Baukörpers erweist sich als erfolgreich, die Architekten haben damit einen weiteren Wettbewerb gewonnen und planen in Tübingen ein Bildungshaus für Kinder, dieses Mal zweigeschossig, wiederum auf quadratischem Grundriss.
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