Bauwelt

Museum der Bayerischen Geschichte, Regensburg


In Regensburg ist ein Museum entstanden, das sich mit Leidenschaft und Selbstironie dem Werden und Wesen der Bayern widmet. Die Architektur des Gebäudes bleibt dagegen angenehm sachlich.


Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main


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    Das Museum prägt heute die Regensburger Südseite der Donau.
    Foto: Frank Blümler

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    Das Museum prägt heute die Regensburger Südseite der Donau.

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    Südseite mit gläsernem Eingang
    Foto: Frank Blümler

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    Südseite mit gläsernem Eingang

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    Im Foyer werden die Besucher von einer Löwen­figur mit Bierkrug begrüßt. Der vier Meter große Löwe wachte früher über das Oktoberfest.
    Foto: Frank Blümler

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    Im Foyer werden die Besucher von einer Löwen­figur mit Bierkrug begrüßt. Der vier Meter große Löwe wachte früher über das Oktoberfest.

    Foto: Frank Blümler

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    Das Foyer soll mit Verbindungen zwischen Altstadt, der Donau und dem Donaumarkt vor der Bavariathek auch als städtischer Durchgangsraum fungieren. An dieser Stelle befand sich bis in die Nachkriegszeit der Hunnenplatz.
    Foto: Frank Blümler

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    Das Foyer soll mit Verbindungen zwischen Altstadt, der Donau und dem Donaumarkt vor der Bavariathek auch als städtischer Durchgangsraum fungieren. An dieser Stelle befand sich bis in die Nachkriegszeit der Hunnenplatz.

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    Was ist Bayern: Schloss Neuschwanstein, Fußballerfolge, Räterepublik?
    Foto: Frank Blümler

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    Was ist Bayern: Schloss Neuschwanstein, Fußballerfolge, Räterepublik?

    Foto: Frank Blümler

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    Einen virtu­ellen Trip durch die Bayerische Vorgeschichte bietet das 360-Grad-Panorama.
    Foto: Frank Blümler

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    Einen virtu­ellen Trip durch die Bayerische Vorgeschichte bietet das 360-Grad-Panorama.

    Foto: Frank Blümler

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    Rustikal: Das Museums­café, das wie ein begehbares Ausstellungsstück wirkt, heißt „Wirtshaus“, der Museumsshop „Laden“.
    Foto: Frank Blümler

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    Rustikal: Das Museums­café, das wie ein begehbares Ausstellungsstück wirkt, heißt „Wirtshaus“, der Museumsshop „Laden“.

    Foto: Frank Blümler

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    Im Süden schließt der Mu­seumsbau den Blockrand. Die auf dem Grundstück einst stehenden Häuser fielen Straßenplanungen der 1960er Jahre zum Opfer.
    Foto: Frank Blümler

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    Im Süden schließt der Mu­seumsbau den Blockrand. Die auf dem Grundstück einst stehenden Häuser fielen Straßenplanungen der 1960er Jahre zum Opfer.

