Bauwelt

Skanderbeg-Platz in Tirana


Der Skanderbeg-Platz war unter Hoxhas Regime ein Paradeplatz, in den neun­ziger Jahren chaotischer Kreisverkehr. Seit der Umgestaltung durch 51N4E ist er ein Lieblingsort der Albaner.


Text: Heinich, Nadin, München


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    Was auf den ersten Blick wie lange Schatten auf dem pastellfarbenden Mosaik aussieht und den Platz schimmern lässt, ...
    Foto: Filip Dujardin

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    Was auf den ersten Blick wie lange Schatten auf dem pastellfarbenden Mosaik aussieht und den Platz schimmern lässt, ...

    Foto: Filip Dujardin

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    ... ist ein Wasserfilm.
    Foto: Filip Dujardin

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    ... ist ein Wasserfilm.

    Foto: Filip Dujardin

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    2018 wurde der Platz mit dem „European Prize for Urban Public Space“ ausgezeichnet (Bauwelt 16.2018).
    Foto: Jonas König

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    2018 wurde der Platz mit dem „European Prize for Urban Public Space“ ausgezeichnet (Bauwelt 16.2018).

    Foto: Jonas König

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    Blick auf den Kulturpalast.
    Foto: Filip Dujardin

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    Blick auf den Kulturpalast.

    Foto: Filip Dujardin

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    Insgesamt gibt es 1500 Sitzmöbel auf dem Platz, 250 davon sind frei beweglich.
    Foto: Blerta Kambo

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    Insgesamt gibt es 1500 Sitzmöbel auf dem Platz, 250 davon sind frei beweglich.

    Foto: Blerta Kambo

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    Der Skanderbeg-Platz im Oktober 1988 ...
    Foto: Wikipedia/Peter; Bashkia Tiranë

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    Der Skanderbeg-Platz im Oktober 1988 ...

    Foto: Wikipedia/Peter; Bashkia Tiranë

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    ... und kurz vor dem Beginn der Umbauarbeiten 2010.
    Foto: Wikipedia/Peter; Bashkia Tiranë

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    ... und kurz vor dem Beginn der Umbauarbeiten 2010.

    Foto: Wikipedia/Peter; Bashkia Tiranë

Kein anderer Ort reflektiert die Geschichte Albaniens in so vielen Facetten wie der Skanderbeg-Platz. Umgeben von Ministerien, dem Rathaus, der Oper und Nationalbibliothek, der Nationalbank, dem Nationalhistorischen Museum, und mit dem Denkmal des Nationalhelden Skanderbeg bildet er wirtschaftlich, kulturell und politisch das Zentrum der Hauptstadt und des Landes. Seine Entstehung wie auch die letzte Umgestaltung spiegeln die herrschenden politischen Machtverhältnisse, ihre Fortschreibungen und Brüche.
In seiner jetzigen Form wurde er von den belgischen Architekten 51N4E gestaltet und 2017 eröffnet. Das Zentrum des knapp 100.000 Quadratmeter großen Platzes bildet eine freie Fläche von 168 x 146 Metern in Form einer riesigen, flachen Pyramide. Gepflastert ist sie mit rund 130.000 Steinen – dreißig verschiedene Minerale aus ganz Albanien: Bilisht, Korça, Lezha oder Kukës. Sie sind analog zu den Maßen der Pyramide jeweils 40 x 45 Zentimeter groß. Beim Überqueren des Platzes spürt man die sanfte Steigung von drei Prozent, 1,75 Meter insgesamt. So erzeugt der höchste Punkt der Pyramide eine subtile Veränderung der Perspektive: Man steht auf Augenhöhe mit den monumentalen Fassaden von Oper und Nationalmuseum.
Der Platz schimmert, denn mehr als hundert Wasserspiele durchziehen ihn: Fontänen, aus denen Wasser sprudelt, zahlreiche Fugen, aus denen langsam Wasser rinnt und einen leichten Film über den Steinen bildet. In einem Kreislaufsystem wird das Wasser aufgefangen und wiederverwendet. Und noch etwas fällt auf: Neben fest montierten Sitzgelegenheiten sind 250 frei bewegliche Stühle über den Platz verteilt. Mit 80 Zentimetern sind sie zu breit für eine Person. Zwei Personen sitzen hingegen recht eng beieinander. Dieses Spiel aus Nähe und Distanz ist von den Architekten beabsichtigt.
Um die Pyramide herum gruppiert sich eine reiche Bepflanzung. Insgesamt zwölf verschiedene Gärten gehören zum Skanderbeg-Platz, wie der „Botanische Garten“, der das Nationalmuseum umschließt, der „Garten der Bücher“ neben der Nationalbibliothek oder der „Tropische Garten“. Alle Pflanzen, die Eichen, Platanen, Linden, die Sträucher und Stauden, stammen aus Albaniens reicher Vegetation, konnten jedoch nicht über lokale Baumschulen bezogen, sondern mussten aus Deutschland, Italien, Belgien und Frankreich importiert werden.
2008, als der internationale Wettbewerb zur Umgestaltung des Platzes ausgelobt wurde, war der Skanderbeg-Platz vor allem ein großer, zugiger und stark befahrener Kreisverkehr – das Gegenteil einer repräsentativen, einladenden Stadtmitte.
Seit den 1990er Jahren war die Stadt rasant und unkontrolliert gewachsen. 51N4E wollten einen offenen Raum mitten in der chaotischen Stadt schaffen – für Menschen statt Autos. Offen genug, um die zahlreichen repräsentativen Gebäude, die die wechselhafte Geschichte des Landes verkörpern, einzubeziehen und doch subtil mit ihrer Monumentalität zu brechen.
Vielleicht kann man die Grundform der Pyramide als Anspielung auf die andere Pyramide lesen, die sich keine 500 Meter entfernt befindet: das monumentale Museum für Diktator Enver Hoxha, das für die Fortführung des Personenkults gebaut wurde und nun eine Ruine ist.

