Bitte nicht wegwerfen!
Benedikt Crone wünscht sich mehr Flickwerk als Neuware.
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Bitte nicht wegwerfen!
Benedikt Crone wünscht sich mehr Flickwerk als Neuware.
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Es gibt immer Gründe, warum ein Gebäude einem anderen weichen soll. Baufälligkeit, Nutzungswandel, Eigentümerwechsel, vor allem wohl: Geld. Inzwischen mehren sich Stimmen, die sich generell gegen Abrisse aussprechen, unterfüttert mit ökologischen Argumenten. Tatsächlich müsste dies auch das Bauministerium interessieren, denn Deutschland hat im vergangenen Jahr in allen Bereichen den CO2-Ausstoß reduzieren können, kaum aber im Gebäudesektor. Neben der Materialdekadenz eines Neubaus gibt es jedoch noch ein weiteres Argument für den Erhalt eines Hauses: die Freude am Verkuppeln. Denn all das Flicken, Stopfen und Justieren führt – das ist das Ergebnis einer persönlichen, subjektiven, aber wasserdichten Beobachtungsstudie – häufiger zu einem interessanten, reizvollen, womöglich sogar schönen Bauwerk als ein wie im bezugslosen Vakuum entstandener Neubau. Dieser ist schließlich auch nur eine Momentaufnahme und, wenn nicht besonders gelungen, bereits nach Fertigstellung zum Abriss in dreißig Jahren freigegeben. Warum nicht gleich das Vorhandene weiterführen? In der Kunst hat sich das Collagieren längst als Gattung etabliert. Und auch im Bauwesen war das Erhalten und Modulieren ja die längste Zeit pragmatischer Standard.
Es ist auch keine Überraschung, wenn alte Industriehallen plötzlich zum Verkaufsargument für Neubausiedlungen werden und die kleinen Wohnwürfel, denen es selbst an einer vermarktbaren Identität zu fehlen scheint, um den alten Backsteinbau tänzeln wie ums goldene Kalb. Gerade in der Einfamilienhausdebatte könnte die potenzielle Schönheit des verfallenen Posthofs im Ortskern ein Argument sein, das Meinungen und Fördergelder mehr bewegt als der (wichtige) Schutz einer Blumenwiese. Natürlich kann nicht alles weiterverwendet werden, was der Fluss der Architekturgeschichte angespült hat. Aber auch wenn es nur ein sprichwörtlicher Bruchteil ist – die Konstruktion, die Fenster oder das eine schöne Fassadenteil als Feigenblatt –, selbst kleine Rettungsgesten können von Charakter zeugen.
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