Bauwelt

Arata Isozaki (1931–2023)

Architekt und Homme de Lettres

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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    Gebaute Technik-Euphorie: Isozakis Dach der Osaka Expo ‘70.
    Foto: Yukio Futagawa

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    Der japanische Architekt und Pritzker-Preisträger Arata Isozaki wurde 91 Jahre alt.
    Foto: Picture Alliance

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Arata Isozaki (1931–2023)

Architekt und Homme de Lettres

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Mehrere Generationen, fast 70 Jahre, dauerte die Karriere von Arata Isozaki. Er hinterlässt ein weit über 100 Bauten umfassendes Werk, das mal dem Metabolismus, mal der Post- und mal der Spätmoderne zugerechnet wurde. Er selbst lehnte solche Zuschreibungen ab. Auch Kenneth Frampton, der seine Architektur zwischen den westlichen Stilbegriffen Klassizismus und Konstruktivismus verortet sah, wurde ihm nicht gerecht. Seine Bauten sind vor allem eins: Sie widerstehen der Klassifizierung und überraschen.
Dabei war Isozaki nicht nur Architekt, sondern ein einflussreicher Anstifter, Multiplikator und selbstkritischer Denker in allen Belangen des Bauens. Seine vielfältigen Interessen und der Umstand, dass er sich in seinen Bauten nie ganz ausmachen ließ, machten ihn zu einer Art Sphinx der internationalen Architektur. Die Pritzker-Kommission hat ihn lange übersehen und ihm den Preis erst spät, mit 88 Jahren – immerhin eine japanische Glückszahl –, zuerkannt.
Allein in den letzten 20 Jahren war er mit seinem Atelier außer in Afrika und Südamerika auf allen Kontinenten tätig. Neben Hochhäusern wie dem Allianz-Tower in Mailand realisierte er große Kulturbauten, darunter die Konzerthallen von Harbin (2015) und Shanghai (2014), die riesigen Museumserweiterungen von Hunan (2017), sowie das eklektische National Convention Center von Doha (2011).
Isozaki hatte ein Faible für ausgeklügelte Geometrien und sich ineinander faltende große Räume, in denen sich die Besucher wie in einem Spiegelkabinett bewegen und den Raum in immer neuen Ansichten erleben konnten. Eine wiedererkennbare Formensprache, wie sie Itsuko Hasegawa, Kazuyo Sejima oder Tadao Ando in ihren Bauten entwickelten, vermied er. Sein Credo führte er auch auf seine Affinität zur modernen Kunst zurück: „I will not repeat myself“. Darin, sich nicht zu wiederholen, verbarg sich manchmal auch eine ironische Distanz zum Auftrag. Seine von einer finsteren Schneise durchpflügten Volksbank am Potsdamer Platz (1997), kein Glanzstück in seinem Werksverzeichnis, beschrieb er selbst so: „A calm and peaceful semi-public space is produced between two parallel office blocks. The repetitive forms of the bridges above the space control the light”. Friedlich und ruhig war das letzte, was sich das damalige Berlin gewünscht hatte. Aber der phantasielose Masterplan ließ Isozaki keine andere Wahl als die Abgrenzung zur Umgebung.
Geboren 1931 auf der Insel Kyushu, gehörte er mit Fumihiko Maki (Jahrgang 1928) und Hiroshi Hara (Jahrgang 1936) nach Kenzo Tange – in dessen Büro er schon als Zwanzigjähriger wichtige Projekte realisierte – zur zweiten Generation der weltweit einflussreichen japanischen Architekten der Nachkriegszeit. Tadao Ando, Toyo Ito und Itsuko Hasegawa, alle Jahrgang 1941, folgten. Mit dem spektakulären Entwurf für die Osaka Expo ’70 Festival Plaza (1966–70) wurde er auch in Europa ein Star. Später bekannte er, welche existentielle Krise er in der fünfjährigen Realisierungsphase dieser Open-Air-Ausstellungshalle durchgemacht hatte. Das futuristische Stahldach des Pavillons – und mit ihm die ganze Expo – schien ihm einen Endpunkt in der Auffassung der sechziger Jahre zu markieren, mit den Mitteln einer technologiegläubigen Architektur die Fragen künftiger Stadtentwicklung zu lösen. Er interessierte sich mehr und mehr für die (japanische) Baugeschichte, ohne die Zerrissenheit zu verschweigen, die ihm seine Rolle als international agierender Stararchitekt einbrachte. Einige seiner lesenswerten Texte veröffentliche er 2006 unter dem Titel „Japanness in Architecture“.
Isozaki unterhielt enge Beziehungen zu zeitgenössischen Künstlern und förderte eine ganze Generation jüngerer Architekten. Jun Aoki, Shigeru Ban, Hiroshi Aoki und Makoto Shin Watanabe haben in seinem Atelier gearbeitet. Der ebenso geniale wie konstruktiv wagemutige Wettbewerbsentwurf für die neue Bibliothek in Sendai des damals 44-jährigen Toyo Ito hatte in Isozaki den entscheidenden Fürsprecher und gewann 1995 die internationale Konkurrenz.
Isozakis Lebensthema blieb die ständige Veränderung, mit der die Architektur zu rechnen hatte. Geprägt hat ihn dabei eine furchtbare Kindheitserfahrung. Aufgewachsen als Sohn eines Transportunternehmers mit künstlerischen Ambitionen, erlebte er erst die Zerstörung seiner Heimatstadt Ōita im Zweiten Weltkrieg, und dann, als Zwölfjähriger, die Zerstörung Hiroshimas durch die Atombombe auf dem gegenüberliegenden Festland.
Diese Erfahrung verarbeitete Isozaki, indem er die metabolistische Zukunftseuphorie seiner damaligen Kollegen um die Konzepte des unvermeidbaren Verfalls und der Ruine erweiterte. Das brachte ihm erst den Ärger seiner Kollegen und später den Respekt der internationalen Architekturtheorie ein. Er wollte, das hat er auch bei seiner Pritzker-Preis-Rede 2019 in Paris klargestellt, nicht nur mit seinen Bauten, sondern auch mit dem, was er schrieb und dachte, gehört werden. Er verstand sich als „homme de lettres“, der sich mit der Gegenwart auseinandersetzt.
Isozaki plädierte für die unausweichliche kulturelle Transformation und stellte sich gegen jede Art von Pastiche-Vorstellung der alten japanischen Architektur. Er machte mit Lust den Kontrast zwischen lokaler Bautradition und den Anforderungen an große Projekte sichtbar, die in den hohldrehenden Aufmerksamkeitskult der Globalisierung geraten waren. Weder im Abrisswahn der Moderne noch im Beharrungsvermögen der Traditionalisten sah er die Lösung – allein die notwendige Auseinandersetzung zwischen diesen Polen hat ihn interessiert. Mit diesem Bewusstsein bleibt er bis in die heutigen Debatten um Abrissmoratorien und ökologische Erneuerung aktuell. Am 28. Dezember ist Arata Isozaki in Nara auf Okinawa, der südlichsten Inselgruppe Japans, im Alter von 91 Jahren gestorben.

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