120.000 Flüge für die Kunst
Kaye Geipel stellt sich ein vorbildlich grünes Museum der Zukunft vor, in dem alle Wände verschwunden sind
Text: Geipel, Kaye, Berlin
120.000 Flüge für die Kunst
Kaye Geipel stellt sich ein vorbildlich grünes Museum der Zukunft vor, in dem alle Wände verschwunden sind
Text: Geipel, Kaye, Berlin
Vorübergehend geschlossen – diese Meldung verschwindet gerade von den Bildschirmen. Stattdessen: WIR MACHEN WIEDER AUF! Die Ankündigungen auf vielen Museums-Websites lesen sich wie halbe Happenings. Endlich Realität! Ein geregelter Museumsbetrieb scheint in Sicht. Dass es nicht so einfach werden könnte mit der Normalität und neuer Sand im Getriebe zu erwarten ist, machte kürzlich eine Debatte um das noch gar nicht gebaute Berliner Museum M20 von Herzog & de Meuron deutlich. Stefan Simon, Nachhaltigkeits-Experte der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat in mehreren Interviews den enormen Energieverbrauch kritisiert, den ein solches Kunstmuseum haben wird. Ist ein solcher Museumstyp, so fragt er trocken, überhaupt noch zeitgemäß? Dass sich Museen in den letzten Jahren in immer perfektere Klimabunker verwandelt haben, hängt auch mit Anforderungen globaler Sammler für ihr Leihgut und den Bedingungen der internationalen Versicherungen zusammen. Der entscheidende Klimafresser sitzt im Keller oder auf dem Dach, es ist die Klimatechnik. Die Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zum Beispiel verbrauchten 2019 70 Millionen Kilowattstunden nur für den Betrieb. Das entspricht dem Ausstoß von 30.000 Tonnen CO2. In ein Bild übersetzt sind das 120.000 Flüge zwischen Zürich und London.
Wird sich daran in Zukunft etwas ändern? Ein wirklich grünes Kunstmuseum hätte gravierende Konsequenzen für uns alle. Viel mehr Regionales, viel weniger „Weltkunst“, viel weniger Austausch. Können wir uns solche Museen vorstellen? Tino Sehgal, vielbeachteter, international tätiger Künstler, hat kürzlich sein Museum der Zukunft skizziert. Ein hochklimatisierter Bereich bliebe weiterhin für die alte Kunst reserviert. Die Kunst von Gestern sozusagen, die bis in die jüngste Gegenwart reicht, mit Bildern von Richter und Kiefer. Und ein neuer, progressiver Bereich würde daran anschließen, weit offen zum Stadtraum und aktiv bespielt. Wände, an denen etwas ausgestellt wird, gäbe es keine mehr. Für Sehgal, der Wände für seine „immersive Kunst“ nicht braucht, ist das kein Problem. Ob wir unsere Erwartungen, was wir im Museum sehen wollen, ändern, ist die andere Frage.
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