Auf der Bremse
Die europäische Messe für Gewerbeimmobilien, die Expo Real, die im Oktober in München stattfand, bestätigt: Die Talfahrt der deutschen Immobilienwirtschaft hat noch an Geschwindigkeit zugelegt.
Text: Brensing, Christian, Berlin
Auf der Bremse
Die europäische Messe für Gewerbeimmobilien, die Expo Real, die im Oktober in München stattfand, bestätigt: Die Talfahrt der deutschen Immobilienwirtschaft hat noch an Geschwindigkeit zugelegt.
Text: Brensing, Christian, Berlin
Zwar waren die Münchner Messehallen, mit nur wenig rückläufigen Aussteller- und Teilnehmerzahlen im Vergleich zur Expo Real des Vorjahres, immer noch gut gefüllt, doch es brodelte unter der Oberfläche. Nur selten brachen die Sorgen offen durch, und nicht wenige Akteure am Immobilienmarkt bezeichnen sich dieser Tage als sorgenfrei. Doch tatsächlich plagen Projektentwickler, Makler, Banken, Rechtsanwaltskanzleien und Architekturbüros ein teils herber Einbruch an Aufträgen, Transaktionen und Mandaten. Hinzu gesellen sich wachsende finanzielle Ausstände in einer Branche, die an Krisen nicht mehr gewöhnt ist. Und aus Investorensicht ist zu vermelden, dass die Immobilie nicht mehr das beliebteste Kind der Anleger ist. Die Zeiten einer gesicherten Rendite, die mit wenig Aufwand und praktisch risikofrei erwirtschaftet werden konnte, sind erst einmal vorbei.
Um eine authentische Marktbeobachtung einzuholen, sprach die Bauwelt Ende August mit den beiden Berliner Geschäftsführern von Hines, Alexander Möll und Christoph Reschke. Ihre Einschätzung: „Viele Projekte, die in den letzten beiden Jahren gekauft wurden, erleben einen Druck, der so stark ist, dass bei vielen das Eigenkapital aufgebraucht ist. Die Banken haben bisher noch nicht reagiert, das steht uns noch bevor. Wir sind mitten in der Krise, finanzielle Mittel sind verschwunden. Es ist daher kein Zufall, dass aktuell regelmäßig Projektentwickler scheitern und in die Insolvenz gehen. Projekte kommen dann zurück auf den Markt. Ob jedoch die Erwartungen bezüglich des Werts mit den Preisvorstellungen übereinstimmen, bleibt abzuwarten. Hier ist ein Entgegenkommen von Käufern und Verkäufern notwendig. Mit dem steigenden Druck brauchen die Käu-fer ein besseres Sentiment im Hinblick auf Zins und Inflation. Außerdem muss der Vermietungsmarkt robust genug sein, um wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu trotzen. Nur wenn die Nachfrage stabil bleibt, wird sich die derzeitige Lücke überbrücken lassen. Dann werden Transaktionen wieder aufgenommen, Vergleichswerte – sogenannte ‚Comparables‘ – werden wieder relevant, und der Markt wird sich auf einem realistischeren Niveau stabilisieren. Im Moment jedoch stecken wir in einer Schockstarre fest, die jegliche Initiative lähmt.“ (zum vollständigen Interview mit Alexander Möll und Christoph Reschke)
Diese Analyse nahm die Situation auf der Expo Real glatt vorweg. Mit Wohn- und Büroimmobilien sind nun gleich zwei Assetklassen in die Bredouille geraten. Während die Wohnungsmisere schon seit Jahren ein – weitgehend hausgemachtes – Problem ist, geriet der Büromarkt erst in den letzten Monaten richtig unter Druck. Das allgemein stark gefallene Transaktionsvolumen (minus 38 Prozent in den sieben deutschen A-Märkten), jedoch bei leicht gestiegenen Mieten (!), wird sich nach allgemeiner Beurteilung weiter fortsetzen. Einige Prognosen gehen davon aus, dass erst mit Jahresbeginn 2024 die Auswirkungen der multiplen Krisen voll auf den Immobilienmarkt durchschlagen. Devaluierungen von 25 bis 30 Prozent werden unweigerlich kommen, wie sie etwa in Großbritan-nien und den USA schon erfolgt sind. Dieser schmerzliche Aderlass der Immobilienbranche steht dem deutschen Markt noch bevor. Derweilen parkt das Geld der Investoren an der Seitenlinie: Wo, wann und wie soll man wieder einzusteigen? Es verwunderte nicht, dass sich einige Messeteilnehmer fragten, was all die vielen Besucher der Expo Real dort eigentlich wollten? Ein Überlebenszeichen setzen?
Pascal Pech, Head of Business Development Real Assets bei der unter anderem in Luxemburg ansässigen deutschen Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, bot diese Antwort: „Um Projektentwicklungsfonds oder Debtfonds ist es ruhiger geworden. Das war in den letzten zwei Jahren noch ein Boomsektor. In der Niedrigzinsphase war das ein tolles Produkt für alle Investoren. Heute sind viele Projektpläne nicht aufgegangen, was zu Insolvenzen bei Projektentwicklern führt. Jedoch ist dies ein geteiltes Feld, einige Kunden überstehen diese Phase besser. Diejenigen aber, die jetzt zum Beispiel refinanzieren müssen, bekommen Probleme.“
Offensichtlich vieles richtig gemacht hat das familiengeführte Immobilienunternehmen Wöhr + Bauer. Am Münchner Ostbahnhof, im sogenannten Werksviertel, funktionierte die Transformation eine Industriebrache in einen Bürostandort. Mit Eigenkapital vorfinanziert, guten Architekten (Nie-to Sobejano) und einer Single-Tenant-Vermietung an die KPMG gelang es „hochqualitative Flächen für prestigekräftige Mieter an den Standort zu bringen. Heute könnten wir uns dieses Projekt in der Qualität wegen deutlich gestiegener Zinsen und Baukosten nicht mehr leisten“, so Geschäftsführer Wolfgang Roeck, der zusammen mit seinem Kollegen Oliver Vogt die Entwicklung für das Unternehmen maßgeblich vorantrieb. Er bringt das 2023 fertiggestellte „Optineo“ auf den Punkt: „Wir haben das Momentum am Mietmarkt genutzt, zur rechten Zeit am rechten Ort.“
Das klingt wie eine Reminiszenz an vergangene Zeiten. Heutzutage gibt es, neben dem Auf-der-Bremse-Stehen, andere Strategien. Einige Player der Immobilienbranche sind kreativ: Bürovorstädte und Randlagen gelten als „Stranded-Assets“, Schrottimmobilien. Warum also dort nicht Büros zu Wohnungen umwandeln, was einer Win-win-Situation gleichkäme? Ähnlich gelagert ist die Verbindung von Immobilienbesitz mit der Erzeugung von grüner Energie. Logistik ist neben manch anderer Assetklasse prädestiniert für die Energieerzeugung. Allianzen und Synergien sprießen hervor, aus der Not eine Tugend machend. So bot die Expo Real 2023 ein Bild, das heterogener nicht hätte sein können, ein Bild, das die Akteure noch eine gewisse Zeit ertragen und überstehen müssen. Der süffisante Schüttelreim, eine Durchhalte-Parole vom letzten Messetag, klingt einem noch in den Ohren: „Survive until Twentyfive!“