Sauerland-Museum in Arnsberg
Die Erweiterung drohte am Gestein zu scheitern. Bez + Kock Architekten mussten eine fertige Ausführungsplanung ad acta legen und neu anfangen, bei gleichbleibendem Budget. Das Ergebnis ist ein scharfkantiger Solitär unterhalb vom alten Palais.
Text: Kasiske, Michael, Berlin
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Das „Museums- und Kulturforum Südwestfalen“ in Arnsberg ist mit Gauinger Travertin verkleidet.
Foto: Brigida González
Das „Museums- und Kulturforum Südwestfalen“ in Arnsberg ist mit Gauinger Travertin verkleidet.
Foto: Brigida González
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Der weitgehend geschlossene Erweiterungsbau treppt sich zur Ruhrstraße in drei Stufen ab.
Foto: Brigida González
Der weitgehend geschlossene Erweiterungsbau treppt sich zur Ruhrstraße in drei Stufen ab.
Foto: Brigida González
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Zugang ins Palais Landsberger Hof von 1605, dem Altbau des Sauerland-Museums. Von dieser Seite verrät nichts den bedeutenden Neubau.
Foto: Brigida González
Zugang ins Palais Landsberger Hof von 1605, dem Altbau des Sauerland-Museums. Von dieser Seite verrät nichts den bedeutenden Neubau.
Foto: Brigida González
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Das Luftbild zeigt die Lage des Museums nahe der Altstadt. Rechts die Zufahrt in den Altstadttunnel.
Luftfoto: Hans Blossey/Alamy Stock Foto
Das Luftbild zeigt die Lage des Museums nahe der Altstadt. Rechts die Zufahrt in den Altstadttunnel
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Luftfoto: Hans Blossey/Alamy Stock Foto
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Eingangsfoyer mit Shop ...
Foto: Brigida González
Eingangsfoyer mit Shop ...
Foto: Brigida González
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... und die Treppe im Altbau.
Foto: Brigida González
... und die Treppe im Altbau.
Foto: Brigida González
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Der Weg zum Übergang per Brücke in den tiefer liegenden Erweiterungsbau.
Foto: Brigida González
Der Weg zum Übergang per Brücke in den tiefer liegenden Erweiterungsbau.
Foto: Brigida González
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Der Brückenbaukörper schiebt sich nach Osten über den Hang. Vom alten Palais bis zur untersten Ebene des Neubaus ist eine Höhendifferenz von 20 m.
Foto: Brigida González
Der Brückenbaukörper schiebt sich nach Osten über den Hang. Vom alten Palais bis zur untersten Ebene des Neubaus ist eine Höhendifferenz von 20 m.
Foto: Brigida González
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Drei Fenster mit Ausblick ins Ruhrtal markieren die Brücke. Die Verkleidungen der Fensterlaibungen nehmen Bezug auf die Sandsteingewände des Altbaus.
Foto: Brigida González
Drei Fenster mit Ausblick ins Ruhrtal markieren die Brücke. Die Verkleidungen der Fensterlaibungen nehmen Bezug auf die Sandsteingewände des Altbaus.
Foto: Brigida González
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Der Weg vom Altbau ...
Foto: Brigida González
Der Weg vom Altbau ...
Foto: Brigida González
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... endet an einem Panoramafenster.
Foto: Brigida González
... endet an einem Panoramafenster.
Foto: Brigida González
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Der Besucher geht dann in einer großzügigen Treppenhalle hinunter in die zwei Ebenen für Wechselausstellungen.
Foto: Brigida González
Der Besucher geht dann in einer großzügigen Treppenhalle hinunter in die zwei Ebenen für Wechselausstellungen.
Foto: Brigida González
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Die vorgefertigten Plattenbalken der Säle wurden aus Kostengründen gewählt. Sie können eine Spannweite von 20 m überbrücken.
Foto: Brigida González
Die vorgefertigten Plattenbalken der Säle wurden aus Kostengründen gewählt. Sie können eine Spannweite von 20 m überbrücken.
