Kapelle in Tirschenreuth
Hommage an die Landschaft der Zisterzienser: Brückner & Brückner Architekten errichteten an der Waldnaab mit Hilfe zahlreicher Spender eine Wegkapelle aus Holz und Beton.
Text: Jäger, Frank Peter, Berlin
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Die Umgebung gibt die Materialität des Baukörpers vor: Von Beton, versetzt mit im Boden vorkommendem Kaolinsand, entwickelt sie sich vertikal zu Fichtenholz.
Foto: Marie Luisa Jünger
Die Umgebung gibt die Materialität des Baukörpers vor: Von Beton, versetzt mit im Boden vorkommendem Kaolinsand, entwickelt sie sich vertikal zu Fichtenholz.
Foto: Marie Luisa Jünger
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Von West nach Ost liegen Waldnaabkapelle, Heusterzbrücke und Himmelsleiter in der „Tirschenreuther Teichpfanne“, einem der größten und ältesten Teichkomplexe Deutschlands.
Foto: Marie Luisa Jünger
Von West nach Ost liegen Waldnaabkapelle, Heusterzbrücke und Himmelsleiter in der „Tirschenreuther Teichpfanne“, einem der größten und ältesten Teichkomplexe Deutschlands.
Foto: Marie Luisa Jünger
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Am Waldrand unverbaute Weitsicht, schrumpft das Blickfeld nach Betreten der Kapelle.
Foto: Marie Luisa Jünger
Am Waldrand unverbaute Weitsicht, schrumpft das Blickfeld nach Betreten der Kapelle.
Foto: Marie Luisa Jünger
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Durch einen Glaseinsatz im Dach fällt Licht von außen ein.
Foto: Marie Luisa Jünger
Durch einen Glaseinsatz im Dach fällt Licht von außen ein.
Foto: Marie Luisa Jünger
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Aus dem Betonsockel schieben sich Nischen und Sitzbänke hervor, während die abgetreppten Holzbalken dem Raum von oben seine Form geben.
Foto: Marie Luisa Jünger
Aus dem Betonsockel schieben sich Nischen und Sitzbänke hervor, während die abgetreppten Holzbalken dem Raum von oben seine Form geben.
Foto: Marie Luisa Jünger
Die Entstehungsgeschichte dieses Projekts beginnt mit den Zisterziensern. Deren Kloster Waldsassen wurde um 1133 durch den Markgrafen Diepold III. von Vohburg mit Mönchen aus dem thüringischen Volkenroda gegründet. Sie kolonisierten das kaum besiedelte Land. Es dauerte nicht lange, bis das Kloster prosperierte. Die kargen Böden ließen jedoch kaum Landwirtschaft zu; so verlegte man sich auf Fischzucht. In schweißtreibender Spatenarbeit entstanden über die Zeit hunderte von Fischteichen in den Auen der Waldnaab. So prägend war die Rolle der Mönche, dass dieser Teil der Oberpfalz bis heute Stiftland heißt.
Seit Kindesbeinen mit der Gegend vertraut, knüpften die Architekten Peter und Christian Brückner mit ihrer Waldnaabkapelle an diese Verschwisterung von Sakralem, Ökonomie und Kulturlandschaft in zeitgenössischer Form an. Das korrespondiert mit dem 1999 initiierten Bundesnaturschutz-Großprojekt „Waldnaabaue“ zur Wahrung dieser von Wasser und lichtem Wald geprägten Auenlandschaft bei gleichzeitig verbesserter Zugänglichkeit des Naturraums für Erholungssuchende. Um Biotopschutz, Belange der Fischzüchter und touristische Interessen unter einen Hut zu bringen, war eine angemessene Wegeführung essenziell. Als Rad- und Wanderroute bot sich die stillgelegte frühere Bahntrasse nach Tirschenreuth an, die mitten durch die Teichlandschaft führt. Längs der Trasse schlugen Brückner & Brückner Architekten im Auftrag des Landkreises 2010 eine Brücke über die Waldnaab. 2012 folgte die „Himmelsleiter“, ein pyramidenförmig getreppter, stählerner Aussichtspunkt, der die Weitläufigkeit der Teichlandschaft ehrfahrbar macht.
So war es – aufgrund religiöser Prägung der Landschaft wie auch der Erbauer – folgerichtig, diese zwei Elemente durch ein drittes zu ergänzen: die Kapelle. Peter Brückner verschlagwortete diesen architektonischen Dreiklang später mit „Aufstieg – Übergang – Einkehr“. Der örtliche Rotary-Club übernahm die Rolle des Bauherrn und Koordinators. Man lancierte Spendenaufrufe, und im Laufe von knapp drei Jahren kamen 170.000 der benötigten 270.000 Euro zusammen – Unternehmen spendeten, ebenso wie zahlreiche Privatpersonen, von 50 bis 25.000 Euro. 100.000 Euro flossen aus dem Leader-Förderprogramm der ländlichen Wirtschaft der EU und des Lands Bayern.
Architektur der Einkehr
Die Architekten entwarfen einen hoch aufragenden Baukörper auf rechteckigem Grundriss. Der Faktor drei definiert die Kubatur – 3 Meter breit, 6 Meter lang und 9 Meter hoch. Auch die Erscheinung des Baus bestimmen drei Elemente: Holz, Beton und das Wasser, in dem er steht. Oberhalb des Ortbeton-Sockels besteht der Baukörper aus 325 vertikal montierten Fichtenbalken mit Kantenmaß 25 x 25 Zentimetern. In den elegant abstrahierten, zweigeteilten Körper ist der Eingang von außen eingeschnitten.
Miteinander verschraubte Holzbalken bestimmen nicht nur die Außenhülle, sondern auch die ausdrucksvolle vertikale Raumstaffelung über Eingang und Innenraum der Kapelle: Gruppen unterschiedlich langer Balken bilden, von den Randbalken getragen, als massiver Körper den Negativraum des Inneren. Nur knapp unterm Dach und oberhalb des Eingangs ist aus dem Holz Platz für die Glocke ausgespart. Je nach Zahlungskraft ist den Spendern ein langer oder ein kürzerer Balken gewidmet. An der Ostecke des Gebäudes reicht der Betonsockel etwas höher, wodurch er die Stirnseite des Innenraums fasst. Eine Wandkonsole dient als bescheidener Altar, erhellt von einem Oberlicht. Eine dünne Aluminiumbeschichtung auf dem Balken verstärkt hier das vom Dach einfallende Licht. Mit einem Fuß im Wasser stehend, wird die Kapelle mit Wald und Boden ganz nebenbei Schnittpunkt für die Elemente der Landschaft. Der Baugrund , aus dem die Kapelle zu wachsen scheint, enthält das in der Gegend abgebaute Kaolin. Auch „Porzellanerde“ genannt, sorgt es dafür, dass das Wasser in den Teichen nicht versickert. Dem Zement für die Kapelle ist Kaolinsand beigemischt, wodurch der Beton seine helle, weißlich schimmernde Textur gewann.
Der entstandene Raum für Andacht oder auch ganz individuelle Spiritualität ist konfessions- und bekenntnisübergreifend gedacht. Brückner & Brückner, souverän auf dem Feld einer regional verwurzelten handwerklichen Moderne, verwirklichten in der Waldnaabaue einen Ort der Einkehr. Expressiv-abstrakt nach außen, kreiert der kleine Sakralraum Innen eine Atmosphäre des Schutzes; wohnlich, zugleich fast feierlich.
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