Metropolenhaus in Berlin
Mit Projekträumen im Erdgeschoss stellen Benita Braun-Feldweg und Matthias Muffert als Architekten, Entwickler und Bauherren die Stadtgesellschaft in den Fokus. Ihr Haus am Ex-Blumengroßmarkt gibt der Sozialpflichtigkeit von Eigentum einen innovativen Impuls.
Text: Kasiske, Michael, Berlin
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Die Straßenfassade nimmt die alte Parzellenstruktur der Markgrafenstraße auf; ...
Foto: Rainer Gollmer
Die Straßenfassade nimmt die alte Parzellenstruktur der Markgrafenstraße auf; ...
Foto: Rainer Gollmer
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... der Gebäuderiegel am Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz ist somit quasi ein Seitenflügel.
Foto: Rainer Gollmer
... der Gebäuderiegel am Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz ist somit quasi ein Seitenflügel.
Foto: Rainer Gollmer
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Erste Veranstaltung in den Projekträumen im Juli 2017: „Kreuzberg klingt“, ein Kooperationsprojekt mit der Kurt-Schumacher-Grundschule
Foto: Diego Vasquez
Erste Veranstaltung in den Projekträumen im Juli 2017: „Kreuzberg klingt“, ein Kooperationsprojekt mit der Kurt-Schumacher-Grundschule
Foto: Diego Vasquez
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Die „Parzellen“ an der Markgrafenstraße ziehen sich als Gestaltungsmotiv in Form von Bändern durch Haus und Hof.
Foto: Rainer Gollmer
Die „Parzellen“ an der Markgrafenstraße ziehen sich als Gestaltungsmotiv in Form von Bändern durch Haus und Hof.
Foto: Rainer Gollmer
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Die Erdgeschossnutzung wird von den Eigentümern in unterschiedlicher Höhe kofinanziert. So tragen die Eigentümer der Gewerbeeinheiten im 1. Stock zwölf Prozent, die der Maisonettewohnungen im 5. und 6. Stock 38 Prozent der Kosten.
Foto: Rainer Gollmer
Die Erdgeschossnutzung wird von den Eigentümern in unterschiedlicher Höhe kofinanziert. So tragen die Eigentümer der Gewerbeeinheiten im 1. Stock zwölf Prozent, die der Maisonettewohnungen im 5. und 6. Stock 38 Prozent der Kosten.
Foto: Rainer Gollmer
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So tragen die Eigentümer der Gewerbeeinheiten im 1. Stock zwölf Prozent, ...
Foto: Rainer Gollmer
So tragen die Eigentümer der Gewerbeeinheiten im 1. Stock zwölf Prozent, ...
Foto: Rainer Gollmer
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... die der Maisonettewohnungen im 5. und 6. Stock 38 Prozent der Kosten.
Foto: Rainer Gollmer
... die der Maisonettewohnungen im 5. und 6. Stock 38 Prozent der Kosten.
Foto: Rainer Gollmer
Bei unserem Treffen am Haus kommen wir schnell auf die kopflose Liegenschaftspolitik des Berliner Senats zu sprechen. Aktuell versucht der Kreuzberger Stadtbaurat einzelne Mietshäuser wieder in städtischen Besitz zu bringen – nachdem zuvor ganze landeseigene Wohnungsbaugesellschaften verschleudert wurden. Eine solche habe etwa das Nachbargrundstück während einer B-Plan-Änderung verkauft, berichtet Benita Braun-Feldweg, der Käufer habe es ein paar Jahre später wieder veräußert, für mehr als das Achtfache dessen, was er bezahlt hatte.
Wie Wohnhäuser auf solchen Grundstücken gestaltet und welche Preise für sie aufgerufen werden, das ist Teil der Misere in Berlin, gegen die Benita Braun-Feldweg und Michael Muffert mit ihrem Büro bfstudio antreten. Eine Chance bot das Konzeptverfahren auf dem Areal des Blumengroßmarkts, bei dem sie sich 2011 bewarben. Selbst in der Nachbarschaft wohnend, erkannten sie das Potential dieses „Nicht-Ortes“, der, zwischen schroffen Hochhäusern der 70er Jahre und den lieblichen Blöcken der IBA 84/87 gelegen, allein durch das Jüdische Museum im barocken Kollegienhaus samt Libeskind-Anbau und dessen Einrichtungen in der ehemaligen Markthalle aufgewertet wird.