    Foto: Frank Blümler

Stefan Traxler ist Partner des Architekturbüros Wörner Traxler Richter (WTR) mit Hauptsitz in Frankfurt, Planverantwortlicher des Museums der Bayerischen Geschichte in Regensburg – und Fußballliebhaber. Die Stimmung während der Eröffnung des Gebäudes Anfang Juni beschreibt er wie folgt: „Das ist wie im Stadion. Du sitzt im Fanblock der Heimmannschaft und musst mitschreien, weil du dich gar nicht entziehen kannst.“ Diese Atmosphäre war nicht nur für den Eröffnungsakt charakteristisch, sie ist es auch für das Gebäude – vor allem für die Dauerausstellung. Auf den ersten Blick bietet das Museum Informationen zur bayerischen Geschich­te der vergangenen 200 Jahre. Auf den zweiten Blick zeigt sich eine die Sinne überwältigende Inszenierung des freistaatlichen Sonderwegs einst und jetzt. „Eine Liebeserklärung von Bayern an Bayern“, sagte Ministerpräsident Markus Söder beim Festakt. Wobei Richard Loibl, von der Süddeutschen Zeitung zum „Historicus Bavariae“ geadelter Museumsdirektor, sein Haus als „eines der modernsten Museen in Europa“ preist, inklusive Passivhaus-Standard und Heiz-/Kühlversorgung über einen vorbeilaufenden Abwasserkanal per Wärmetauscher.
Horst Seehofer bekundete 2008 seinen Willen, ein solches Haus zu bauen – um weißblaue „Identität“ zu stärken. Als Standort zog Regensburg, das mit einem prominenten Bauplatz an der Donau in Altstadtnähe punkten konnte, das große Los. 2013 wurde ein mehrstufiger Wettbewerb ausgelobt (Bauwelt 21.2013). Die Idee von WTR Architekten war, keine sich selbst inszenierende, sondern eine der Stadt als auch den vielen Ausstellungsfunktionen dienende Gebäude­skulptur zu bauen. Die Jury beeindruckte der auf dem historischen Stadtgrundriss basierende Vorschlag, verschwundene Gassen und den hier früher befindlichen Hunnenplatz im Inneren des Gebäudes abzubilden – und kürte den Entwurf mit dem ersten Preis. Nach fünf Jahren Bauzeit kann sich das Ergebnis sehen lassen. Das Aufgreifen der alten Stadtstruktur im Gebäudegrundriss und in der Dachlandschaft bringt dem Haus jene Seriosität, die die barock-üppige Aufbereitung des Inhalts häufig vergessen lässt.
Das Haus, das sich merkwürdig ambivalent präsentiert und von jeder neuen Perspektive ein anderes Erscheinungsbild bietet, besteht aus zwei Baukörpern. Einer umfasst das Museum mit rund 5100 Quadratmetern Nutzfläche, darunter 2500 Quadratmeter Dauerausstellung, Sonder- und Veranstaltungsflächen, ein „Wirtshaus“ genanntes Café, ein „Laden“ genannter Museumsshop und einen Panorama-Raum, in dem der Schauspieler Christoph Süß auf einer 360-Grad-Leinwand die Vorgeschichte Bayerns bis zur Erhebung zum Königreich 1806 darbietet. Den zweiten Baukörper bildet in unmittelbarer Nachbarschaft die „Bavariathek“, deren Fertigstellung Anfang 2020 zu erwarten ist. Konzipiert als Forschungs- und Ausbildungszentrum, beherbergt sie zudem eine Mediathek und die Museumsverwaltung. Gemäß ihrer Bedeutung stehen beide Volumina auf der Donauseite frei. Besonders die Museumsskulptur präsentiert sich in ihrer vollen Breite, macht freilich einen geduckten Eindruck, den der Rücksprung des Eingangs noch betont. Auf der Südseite hingegen schließen die Baukörper jeweils den Blockrand. Lücken in diesem Bereich waren durch Kriegszerstörungen und Abbrüche für eine vierspurige, dann aber doch nicht gebaute Donaubrücke entstanden. Die Neubauten antworten auf die Bestandsbauten mit Vor- und Rücksprüngen, mit Überständen und Schrägen sowie der gefalteten Dachlandschaft.
Städtebaulich kann man beide Baukörper als Stadtreparatur auffassen. Einen deutlichen Kon­trast zum Umfeld dagegen bildet die aus keramischen Reliefplatten und Stäben bestehende Fassade des Museums. Das verwendete Material ist Ergebnis von insgesamt drei Fassadenworkshops, an denen u.a. Josef Meier-Scupin als Vorsitzender der Wettbewerbsjury, Volker Staab als damaliges Mitglied des Regensburger Gestaltungsbeirats und Vertreter der Stadt teilgenommen hatten. Das Graubeige der Fassade entspricht dem Farbton jener Mauern, die vis-à-vis der Südwestecke des Museums stehen und Überreste des ehemaligen Römerlagers Castra Regina sind. Allerdings, räumt Traxler ein, war anfangs mehr Struktur und Lebendigkeit der Keramikoberfläche vorgesehen, in der Umsetzung wurde dies vereinfacht. Weil Relief und Stäbe nicht gleichmäßig, sondern leicht rhythmisiert vorgehängt wurden, changiert die weitgehend geschlossene Museumsfassade immerhin ein wenig. Dafür vermittelt die Bavariathek zur Umgebung: Ihr Erscheinungsbild ist von Putzträgerplatten bestimmt, auf denen hellgrauer Putz horizontal im Pinselstrichverfahren aufgebracht wurde. In die breiten Fensterlaibungen eingesetzte Alu-Bleche erinnern an jene Faschen, die in der Regensburger Altstadt verbreitet sind.
Auch die Innenfassade des haushohen Foyers ist so gestaltet. In Nachbildung des früheren Hunnenplatzes als öffentlicher Raum gedacht, soll es mit Laden, Wirtschaft und Panoramaraum Passanten zur Besuch der Dauerausstellung animieren. Für den Terrazzoboden wurde Auerkalk aus dem nahen Kehlheim verwendet. Krönte einst ein Brunnen den Hunnenplatz, so steht an dieser Stelle nun eine übermannshohe Löwenfigur, die früher die Gäste des Münchner Oktoberfestes begrüßte. Ob die Regensburger das Foyer wirklich als öffentlichen Durchgangsraum zwischen Donau und Altstadt benutzen werden, wird sich zeigen.
Die spiegelnde Fassade des Foyers auf der Altstadtseite und die relativ niedrigen Türen erwecken nicht den Eindruck einer Transitzone. Eine Rolltreppe bringt den Besucher zur Dauerausstellung ins Obergeschoss. Eben noch an einem Zitat eines französischen Spions, Bayern sei „ein irdisches Paradies, aber regiert von Idioten“, vorbeigleitend, wird der Besucher in eine in sich geschlossene bajuwarische Welt gezogen, in der es scheinbar kein Entrinnen gibt. Ein weiß-blau­er Historientaumel, der erst ganz am Ende mit dem acht mal zehn Meter großen „Domfenster“ den Blick auf die Welt wieder zulässt – vermeintlich. Denn was zu sehen ist, sind besagte Mauerreste, Dom und die UNESCO-Welterbe geschützte Altstadt, also die römisch-katholischen Anfänge. Dieses Domfenster, dessen Rückwand mit allerlei Neonschriften verziert ist, die schon von Fer­ne leuchten, ist bereits heute zum Signum des Museums geworden.

