Bauwelt

Wohnen am Gleisdreieck, Berlin

Neubauten, wie sie am Berliner Park am Gleisdreieck entstanden sind, lassen sich vielerorts finden. Auch durch ihr Erscheinungsbild sehen sich Kritiker der aktuellen Wohnungspolitik bestätigt. Welche Geschichten verbergen sich hinter den Zäunen und Fassaden?

Text: Crone, Benedikt, Berlin

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    Hof der Bebauung „Flottwell Living“, Groth Gruppe: Blick von der Flottwellstraße Richtung Park am Gleisdreieck
    Foto: Florian Thein

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    Hof der Bebauung „Flottwell Living“, Groth Gruppe: Blick von der Flottwellstraße Richtung Park am Gleisdreieck

    Foto: Florian Thein

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    „Flottwell Living“, Groth Gruppe, von der Parkseite
    Foto: Florian Thein

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    „Flottwell Living“, Groth Gruppe, von der Parkseite

    Foto: Florian Thein

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    Verkaufsraum mit Modell der im Bau befindlichen Gebäude „Wohnpanorama“ von Arin Burda Architekten
    Foto: Florian Thein

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    Verkaufsraum mit Modell der im Bau befindlichen Gebäude „Wohnpanorama“ von Arin Burda Architekten

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    „Am Lokdepot“, UTB Projektentwicklung, Robert Neun Architekten
    Foto: Florian Thein

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    „Am Lokdepot“, UTB Projektentwicklung, Robert Neun Architekten

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    „Gleis Park“, ehemals Renzo-Piano-Parkhaus, Umbau zu einem Wohnriegel durch KSP Jürgen Engel, Bauwens
    Foto: Florian Thein

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    „Gleis Park“, ehemals Renzo-Piano-Parkhaus, Umbau zu einem Wohnriegel durch KSP Jürgen Engel, Bauwens

    Foto: Florian Thein

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    „Neu Schöneberg“ in der Bautzener Straße, CollignonArchitektur, Semer/Schroeder Immobilien
    Foto: Florian Thein

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    „Neu Schöneberg“ in der Bautzener Straße, CollignonArchitektur, Semer/Schroeder Immobilien

    Foto: Florian Thein

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    „Möckernkiez“ zur Parkseite, Genossenschaft Möckernkiez
    Foto: Florian Thein

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    „Möckernkiez“ zur Parkseite, Genossenschaft Möckernkiez

    Foto: Florian Thein

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    Die Bebauung entlang der Yorkstraße von Baumschlager Eberle Berlin
    Foto: Florian Thein

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    Die Bebauung entlang der Yorkstraße von Baumschlager Eberle Berlin

    Foto: Florian Thein

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    Wohnhäuser von roedig.schop architekten im "Möckernkiez"
    Foto: Stefan J. Müller

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    Wohnhäuser von roedig.schop architekten im "Möckernkiez"

    Foto: Stefan J. Müller

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    Der westliche Teil des Innenhofs
    Foto: Florian Thein

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    Der westliche Teil des Innenhofs

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    Zwei der geplanten Hochhäuser des Projekts „Urbane Mitte“, Copro Gruppe
    Bild: O&O Baukunst/Urbane Mitte Entwicklungs GmbH

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    Zwei der geplanten Hochhäuser des Projekts „Urbane Mitte“, Copro Gruppe

    Bild: O&O Baukunst/Urbane Mitte Entwicklungs GmbH

Wohnen am Gleisdreieck, Berlin

Neubauten, wie sie am Berliner Park am Gleisdreieck entstanden sind, lassen sich vielerorts finden. Auch durch ihr Erscheinungsbild sehen sich Kritiker der aktuellen Wohnungspolitik bestätigt. Welche Geschichten verbergen sich hinter den Zäunen und Fassaden?