Foto: Brigida González
Als das Taxi vom Bahnhof zum Museum in die Ruhrstraße einbiegt, murmelt der Fahrer. „Das futuristische Gebäude ist gewöhnungsbedürftig.“ Später beschwert sich der Hotelier, dass keine „Premium-Architektur“ in die Stadt geholt wurde, die ein Touristenmagnet zu sein verspräche. Der „Bilbao-Effekt“ fürs Sauerland? Doch unabhängig von diesen zwei Arnsbergern übertraf die Realität wohl alle individuellen Wünsche, wie ich beim Rundgang mit dem Architekten Martin Bez erfahre.
Doch von vorne: 2012 wurde im Rahmen der Regionale ein Wettbewerb zur Erweiterung des bestehenden Museums zu einem modernen Bildungsstandort ausgelobt, „der das Bewusstsein für die Region Südwestfalen“ stärken sollte. Ausgangspunkt bildete der Landsberger Hof, ein barockes Palais, das ein bayrischer Kurfürst 1605 für seine Mätresse an der Kante des Felsrückens von Arnsberg hoch über der Ruhr errichten ließ. In die Jahre gekommen und durch abgehängte Decken jeglichen historischen Charmes beraubt, musste das weit in den Landschaftsraum wirkende Haus neu strukturiert werden. Um den Bezug zur Altstadt zu wahren, war das Beibehalten des Haupteingangs vorgegeben; demzufolge musste der Altbau das Eingangsfoyer mit dem unvermeidbaren Museumsshop sowie weiterhin die Dauerausstellung über die Region aufnehmen.
Im Wettbewerbsentwurf hatte Bez + Kock rund drei Viertel der Baumasse für die Erweiterung unterhalb des Landsberger Hofs in den Felsen eingeschoben, so dass sie unmittelbar vom Altbau erschlossen werden konnte. Äußerlich zeigten sich die Wechselausstellungsräume sehr dezent als drei in den steilen Hang eingeschobene, terrassierte Kuben, die durch eine Verkleidung mit heimischer Grauwacke geradezu wie ein Teil des Gesteins gewirkt hätten.
Offensichtlich waren die verantwortlichen Beteiligten vor Ort von der äußerlich minimal invasiv erscheinenden Intervention so geblendet, dass sie die Problematik des inhomogenen Untergrunds verdrängten, über den schon beim Bau des Altstadttunnels ein Vierteljahrhundert zuvor heiß diskutiert worden war. Denn vorhandene „Klüfte“, das sind Trennflächen zwischen den Gesteinsschichten, können den Hang ins Rutschen bringen. Für die Baugrube wurden dann auch nur drei Angebote abgegeben, deren Höhe aufgrund der „Angstzuschläge“, wie Martin Bez lakonisch bemerkt, mehr als die Hälfte des gesamten Budgets verschlungen hätte. Der Hochsauerlandkreis als Bauherr zog notgedrungen die Bremse und bat die Architekten um einen neuen Entwurf – mit der durchaus pikanten Bitte, innerhalb des ursprünglich gesetzten Kostenrahmens zu bleiben.
Diesem Ansinnen, das ist Bez anzumerken, konnte nur nach einem tiefen Einatmen entsprochen werden. Die fertige Ausführungsplanung – und damit zwei Jahre Arbeit – wurde beiseite gelegt und die Möglichkeiten erörtert, wie die Erweiterung möglichst ohne große Eingriffe in das Gestein gestaltet werden könnte. Das Ergebnis legt nahe, die Architekten hätten nun ihren eigenen Fels kreiert, indem sie die terrassierten Räume aus dem Untergrund herauszogen und um neunzig Grad drehten. Diese bildliche Interpretation soll jedoch nicht verhehlen, dass die Organisation und vor allem der Anschluss an den Bestandsbau neu konzipiert werden mussten.
Die Selbstverständlichkeit, mit der zuvor nach unten in die Ausstellungsräume abgetaucht werden sollte, konnte mit dem separat stehenden Neubau nicht mehr realisiert werden. Denn der Höhenunterschied zwischen dem Eingangsgeschoss und dem Niveau an der Ruhrstraße beträgt rund zwanzig Meter, oder anders gesagt: Der Besucher muss vom Eingang des Altbaus in das vierte Untergeschoss geleitet werden.
