Kö-Bogen II in Düsseldorf
Um was handelt es sich? Wird hier Kostbares oder Profanes in der schönen Jahreszeit mit grünen und in der nicht so schönen mit braunen Blättern kaschiert? Der Düsseldorfer Kö-Bogen II von Ingenhoven Architects mit Europas größter Grünfassade weckt viel Neugier.
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
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Das Ensemble mit dem KöBogen II. Rechts die Glasfassadezur Schadowstraße
Foto: ingenhoven architects/HG Esch
Das Ensemble mit dem KöBogen II. Rechts die Glasfassadezur Schadowstraße
Foto: ingenhoven architects/HG Esch
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Die Hainbuchenhecken verkleiden die geneigte Nord- und Westfassade sowie das ebenfalls geneigte Dach. Hinter den Fensterbändern verbergen sich Büros.
Foto: HG Esch
Die Hainbuchenhecken verkleiden die geneigte Nord- und Westfassade sowie das ebenfalls geneigte Dach. Hinter den Fensterbändern verbergen sich Büros.
Foto: HG Esch
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Die dichte Heckenbepflanzung reicht bis zur Brust. Für den Verschnitt kommt auf dem Dach ein speziel-
ler Häcksler zum Einsatz. Im Hintergrund die Johanneskirche.
Foto: HG Esch
Die dichte Heckenbepflanzung reicht bis zur Brust. Für den Verschnitt kommt auf dem Dach ein speziel-
ler Häcksler zum Einsatz. Im Hintergrund die Johanneskirche.
Foto: HG Esch
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Blick von Norden über das Schauspielhaus hinweg auf den Kö-Bogen II.
Foto: © ingenhoven architects/ HG Esch
Blick von Norden über das Schauspielhaus hinweg auf den Kö-Bogen II.
Foto: © ingenhoven architects/ HG Esch
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Fassade zur Schadowstraße mit LED-Werbeband. Die Gefäße mit den Hecken schieben sich über die Fassade.
Foto: Sebastian Redecke
Fassade zur Schadowstraße mit LED-Werbeband. Die Gefäße mit den Hecken schieben sich über die Fassade.
Foto: Sebastian Redecke
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Notausgang auf der Nordseite zum Gustaf-Gründgens-Platz.
Foto: Sebastian Redecke
Notausgang auf der Nordseite zum Gustaf-Gründgens-Platz.
Foto: Sebastian Redecke
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Auch auf dem leicht geneigten Dach wechseln sich Hecken und die Stege für die Gärtner ab. Das Dach ist nicht öffentlich zugänglich.
Foto: Sebastian Redecke
Auch auf dem leicht geneigten Dach wechseln sich Hecken und die Stege für die Gärtner ab. Das Dach ist nicht öffentlich zugänglich.
Foto: Sebastian Redecke
Kommt man von der Schadowstraße, der wichtigen Einkaufsmeile, zeigt sich der Bau zunächst von einer ganz anderen Seite: Er öffnet sich den Bummelnden mit einer gebäudehohen, sehr großzügigen Glasfassade. Sie ist, für eine gewisse Lockerheit sorgend, in unterschiedlichen Abständen mit vorgesetzten, verschieden langen Lamellen aus Streckmetall gegliedert. Passend zur City-Lage und dieser einladenden, 120 Meter langen und 27 Meter hohen Fassadenfront sind hier nebeneinander fünf Megashops von Bekleidungsketten sowie einer Deko- und Einrichtungskette eingezogen oder werden noch erwartet, die sich auf vier Geschossen ausbreiten. Allerdings ist die Glasfassade teilweise in den Obergeschossen für die Kunden nicht mehr erlebbar, da die Mieter Wände für ihre Waren bevorzugten. Architekt Christoph Ingenhoven hat zur Belebung und größeren Beachtung von der Straße aus eine weitere Zugabe sich ausgedacht. Oben an der Glasfassade ist auf ganzer Länge ein fünf Meter hohes LED-Werbeband installiert. Während meines Besuchs präsentierte sich dort das Düsseldorfer Schauspielhaus mit seinem Programm. Im Stadtrat wurde abgestimmt und entschieden, dass der Eigentümer hier nicht nur Werbespots vermarkten darf, sondern einige Stunden am Tag über das Kunst- und Kulturprogramm Düsseldorfs informiert. Mit dem Kö-Bogen II ist auf dieser Südseite ein dominant und glänzend hervortretender Geschäftsblock entstanden. Geht man einige Schritte die Schadowstraße weiter, sieht es anders aus. Dort steht Düsseldorfs Kaufhof-Warenhaus, das im September geschlossen wurde. Die Karstadt-Filiale nebenan wurde im letzten Moment gerettet.
