Entsteht am Rhein das Opernhaus der Zukunft?
Die Stadt Düsseldorf plant nichts Geringeres als den Bau einer „Oper der Zukunft“. Erst drohte dafür dem bestehenden Opern-Gebäude der Abriss. Nun sorgt die Signa-Pleite für eine Wende.
Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf
Entsteht am Rhein das Opernhaus der Zukunft?
Die Stadt Düsseldorf plant nichts Geringeres als den Bau einer „Oper der Zukunft“. Erst drohte dafür dem bestehenden Opern-Gebäude der Abriss. Nun sorgt die Signa-Pleite für eine Wende.
Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf
Das Vorhaben, das die Stadt Düsseldorf derzeit entwickelt, darf man mutig nennen dieser Tage: den Neubau einer Oper in Zeiten knapper Kassen. Andererseits kann man mit spektakulären Musik- oder Theaterbauten immer noch punkten, siehe Oslo und Kopenhagen (Opernhäuser) oder Hamburg (Philharmonie). Deren kulturelle Leuchttürme scheinen so hell zu strahlen, dass man sich am Rhein gedacht haben mag: Das können und wollen wir auch!
Schwung bekam die Idee, als erkennbar wurde, dass das bestehende Operngebäude an der Heinrich-Heine-Allee einer grundlegenden baulichen wie technischen Erneuerung bedurfte. Der Bau war bis 1956 nach Plänen der Architekten Paul Bonatz, Julius Schulte-Frohlinde und Ernst Huhn mit Anklängen an den Monumentalismus der 1930er Jahre in zartem Nachkriegsrosa errichtet worden, stammte im hinteren Bühnenbereich jedoch noch aus dem 19. Jahrhundert. Platzmangel (keine Nebenbühne, fehlende Proberäume), veraltete Technik, kaum vertretbare Sicherheitsvorkehrungen für die Belegschaft sind nur einige der Mängel. Der bisherige Flickenteppich an Teilsanierungen ließ sich kaum weiterführen, die Grundsatzfrage nicht länger hinausschieben. Ab 2019 organisierte die Stadt geschickt eine teilweise öffentliche Debatte, etablierte Dialogforen und Podiumsgespräche, ermöglichte Wege der Bürgerbeteiligungen, organisierte Ausstellungen über Opernhäuser in Europa und führte schließlich einen Ideenwettbewerb durch, dessen sieben ambitionierte Siegerentwürfe wohl vor allem Vorgeschmack erzeugen sollten. Parallel dazu hatte sich aus den Diskussionen die Idee eines offenen, auch tagsüber zugänglichen Hauses herausgeschält, das unterschiedliche kulturelle und gastronomische Angebote integrieren und breitere Bevölkerungsgruppen adressieren sollte. Eine Idee, deren Konturen bei genauer Betrachtung allerdings wenig präzise waren. In dieser Phase ging die Entscheidung für einen Neubau nach einem Gutachten über die voraussichtlichen Kosten einer Sanierung ohne Probleme über die Bühne – das abschreckende Beispiel Köln stets vor Augen, wo die Sanierung der Riphahn-Oper seit zehn Jahren auf 1,3 Milliarden Euro gestiegen ist. Strittig blieb allerdings die Standortfrage.
Die Stadt und der überwiegende Teil der interessierten konservativen Bürgerschaft favorisierten den angestammten Ort, wobei man den Abriss des unter Denkmalschutz stehenden Hauses in Kauf nahm, in dem immerhin 1946 noch der erste Landtag des Landes NRW getagt hatte. Gegen diese Standortwahl erhob sich schließlich aber doch Kritik. Sie galt weniger der beschränkten Raumsituation noch der nonchalanten Negierung der Historie des Baus noch gar der kalkulierten Kosten (die Rede war von 750 Millionen Euro), sondern dem mit einem Neubau offenbar unvermeidlichen Eingriff in den angrenzenden Hofgarten. Die Sorge der Bürgerschaft um ihre Bäume schwebte als Damoklesschwert über dem avisierten städtischen Renomméprojekt.
In diesem Moment eröffnete sich – durch die Pleite von René Benkos Signa-Konzern – eine unverhoffte Gelegenheit. Die Stadt konnte im Frühjahr 2024 in der Innenstadt die Immobilie des bereits aufgegebenen Galeria Kaufhof am Wehrhahn aus der Insolvenzmasse des Unternehmens erwerben und damit die Entwicklung eines Opernhauses in Eigenregie vorantreiben. Der Ort unweit des Schauspielhauses (Bauwelt 25.2020) war bislang zwar nur zweite Wahl. Mit ihm konnten aber kritische Fragen zu den Themen Abriss und Hofgarten – und überdies auch eine teure Interimsstätte – vermieden werden. Frühere Argumente wurden neu gewichtet: DiePerspektive, das Umfeld einer Einkaufsstraße mittlerer Qualität städtebaulich aufzuwerten, wurde zu einem zentralen Gesichtspunkt. Für die Oper, so deren Geschäftsführerin Alexandra Stampler-Brown, bietet der neue Standort „großes Potenzial, um ein ‚Opernhaus der Zukunft‘ als offenen Ort mit vielen Möglichkeiten für die gesamte Stadtgesellschaft zu entwickeln.“
Im Juni beschloss der Stadtrat den Standortbeschluss am Hofgarten zu revidieren, ein in Vorbereitung befindlicher Wettbewerb wurde gestoppt. Vor kurzem war Meldefrist für das Bewerbungsverfahren für den auf den neuen Standort zugeschnittenen Generalplaner-Wettbewerb, zu dem dreißig Teilnehmer zugelassen sind. Im Februar 2025 soll die Auslobung bekannt gemacht werden. Auf die Details darf man gespannt sein; die Architekturbüros, allen voran die Schwergewichte der Stadt, die schon am Ideenwettbewerb teilgenommen hatten, stehen in den Startlöchern und hüllen sich in Schweigen. Was bekannt ist: 38.000 Quadratmeter Nutzfläche soll der Neubau umfassen, wobei er neben der Oper (32.000 Quadratmeter) auch Räume der Musikhochschule, eine Bibliothek und ein erweitertes Gastronomieangebot aufnehmen soll; die Möglichkeiten hierfür werden derzeit geprüft. Von dieser Zusammensetzung wird abhängen, zu wie viel Offenheit die annoncierte Oper der Zukunft tatsächlich in der Lage sein wird. Der Begriff der Inklusion, der in dem Zusammenhang vielfach verwendet wird, ist in seinen sozialen Dimensionen durchaus vielschichtig. Mit dem neuen Standort hat das Projekt in Düsseldorf jedenfalls eine zeitgemäße Wendung genommen. Die entscheidenden inhaltlichen Fragen kommen auf die Stadt jedoch noch zu.
Wer sich über ähnliche große Vorhaben und Herausforderungen informieren will, die derzeit auch die Verantwortlichen in Mannheim, Frankfurt am Main, Stuttgart und München umtreiben, dem sei die neue Ausstellung „Ganz große Oper – viel mehr Theater“ im Frankfurter DAM empfohlen. Zu sehen ist sie noch bis 8. Dezember.
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