Text: Crone, Benedikt, Berlin

Spätestens wenn die Sonne scheint, wird es an einer Stelle immer eng. Bei der Kreuzung der Wege vom West- und Ostteil des Parks treffen sie alle aufeinander: die mit Helm und Knieschonern gerüsteten Grundschulkinder bei ihrem ersten Rollversuch auf Inlinern, Downjacken-Pärchen aus dem Schöneberger Osten, die ihren Mops eng an der Leine führen, und die Pots­damer-Platz-Angestellten, die mit ihrer Ledertasche auf dem Gepäckträger hastig tretend in den Feierband radeln.
Der Park am Gleisdreieck ist ein Bilderbuchpark des neuen Berliner Milieus. Ein Flächenmosaik aus kontrolliert verwilderten Ecken, alten Kleingärten und durchdesignten Stadtmöbeln. Gelungen, beliebt, gefeiert – keine Frage. Doch seit der Fertigstellung zieht an den Parkrändern etwas auf, das einen Schatten auf die viel gelobte Grünfläche wirft. „Flottwell Living“ oder „Wohnpanorama“ heißen die Projekte, die stellvertretend für viele Wohnungsneubauten in Deutschlands Städten stehen könnten: steril, teuer, monofunktional. Retroklassizistische Wohnanlagen, getüncht in den Farben Türkis bis Aprikose. Der Kunde ist König und der Kunde will: Garage, Balkon, beste Ausstattung, den Park vor der Tür, gesichert hinter Mauer und Hecke. Gibt es aber nicht auch in Lagen wie dieser eine gute Alternative zum überteuerten Wohnungsbau?
Einmalige Lage, einmalige Chance
Die Geschichte des Parks am Gleisdreieck fing vielversprechend an. Eine Bahnbrache wurde durch die städtische Grün Berlin GmbH und die Landschaftsarchitekten des Ateliers Loidl ab 2008 umgewandelt, ohne den Charakter der zugewachsenen Gleisanlagen vollständig zu überschreiben. Anwohner wie Matthias Bauer, Autor des Gleisdreieck-Blogs, kämpften für ihre Wunschgestaltung des Parks. Eine erste Randbebauung, die Feuerwehrrot lackierte Häuserwand am Lokdepot (Robertneun Architekten, Bauwelt 14.2014), ließ die Architekturwelt aufhorchen. Würden rund um den Park nun neue, beachtenswerte Architekturprojekte entstehen? Schließlich sah das Planwerk Innere Stadt von 2010 – eine Weiterentwicklung des Berli­ner Planwerk Innenstadt von 1999 – am Parkrand noch blockartige Bebauungen vor. Eine einma­lige Lage, eine einmalige Chance.
Das mag eine späte Erkenntnis sein, denn der Grundstein dafür, in welche Richtung sich die Flächen entwickeln würden, wurde schon vor Jahren gelegt. 2005 fassten der damalige Grundstücksverwalter der Bahn, die Vivico Real Estate (später CA Immo), das Land Berlin und das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg einen städtebaulichen Vertrag. Dieser beinhaltete die Freigabe der zentralen Flächen für das Anlegen des Parks und im Gegenzug das Baurecht auf fünf Randflächen, die anschließend von der Vivico veräußert wurden. Der Streifen entlang der Flottwellstraße wanderte an die Groth Gruppe und Reggeborgh Investment, das Yorckdreieck ging an die Baumarktkette Hellweg, das Land Berlin erstand das Areal am Technikmuseum, die neugegründete Genossenschaft Möckernkiez sicherte sich ihr Gebiet an der Möckernstraße und der Entwickler Copro erwarb die Flächen rund um das Bahnkreuz am Gleisdreieck. Bei dieser Eigentumsverteilung kam heraus, was zu erwarten war: „exklusives Wohnen“ in den Würfelbauten der Groth Gruppe, Hellweg baute seinen Baumarkt, und aus der Nachbarschaftsinitiative Möckernkiez wurde ein durch Büschen geschütztes Genossenschaftsidyll.