Die Bepflanzung
Zurück zur Glasfassade des Neubaus: Schaut man von der Straße den Hals reckend über die Gebäudekante hinaus, ist eine weitere Besonderheit zu entdecken. In luftiger Höhe sind dicht nebeneinander kleine Enden von Balken zu erkennen, die sich schräg hervorschieben. Darüber ist eine Bepflanzung auszumachen, die einen Dachgarten vermuten lässt. Verlässt man die Shop-Eingangsseite des Gebäudes und orientiert sich entlang der Westseite auf einem neuen, breit angelegten Freibereich in Richtung der Baudenkmäler Dreischeibenhaus von 1960 und Schauspielhaus von 1970, zeigt sich ein komplett anderes Bild, das bereits vor Fertigstellung für größtes Aufsehen sorgte. Der Kö-Bogen II präsentiert sich hier als eine einheitliche, steil terrassierte „Fassade“ aus dicht an dicht gepflanzten, akkurat geschnittenen Hecken, die durch schmale Laufstege voneinander abgesetzt sind. Das Grün an der Dachkante entlang der Schadowstraße ist nun schnell erklärt, denn die Hecken mit ihren Bepflanzungsboxen setzen sich auf der gesamten, ebenfalls geneigten Dachfläche fort. Dort oben befinden sich trotz aller Begrünung auch die Klimaanlagen für die Shops. Eine in dieser Konsequenz erdachte riesige Verkleidung mit voluminösem Grün kennt man bisher in Europa nur von Stefano Boeris Mailänder „Bosco verticale“-Wohntürmen (
Bauwelt 21.2013).
Auf dem Weg entlang der Westfassade fällt als deutlich niedrigeres Pendant mit nur zehn Me-ter Höhe ein neuer dreieckiger Pavillon mit geneigtem Flachdach ins Auge, auf dem eine zurzeit gut gepflegt wirkende Rasenfläche verlegt wurde. Der Pavillon ist Teil des neuen städtebaulichen Ensembles, beherbergt Food-Ketten, dient aber vor allem als Eingang zu zwei Discountern im Untergeschoss. Am Ende der Westfassade öffnet sich vor einem der Gustaf-Gründgens-Platz. Man stellt nun staunend fest, dass die terrassierte Grünfassade auch entlang der gesamten Nordfassade zu diesem Platz fortgeführt wird. Die Gebäudeform mit ihren unterschiedlich abgeschrägten Fassaden und spitzem Winkel lässt sich vor allem hier vom Platz aus schwer fassen. Nicht ohne Grund ließ der Architekt jede Menge Luftfotos anfertigen, damit die Kubatur begreifbar wird. Der Blick vom Schauspielhaus auf das Gebäude, das sich als bewachsener, steil sich erhebender „Weinberg“ zeigt, lässt den Theaterbesucher rätseln. Auf den schmalen Stegen zwischen den Bändern der einheitlich 1,30 Meter hohen Hainbuchenhecken mit ihren Pflanzgefäßen können Gondeln in simplen Handbetrieb entlangfahren. Sie dienen den Gärtnern für die Pflege und den Beschnitt der insgesamt acht Kilometer langen Hecken. Der Einstieg in die Gondeln erfolgt über versteckt liegende Zugänge.
Weniger Wärme
Die Gesamtidee mit den Hainbuchenhecken ordnet sich ein in ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept, das bei jedem Bau des Architekten von Relevanz ist, wie zuletzt in Singapur (
Bauwelt 4.2018). Man erfährt, dass die Hecken das Mikroklima der Stadt verbessern werden: „Das Grün schirmt im Sommer die Sonnenstrahlen ab und reduziert den innerstädtischen Wärmeeffekt, bindet Kohlendioxid, speichert Feuchtigkeit, dämpft Lärm und fördert die Biodiversität“. Dabei soll der ökologische Nutzen der Hainbuchenhecken dem von 80 ausgewachsenen Laubbäumen entsprechen. Das Konzept hat der Architekt gemeinsam mit dem Botaniker Karl-Heinz Strauch entwickelt und es klingt sehr gut. Nüchtern lässt sich aber feststellen, dass das dichte Grün eigentlich nur möglich wurde, da sich im Gebäude die großen Shops befinden. Und die benötigen abgesehen vom sehr üppig ausgefallenen Entree an der Schadowstraße keine Öffnungen, nur die Tore für die Notausgänge, die an der Hecken-Nordfassade deutlich ins Auge fallen. So ist es nicht ganz falsch, hier von einer Rückseite der Shops zu sprechen.
Der Kö-Bogen II beherbergt noch eine weitere Nutzung. Über den Shops schiebt sich auf ganzer Fläche eine Bürozone zwischen die Hecken. So erklärt sich hier die Untergliederung der grünen Fassade durch Fensterbänder mit umlaufender Terrasse. Die Büros verfügen außerdem über zwei Innenhöfe um eine gute Belichtung zu erreichen. Es handelt sich somit um einen profanen Bau, der durch seine Form und vor allem durch die Hecken größte Aufmerksamkeit erlangt. Diese Aufmerksamkeit kann Libeskinds Kö-Bogen I nebenan von 2014 mit seinen geschwungenen Fassaden und den schrägen „Cuts“ mit ein wenig Grün nicht mehr erreichen. Dort ist aber Düsseldorf schicker: mit Sansibar, Porsche Design und Apple-Store.
