Bauwelt

Deutschland, wie es früher einmal war

Anstelle eines sichtbaren Zeichens der Zukunftsgewandtheit: Die Schinkelsche Bauakademie wird wieder aufgebaut.

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

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Schon rekonstruiert: im Jahre 2001 die Nord-Ost-Ecke der Akademie durch Architekt Draheim und der Musterraum, der eigentlich ins 1. OG gehört, durch Nöfer Architekten; dahinter die Frie­drichswerdersche Kirche im Original, tatsächlich von Schinkel.
Foto: © Bundesstiftung Bauakademie

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Schon rekonstruiert: im Jahre 2001 die Nord-Ost-Ecke der Akademie durch Architekt Draheim und der Musterraum, der eigentlich ins 1. OG gehört, durch Nöfer Architekten; dahinter die Frie­drichswerdersche Kirche im Original, tatsächlich von Schinkel.

Foto: © Bundesstiftung Bauakademie


Deutschland, wie es früher einmal war

Anstelle eines sichtbaren Zeichens der Zukunftsgewandtheit: Die Schinkelsche Bauakademie wird wieder aufgebaut.

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

Die Schinkelsche Bauakademie wird am historisch korrekten Ort wieder aufgebaut. Nun ist auch klar, wie das aussehen wird. Genau wie früher. Direkt neben dem Humboldtforum, welches seine Heimat im rekonstruierten Berliner Schloss gefunden hat, wird auch die äußere Gestalt der Bauakademie vollständig und so originalgetreu wie möglich rekonstruiert. Dies soll vom Berliner Senat mit einer Gestaltungsverordnung verbindlich angeordnet werden. Damit berauben sich die Bundesstiftung Bauakademie, der Berliner Senat und die deutsche Politik insgesamt der einmaligen Chance, ein sichtbares Zeichen für Zukunftsgewandtheit und Optimismus zu setzen.
Die Entscheidung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags zur Wiedererrichtung der Bauakademie vom November 2016 ließ noch Interpretationsspielraum: „So viel Schinkel wie möglich“ war gefordert, ob es dabei nur um die Gestalt oder vielleicht auch um die Haltung Schinkels ging, blieb offen. Immerhin wurde das Grundstück an historisch korrekter Stelle gekauft, und 62 Millionen Euro wurden bereitgestellt. Und so wurden die konservativen Geister Berlins Bauschaffender erneut aktiv. Mit Erfolg, denn nun liegt dem Berliner Senat eine Gestaltungsverordnung zur Entscheidung vor, in der nach den Originalplänen und Zeichnungen von Karl Friedrich Schinkel alle Fassaden und alle von außen sichtbaren Details weitestgehend wieder genauso hergestellt werden sollen. Dies ist kein Vorschlag, sondern eine Verordnung, alle weiteren diesbezüglichen Diskussionen erübrigen sich jetzt. In Berlins Mitte entsteht ein Deutschland, wie es früher einmal war und wie es nie mehr werden wird.
Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, sich so einer Aufgabe zu stellen und die Bauakademie wieder zu errichten. Zum einen eine vollständi­-ge Rekonstruktion, innen wie außen. Das ist durchaus eine architektonische Herangehensweise, allerdings nur ein schönes Gedankenspiel, denn dieses Gebäude wäre heute nicht nutzbar, aber immerhin wäre es Architektur. Zweitens: ein Neubau, selbstverständlich mit städtebaulichem Bezug und Maßstab, der die „Allgemeine Bauschule“, so hieß die Bauakademie bei ihrer Gründung, neu interpretiert und vielleicht auch die Aufbruchsstimmung und die Haltung der Baumeister von damals adaptiert. Dem vorangestellt wäre ein internationaler, offener Architekturwettbewerb, der ein entsprechendes, interessantes Teilnehmerfeld erwarten lässt. So entsteht ebenfalls Architektur, vielleicht sogar großartige Architektur. Die Chance dafür bestände, diese Vorgehensweise setzt ein internationales, baukulturelles Zeichen der Weltoffenheit. Das ist allerdings jetzt par ordre du mufti perdu. Also folgt die dritte mögliche Lösung, ein Hybrid. Die Gebäudehülle wird historisch korrekt rekonstruiert, innen entsteht ein moderner, vollfunktionstüchtiger Veranstaltungs-, Konferenz-, Museums- undKommunikationsbau mit Büroflächen, der alle Anforderungen an Technik und Ausstattung, Klima, Licht und mehr von heute erfüllt. Diese Lösung ist keine Architektur. Das ist eine Kulisse, die Falsches verspricht. Es entsteht ein Phantasialand für Baukultur. Und wie schwierig solch ein Hybrid in der Realität ist, ist nebenan zu beobachten. Doch das interessiert den in dieser Sache rückwärtsgewandten Senat nicht, und auch die noch neue Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt interveniert offensichtlich nicht. Ganz im Gegenteil, sie selbst stellte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des „Thinktank Wettbewerbs“ in der Sitzung am 5. September diese Verordnung vor. Zu schön scheint das historische Bild, als dass man es aus den Köpfen der Entscheider verbannen könnte.
Vergessen sind die Ideen des Programmwettbewerbs von 2018 oder die Gedanken der Foren des Dialogverfahrens ein Jahr zuvor. Eine neue demokratische Legitimation in Form einer repräsentativen Befragung durch das renommierte Meinungsforschungsinstitut Forsa schafft vermeintlich Fakten. Aus Sicht der Re-Konstruktivisten mit erfreulichen Ergebnissen, denn 67 Prozent der Befragten stimmten für eine Rekonstruktion. Bei der Befragung wurden insgesamt 1016 in Deutschland lebenden Erwachsenen zwei Bilder der historischen Bauakademie gezeigt. Die Vorstellung eines fiktiven Neubaus überließen sie dem Abstraktionsvermögen der Probanden. Das ist ein Taschenspielertrick und ungefähr so, als ob sie ein Erdbeereis angebo-ten bekommen und alternativ eines mit einer vollkommen anderen, neuen und unbekannten Geschmacksrichtung. Ob es besser oder schlechter schmeckt, ist vorab nicht zu sagen. Wofür entscheiden sie sich dann wohl?
Die Architektur Schinkels und der beginnenden Moderne war geprägt von der Industrialisierung und der schier grenzenlosen Verfügbarkeit von fossiler Energie, gepaart mit einer vollkommen Unkenntnis, was diese Art des Bauens für das Klima und damit die Menschheit bedeuten wird. Dies ist heute anders, die Industrialisierung ist abgeschlossen, fossile Energie nicht mehr mit gutem Gewissen einsetzbar. Deswegen und wegen vieler anderer Entwicklungen, wie beispielsweise die Demografie oder der Wandel der Arbeit und der Mobilität, steht unsere Architektur und das Bauen heute vor einem Wendepunkt – wie zu Zeiten Schinkels. Diesem sollten wir mit einer angemessenen Architektur Rechnung tragen und nicht eine Iko­-ne aus vergangenen Zeiten wieder auferstehen lassen. Alles andere wäre gegenüber den folgenden Generationen unverantwortlich und würde zeigen, dass die aktuellen politischen Institutionen diese Herausforderungen entweder nicht erkannt haben oder unter Beweis stellen, dass sie diesen nicht gewachsen sind oder sie gar ignorieren. Verpassen wir also nicht diese, vielleicht letzte Chance, die Rekonstruktion abzuwenden und lassen etwas Neues entstehen.

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