Umbaumaßnahmen als Politikum

Angelegt wurde der Platz während der italienischen Besatzung 1939. Der Kulturpalast mit großer Freitreppe, Oper und Nationalbibliothek an der Ostseite, waren 1959 ein Geschenk von Chruschtschow. Das Nationalhistorische Museum von 1981 an der Nordseite des Platzes, dessen Mosaik „Shqiptarët“ (deutsch: die Albaner) den Freiheitskampf der Albaner von der Antike bis zur Moderne darstellt, ist eines der wenigen repräsentativen, öffentlichen Gebäude der 1980er Jahre. Ein großer Teil der Baukapazität Albaniens wurde da bereits für die Verbunkerisierung des Landes verwendet.
Als Edi Rama von der Sozialistischen Partei (PS) im Jahr 2000 zum Bürgermeister Tiranas gewählt wurde, ließ er viele der grauen, zum Teil verfallenen Gebäude in der ganzen Stadt anmalen. Farbe wurde zur „soft power“ und Mittel der Stadterneuerung; die Müllentsorgung und das städtische Grün wurde neu organisiert. Als eine der ersten großen öffentlichen Baumaßnahmen sollte der Skanderbeg-Platz das neue Herz der Stadt werden. Nachdem 51N4E den Wettbewerb gewonnen hatten, wurde 2010 mit den Bauarbeiten begonnen. 2011 verlor Rama die Bürgermeisterwahl, und sein Nachfolger Lulzim Basha von der Demokratischen Partei stoppte das Projekt umgehend, begrub es im Wort- und im übertragenen Sinne. Der Platz wurde wieder ein riesiger Kreisverkehr, mit dem Skanderbeg-Denkmal in der Mitte. Die Kehrtwende folgte fünf Jahre und eine Wahl später. Erion Veliaj (PS) wurde Bürgermeister, und 51N4E wurden erneut beauftragt.
Heute ist der Skanderbeg-Platz das neue alte Zentrum Tiranas. Während lauer Abendstunden herrscht bis nachts dichtes Treiben. Die lange Planungs- und Bauzeit wirkt auch auf anderer Ebene fort. So stießen 51N4E während der Recherche nach den lokalen Gesteinsmaterialien auf Archive aus kommunistischer Zeit – ein Schatz, der über Jahrzehnte verschollen war und nun wieder zugänglich ist.



Fakten
Architekten 51N4E, Brüssel
Adresse 8RH9+2F Tirana, Albanien


aus Bauwelt 3.2019
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