Vis-à-vis vom Schauspielhaus steht nun im Rahmen der Stadterneuerung nach dem Abriss der Hochstraße „Tausendfüßler“ vor sieben Jahren dieser weitere Neubau, der mit seinen 35.000 Quadratmetern Handel, Büros und Gastronomie allein dem Kommerz gewidmet ist, aber mit seiner neutralen grünen Kleidung Geheimnisse zu verbergen scheint. Die Bemühungen, eine gewisse Verzahnung von Geschäft und Kultur hinzubekommen, also das Schauspielhaus nicht mehr als ein isoliert in zweiter Reihe stehenden Kulturbau zu begreifen, sondern ihn einzubinden in ein Ganzes ist positiv zu sehen und wurde auch vom Intendanten sehr unterstützt. Weiter nördlich breitet sich ein wunderbarer Ort mit Stadtgrün aus: Der Hofgarten, durchzogen von der Düssel als Kanal. Nicht ohne Grund öffnete sich das Schauspielhaus früher vor allem in diese Richtung. Ingenhovens Neubau bietet nun ein grünes Pendant auf der Stadtseite. Große Interpretationen der Entwurfsidee gibt es nicht. Für ihn sind die begrünten Flächen der Land Art entlehnt und lassen den Kö-Bogen II „in einer bewussten Unbestimmtheit zwischen Stadt und Park changieren“.
Acht Kilometer Hainbuchenhecke – Konstruktion und Wartung
Die Pflanzen sollten heimisch sein, nicht giftig und leicht zu pflegen, widerstandsfähig gegen Schädlinge, Wind und nicht in die Fassadenkonstruktion eindringen. Die Betrachtung all dieser Faktoren schloss vieles aus – Buchsbaum weil anfällig für Schädlinge, Ilex und Kirschlorbeer weil giftig, Wein, Hortensie und Feldahorn weil nicht laubhaltend. Carpinus betulus, die Hainbuche, erfüllte alle Anforderungen. Sie leuchtet im Frühjahr in frischem Hellgrün, in kräftigem Dunkelgrün im Sommer, goldbraun im Herbst. Im Winter sind die Pflanzen laubhaltend, jedoch nicht immergrün.
Seit 2016 wurden die Hainbuchen in einer Baumschule gezüchtet – 35.000 Pflanzen, die aneinandergereiht eine Hecke von acht Kilometern Länge ergeben. Als die Pflanzen im Spätherbst 2019 die Baustelle erreichten, waren sie bereits 1,30 Meter hoch und verfügten über ein vollständig ausgebildetes Wurzelwerk. Auf dem Dach gedeihen sie „konventionell“ in Pflanzenbeeten. An der Nord- und Westfassade wachsen sie in Behältern, den sogenannten Primärgefäßen, in denen sie bereits in der Baumschule vorkultiviert wurden. Diese Gefäße wurden in Tragbehälter eingesetzt, die horizontal an einer Konstruktion vor der Fassade befestigt sind. Die insgesamt 520 Tragbehälter sind, abgesehen von Sondergrößen, jeweils vier Meter lang, 0,55 Meter hoch, 0,49 Meter tief. Alle Förderleitungen zur Be- und Entwässerung wurden in die Tragkonstruktion integriert. Da Eingriffe in ihren Wasserhaushalt die größte Gefahr für Pflanzen im urbanen Umfeld bedeuten, wurde ein detailliertes Be- und Entwässerungskonzept entwickelt. Grundsätzlich werden die Hecken mit Regenwasser bewässert. Über dem Gefäßboden befindet sich eine Anstauschicht für einen Wasservorrat, sodass überschüssiges Regenwasser bei Starkregen abgeführt wird. Nur für die Phasen während der Vegetationsperiode der Pflanzen, in denen das Regenwasser nicht ausreicht, wurde eine Zusatzbewässerung installiert. Da die einzelnen Segmente der Fassade Umwelteinflüssen wie Sonne und Wind unterschiedlich stark ausgesetzt sind, wurde die Tropfbewässerung in unabhängige Sektoren eingeteilt. Sensoren messen den Feuchtezustand des mineralischen Substrats. Wassermenge und Bewässerungsintervall werden so permanent den Bedürfnissen der Hainbuchen angepasst. Nährstoffe werden mittels wasserlöslichem Mineralstoffdünger über das Bewässerungssystem zugeführt. Damit stehen den Pflanzen immer genau die Nährstoffe zur Verfügung, die sie zur Entwicklung des Laubes benötigen.
Das Monitoring des Begrünungssystems in den kommenden zwei Jahren ist essenziell, um detaillierte Daten für Betrieb und Wartung der Fassade zu gewinnen. Über in die Fassade integrierte Laufstege sind alle Pflanzen erreichbar. Geschnitten werden die Hecken drei Mal im Jahr per Hand mit akkubetriebenen Schnittmaschinen. Die Gärtner stehen dabei in Metallkörben, die an der Fassade befestigt auf Schienen fahren und manuell bewegt werden. Bewusst hat man sich hier für diese Lowtech-Lösung entschieden. Die abgeschnittenen Pflanzenteile rutschen die Dachschräge hinunter bzw. werden mittels Gebläse nach unten gefegt und anschließend eingesammelt. Auf dem Dach wurde zusätzlich ein Häcksler für den Heckenverschnitt installiert.
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