Die Errichtung des Hellweg-Baumarkts, der bei vielen bis heute für Kopfschütteln sorgt, unterstützte Franz Schulz, der damalige Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg. Als sozialen Ausgleich hatte der Eigentümer ein öffentliches Fußballfeld auf dem Markt anzulegen. Dafür durften nördlich davon Kleingärten am Parkrand bleiben, auf deren Fläche sonst das Sportangebot gesetzt worden wäre. Die im angrenzenden Bezirk Tempelhof-Schöneberg regierende SPD forderte dagegen eine Wohnbebauung statt Baumarkt. Das lehnte der Grünen-Politiker Schulz unter anderem mit dem Argument der Lärmbelästigung ab. So endete ein lokalpolitisches Verhandlungsspiel in einer kurzfristig passenden Lösung – mit langfristigen, heute kaum nachvollziehbaren Folgen.
Kurzfristig passende Lösungen
Am Berliner Gleisdreieck zeigen sich nicht nur die Auswirkungen, die eine für den politischen Moment sinnvoll erscheinende Genehmigung nach sich zieht. An dem Ort offenbart sich exemplarisch auch der Druck, unter dem viele Politiker und Amtsmitarbeiter stehen, messbare Ergebnisse zu liefern, was oft in für Außenstehende unverständliche Kompromisse mündet.
„Wir brauchen nun mal Wohnungen“, antwortet Jörn Oltmann, Bezirksbaustadtrat von Tempelhof-Schöneberg, auf die Frage, ob er mit den gebauten Ergebnissen zufrieden sei. Im Süden des Parks gehört eine auf Tiefgarage und Gewerbesockel stehende Wohnbebauung entlang der Bautzener Straße ebenfalls der Hellweg-Familie Semer. Architekt Oliver Collignon spricht von einem bewusst gewollten Kontrast zur benachbarten Bebauung. Ein altes Backsteinhaus auf dem Areal, die nun leerstehende Kneipe „Der Umsteiger“, konnte noch vor dem Abriss bewahrt werden. Nun aber sitzt das Haus im Schwitzkasten, umklammert von einer ins Dunkel führenden Einfahrt eines Supermarkts und eines hinter perforierter Blechfassade versteckten Fitnessstudio. „Über Architektur lässt sich streiten“, sagt Oltmann, der das Projekt gegen Kritik aus Nachbarschaft und politischer Oppo­sition verteidigt. Schließlich habe der Bezirk erreicht, dass an der Bautzener Straße Häuser auf hohem energetischen Standard und neben 251 teuren auch 45 geförderte Mietwohnungen
errichtet wurden.
Hätte es eine Genossenschaft als Bauherrin besser gemacht? Im Südosten des Parks bieten die Häuser des „Möckernkiezes“ baulich ein gemischtes Ergebnis – zu einem gar nicht so kleinen Preis. Wer Mitglied werden wollte, musste für eine 100-Quadratmeter-Wohnung 91.000 Euro Errichtungskosten und 1000 Euro Anteile aufbringen und zahlt nun bei einer mittleren Wohnungslage noch eine Nettomonatskaltmiete von 1077 Euro. Nicht günstig, aber auch nicht unbezahlbar. Die meisten Bewohner sollen glücklich sein. Allerdings hat der über zehn Jahre dauernde, nervenaufreibende Entstehungsprozess auch für Streit zwischen Vorstand, Genossen und Planern gesorgt. 2009 wurde die Genossenschaft gegründet, 2014 startete sie den Bau mit mehreren Millionen Euro Eigenkapital. Doch dann hielten sich Banken mit der Kreditvergabe für die weitere Finanzierung zurück. Im November 2014 geriet das Projekt im Rohbau ins Stocken; der Stillstand dauerte bis Herbst 2015. Zwischenzeitlich wechselte die Genossenschaft ihren Vorstand aus, eine Architektin und ein Kaufmann übernahmen. Ein Konsortium deutscher Banken erklärte sich schließlich zur Kreditgabe bereit: Der Bau lief wieder an. Im August 2018 wurden die 471 Wohnungen an die Bewohner übergeben. Damit aber kehrte keine Ruhe ein. An der Ecke York-/Möckernstraße wird derzeit ein Hotel errichtet. Ein geldbringender Lückenfüller, der im ursprünglichen städtebaulichen Entwurf des Büros Baufrösche nicht vorgesehen war.