Die Architekten schreckte nicht die nahe „Parallelwelt“ am Mehringplatz – 67 Prozent der Bewohner haben einen Migrationshintergrund, von denen wiederum 80 Prozent von Hartz IV leben, 75 der berlinweit 440 Intensivtäter sind dort ansässig. Vielmehr lässt Braun-Feldweg den Eindruck entstehen, gerade das sei Ansporn gewesen, durch eine attraktive Nutzung des Erdgeschosses der Umgebung etwas für die ausgezeichnete Lage zurückzugeben, querfinanziert von den Eigentümern des Hauses.
Die externe Unterstützung von Erdgeschossnutzungen haben die Architekten bei der Sanierung der Gartenstadt Atlantic im Wedding erprobt. Dort hatte ein Einkaufszentrum ein Absterben des Einzelhandels bewirkt. Mithilfe einer Stiftung und Sponsoren gelang es, anstelle der Geschäf-te kulturelle und sozialmedizinische Einrichtungen temporär anzusiedeln, von denen sich einige inzwischen verstetigt haben.
Vierzig Prozent des Erdgeschosses im „Metropolenhaus“ sind solchen Projekten vorbehalten. Ein „kuratorisches Gewerbe-Management“ befindet über die Nutzung dieser „Möglichkeitsräume“, deren Mietzins sechs Euro pro Quadratmeter im Jahresschnitt nicht überschreiten soll. Die Berechnung, welche Wohnetage wie viel querfinanziert, betrachtet Braun-Feldweg als Teil der stadtgestaltenden Aufgabe von Architekten.
Die formale Gestaltung des Hauses lässt sich schlüssig erläutern: Gemäß B-Plan entwickelte bfstudio die Markgrafenstraße als Häuserfront, hinter der sich schmale Bänder wie Parzellen tief in den Block hineinziehen. Dementsprechend sind die Straßenfassaden massiv und mit Balkonen bestückt, ein Segment springt als „Erker“ hervor. Die lange Zeile entlang des Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platzes ist in diesen Ansatz gleichsam ein Seitenflügel, der vom öffentlichen Raum aus, wie es Braun-Feldweg ausdrückt, „Einblick in die Anatomie des Gebäudes erlaubt.“ Der Kontrast zwischen den beiden Fassaden verhindert, dass man den Platz gegenüber dem Kollegienhaus fälschlicherweise als eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts liest.
Die Eigentümer der 37 Wohn-, vier Wohnen-und-Arbeiten- sowie zehn Gewerbe-Einheiten wurden von den Architekten, die auch als Projektentwickler und Bauherren agierten, sorgsam ausgewählt. Für zwei Läden in der Markgrafenstraße gewannen sie einen Barbier und einen Vintage-Handel, nach dem geeigneten Betreiber für ein orientalisches Restaurant am Platz suchen sie noch. Zum Teil gelten die Nutzungsbindungen für die nächsten 15 Jahre – Bedingungen, die gemäß Vereinbarung mit den Eigentümern nur mit einer Zweidrittel-Mehrheit verändert werden können. Der Dialog, in den das Metropolenhaus mit seiner Umgebung tritt, soll auch im Inneren etabliert werden.
Meine unlängst verstorbene Diplom-Mutter Margarete Winkes forderte an der Hochschule stets den Mut zum Experiment. Im Fall seines Gelingens entstünden nämlich daraus praktische Parameter, im besten Fall Bewegungen wie Genossenschaften oder gar Gesetze wie die Städtebauförderung. Im wohnungspolitisch aufgewühlten Berlin wünscht man dem Ansatz, den Braun-Feldweg und Muffert mit dem Metropolenhaus aufzeigen, weitere Anwendung.
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