Um die Silhouette des Landsberger Hofs und die „englische Promenade“ entlang der Stadtbefestigung nicht zu beeinträchtigen, führt eine Brücke vom Gewölbekeller in das Ausstellungsgebäude, die durch drei große Fensteröffnungen einen Ausblick in die Weite des Ruhrtals bietet. Bedauerlicherweise ist der Weg vom Eingangsfoyer zur Brücke nur über zwei versteckt liegende Treppenräume möglich, ein angemessener Abgang, der in der historischen Treppenhalle hätte sein sollen, fiel dem engen finanziellen Korsett zum Opfer.
Der neue Baukörper gewinnt seine skulptura-le Kraft zum einen aus den nur durch schräggestellte Fensteröffnungen unterbrochenen Wänden, zum anderen aus dem unregelmäßigen Fußabdruck, der aus der Überlagerung der Fluchtlinien der Straße und des Landsberger Hofs entwickelt wurde; aus dem Reduzieren der Raumgrößen nach oben ergibt sich die Staffelung in der Vertikalen. Das Haus ist, das war wohl mit dem „futuristisch“ des Taxifahrers gemeint, nicht „lesbar“, zumal es auch über keinen Eingang verfügt.
Lediglich im dritten Untergeschoss kann der auch für Veranstaltungen nutzbare Ausstellungsraum an der Längsseite vollständig zur vorgelagerten Plattform, die übrigens schon von Jugendlichen als Treffpunkt auserkoren wurde, geöffnet werden. Die Terrassierung setzt sich auf der anderen Seite der Ruhrstraße in der landschaftlichen Gestaltung des Ufers an der Ruhr fort, das sich im vergangenen Sommer bereits als Badestelle etabliert hat.
Zur Erschließung des Neubaus bedurfte es einer ausgeklügelten Wegeführung. Diese gelingt durch lange, einläufige Treppen innerhalb eines luftigen, über alle Geschosse offenen Raums. Dadurch behält der Besucher stets die Orientierung, auch wenn nicht, wie bei der Eröffnungsausstellung „August Macke ganz nahe“, alle Säle bespielt werden; die im Übrigen – was erstaunlich für ein Regionalmuseum ist – den hohen klimatischen Ansprüchen von Kunstexponaten genügen.
Um die Kosten zu senken verwendeten die Architekten für die Ausstellungsräume so genannten π-Platten. Die vorgefertigten Plattenbalken, die üblicherweise im Industriebau verwendet werden, haben aufgrund der Vorfertigung eine sehr gute Oberflächengestalt und können rund 20 Meter Spannweite ohne Stützen überbrücken. Davon ist äußerlich nichts sichtbar, auch nicht der dauerhafte, rückverankerte Verbau, der vor der eigentlichen Gebäudewand liegt und zur regelmäßigen Kontrolle der Hangbewegungen begehbar ist.
Die Wahl der homogenen Verblendung aus gestocktem Gauinger Travertin mit einer Stärke von elf Zentimetern anstelle von Grauwacke ist laut Bez dem solitären Baukörper geschuldet. Die Verkleidungen der Fensterlaibungen aus farbigen Blech nehmen Bezug auf die Sandsteingewände des Landsberger Hofs. Das Ziel von dessen denkmalgerechter Sanierung war die Atmosphäre eines Altbaus wieder spürbar werden zu lassen, was die Architekten mit handwerklich zu verarbeiteten Materialien wie Lehmputz für die Wände, Eichenparkett im Obergeschoss und weißem Travertin im Erdgeschoss erreichten.
Am Ende des Rundgangs stehen wir auf dem gepflasterten Vorhof, der sich zum Alten Markt öffnet. Bez erläutert, wie die Oberfläche des Vorhofs gestalterisch dezent in Falten gelegt wurde, um die unterschiedlich nivellierten Eingänge der angrenzenden Gebäude barrierefrei erschließen zu können. Ende der Geschichte zum Bau, dieich anderentags dem Hotelier beim Frühstück erzähle. Ihm dämmert, dass es wohl keinem der üblichen Stararchitekten gelungen wäre, im zweiten Anlauf ein Bauwerk zu schaffen, das im bewussten Gegensatz zum ursprünglichen Entwurf über eine solch starke Präsenz verfügt.
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