Könige, Bauerntheater, Strauß

Bemerkenswert ist das Wechselspiel zwischen dem Gebäude und dem Aufbau der Ausstellung. Die Büros HG Merz, Berlin, und jangled nerves, Stuttgart, arrangierten nach allen Regeln der Bühnen- und Medienkunst rund 2000 Objekte zu einem Geschichtserlebnis-Parcours. Die im Museum nachempfundenen zwei Jahrhunderte werden in acht Generationen unterteilt, die jeweils eine „Hauptbühne“ und eine Vertiefungsebene mit weiteren Vitrinen erhalten. Die Vitrinen werden zu aus weiß eingefärbten Schichtstoff-Platten gefertigten Boxen zusammengefasst. Rund 100 Materialien und Oberflächen wurden verwendet, um für jedes Exponat ein angemessenes Passepartout zu generieren: So sind etwa die klassischen Herrscherportraits der vier bayerischen Könige in purpurnem Samt gebettet. Auf einer „Brettlbühne“ wird die Theaterkulisse der Schlierseer Bauerntheaters gezeigt, wie es auf der Weltausstellung 1893 in Chicago aufgetreten ist. Pastellfarben kommen zum Einsatz, um den Eiswagen eines italienischen „Gastarbeiters“ in den 1950er Jahren zu präsentieren. Eine weitere Bühne zeigt eine Büste des legendären CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß inklusive Fernseh­reden und Partei-Logo. Die Bühne gegenüber präsentiert vor einer abstrahierten Wald-Foto­tapete die Transparente jener Demonstranten, die gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf, eines von Strauß’ Lieblingsprojekten, protestierten. Unter der Überschrift „Samma mia no mia?“ („Sind wir noch wir?“) haben auf der letzten Bühne ihren großen Auftritt: eine riesige Schneekugel mit dem Schloss Neuschwanstein, Fotos von Oktoberfest-Festzelten und elf Trikots des FC Bayern, die wie die dazugehörigen elf Lederhosen an dünnen Fäden baumeln. Ob man mit Klischees spielt oder ihnen aufsitzt, das bleibt, ganz kalkuliert, stets in der Schwebe. Mit einer Ausnahme: Das Kapitel „Bayern im Nationalsozialismus“ kommt sachlich-dokumentarisch, ohne Spots, ohne Inszenierung und großes Drama daher. Und: Man platzierte diese Box so, dass ein Auslassen dieses Themas durch Umgehen nur sehr schwer möglich ist.

Selbstbeweihräucherung

Die Architektur hält sich in all dieser bajuwarischen Selbstbeweihräucherung angenehm zurück. Das Obergeschoss bietet einen stützenfreien, großen Raum, der mit einer kontinuier­lichen Lichtstärke von 50 Lux nur schwach beleuchtet und bis auf zwei Ausnahmen fenster­los ist. Seine lichte Höhe beträgt zwischen drei und knapp neun Metern, wobei dunkelgraue Akustikbaffeln an der Decke das Licht der Ausstellungsspots nur wenig reflektieren.
Der Kontrast zwischen heller Ausstellung und dunklem Raum birgt ein überraschendes Ergebnis: In der fußnotenbefreiten Ausstellung sind Hinweise auf eine Distanz zum Erzählten, die in seriöser Historiografie dringend geboten ist, kaum zu entdecken. Allein der Ausstellungsraum bietet mit seiner Weite eine Chance, Abstand zum Dargebotenen zu bekommen. So bekommt das anfangs erwähnte „Dienende“ im Entwurf der Architekten eine weitere Konnotation: Dienend nicht nur der Stadt und der Ausstellung, sondern auch den Besuchern mit der Möglichkeit, etwas Raum für eigene Gedanken, für eigenes Verstehen zu gewinnen. Sicher, kein anderes Bundesland dieser Republik würde sich ein solches begehbares Denkmal der Selbstbe­soffenheit errichten. Allerdings bedurfte es der, wenn auch subtilen Korrektur durch – Frankfurter – Architekten.



Fakten
Architekten wörner traxler richter planungsgesellschaft mbh, Frankfurt am Main/Dresden/ München
Adresse Donaumarkt 1, 93047 Regensburg


aus Bauwelt 16.2019
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