Die Baufrösche wurden im Frühstadium des Möckernkiezes 2009 mit dem Entwurf beauftragt. Ihr Vorschlag legte Wert auf eine offene Struktur zur Stadt- und Parkseite sowie auf den Erhalt und die Aufstockung des Zollpackhofs, eines denkmalgeschützten Backsteinriegels. Doch einer ersten Begeisterung der Genossenschaftsmitglieder über den Entwurf folgten Bedenken: über den Fuß- und Radverkehr, der durch die Öffnungen in den Kiez strömen und über die Kosten, die ein Erhalt des Packhofs nach sich ziehen würde.
Einer Überarbeitungsrunde schloss ein Verfahren für die einzelnen Gebäude an, aufgeteilt unter fünf ausgewählten Architekturbüros: Baufrösche, roedig.schop, Baumschlager Eberle Berlin, Rolf Disch SolarArchitektur und Schulte-Frohlinde. Den Mitgliedern gefiel besonders der Entwurf von Baumschlager Eberle für die südliche Bebauung, worauf das Büro gleich auch den Auftrag zur städtebaulichen Neuplanung der südlichen Hälfte erhielt – und den Abriss des Alten Packhofs vorschlug.
Häufig vergessene Mittelschicht
Das Ergebnis: Der Packhof ist einer geschlossenen, monotonen Bebauung gewichen, die sich wie eine Mauer die Yorkstraße entlangzieht und durch Schlupflöcher Eintritt in den höher gelegenen „Möckernkiez“ gewährt. Die viel zu schmale Kollonade, die den Riegel begleitet, lässt eher ein Einkaufszentrum vermuten. Auch den Häusern im Innenbereich und ihren Planern wurde viel abverlangt: Die Genossen beharrten auf durchgängig barrierefreie Wohnungen mit energetischen Vorzeigestandards. Obwohl dies die Kosten in die Höhe treiben würde, rückten die Mitglieder nicht von ihrem Anspruch ab. Am Ende scheinen die Architekten weniger glücklich mit dem gebauten Ergebnis als dessen Bewohner. „Wir dürfen nicht vergessen, dass hier für eine sonst im Wohnungsmarkt häufig vergessene Mittelschicht gebaut wurde“, sagt der Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksstadtrat Florian Schmidt im Interview. Die meisten Bewohner stammen aus dem Kreuzberger Umfeld. Für dieses Milieu sind die von Entwicklern geführten Projekte selten bezahlbar.
So auch nicht die Wohnungen des laufenden Umbaus eines von Renzo Piano im Norden des Parks 1998 gebauten Parkhauses: Die Quadratmeterpreise liegen bei ca. 6500 Euro. Es sind jedoch nicht nur die hohen Preise, die diese Neubauten in ein schlechtes Licht rücken. Oft wurden einfachste städtebauliche Prinzipien vernachlässigt: außenraumbildende Gebäudekubaturen, einladende Hof- und Binnenbereiche, abwechslungsreiche Fassaden, belebte Erdgeschosse zur Straßenseite. Dass solche Planungennicht kommentarlos hingenommen werden müssen, dieser Gedanke hat sich inzwischen in einigen Ämtern und in der Bevölkerung durchgesetzt. Vor allem aber bei der Grundstücksvergabe soll genauer hingeschaut werden.
Bei dem noch ausstehenden Projekt „Urbane Mitte“ sind zwar angeblich wegen der Gleisnähe und der damit verbundenen Lärmbelästigung keine Wohnungen vorgesehen, dafür entstehen sieben Büro- und Gewerbetürme. „Ich denke, hier lässt sich die Planung noch so beeinflussen, dass gemischt nutzbare Räume für viele Menschen entstehen könnten“, sagt Schmidt.
Dieser Optimismus scheint anhand der bisherigen Bebauung am Park als hochgegriffen, aber die einzige richtige Antwort. Alles andere wäre nicht nur Resignation, sondern auch eine Kapitulation – und ein weiteres, mit viel Geld gebautes Armutszeugnis.
Fakten
Architekten Fuchshuber Architekten, Leipzig; Claus Neumann Architekten, Berlin; Lorenzen Architekten, Berlin; Christoph Kohl, Berlin; Tchoban Voss Architekten, Berlin; KSP Jürgen Engel, Frankfurt; CollignonArchitektur, Berlin; Baufrösche, Kassel/Berlin; roedig.schop architekten, Berlin; Baumschlager Eberle Berlin, Rolf Disch SolarArchitektur, Freiburg; Schulte-Frohlinde, Berlin
Adresse Schöneberger Str. 16, 10963 Berlin


aus Bauwelt 9.2019
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