Grenzenlose Freiraumliebe
Benedikt Crone freut sich über die Wiederentdeckung der Außenwelt
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Grenzenlose Freiraumliebe
Benedikt Crone freut sich über die Wiederentdeckung der Außenwelt
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Endlich war es soweit. Der Sand wurde zusammengekehrt, das Großsteinpflaster auf Unebenheiten abgeklopft und die dürre Böschung ein letztes Mal gewässert. Die Neugestaltung eines Uferstreifens entlang des Berliner Landwehrkanals, nicht weit von meiner Haustür, war fertig. Schon als die Bauzäune noch standen, schlichen sich Spaziergänger an ihnen vorbei auf die Promenade. Wobei Promenade ein irreführend hochgestochenes Wort ist, das ans Lustwandeln unter Eichen und Gaslaternen erinnert. Das Besondere an diesem Stück Straßenbegleitung ist eher die Profanität, in der es gestaltet wurde. Ein paar Bänke, Bäumchen der Sorte Silberahorn und Silberweide, eine Böschung als Trennung zur Straßenseite und Entwässerungsmulden, aus denen in künstlich wirkenden Abständen Blumen und Kräuter sprießen. Was nach konventioneller Landschaftsarchitektur klingt, schien bald am eigenen Erfolg zu ersticken.
Wie Kinder, die auf die Eröffnung eines Freizeitparks vor der Haustür hatten warten müssen, schossen Leute aus allen Straßen und belegten die wenigen Sitzgelegenheiten, auf denen es sich so wunderbar gesellschaften lässt. Ein ähnliches Schicksal ereilte zuvor ein kleiner Platz in der Nähe, der über Tischtennisplatten verfügt. Bis in die Nacht generiert sich hier unter dem Geräusch tickender Ping-Pong-Bälle, klirrender Flaschen und der Musik aus Bluetooth-Boxen ein Clubersatz im Freien. Ein Gewinn für die Anwohner – zumindest der zweiten und dritten Reihe.
Was sagt ihre Beliebtheit über diese Orte: Sind sie ausgefallen entworfen, verfügen sie über besonderes Mobiliar oder exotische Botanik? Eher nicht. Sie decken nur ein jahrelanges Missverhältnis auf: von unwirtlichen Straßenzügen gegenüber nennenswerten Außenräumen. Und dass der Bedarf an Licht, Luft und Sonne nicht mit Abstandsrasen und Hecken gedeckt werden kann. Wer nun vor den möglichen Folgeerscheinungen der neuen Freiraumliebe warnt – Müll, Lärm, virenschleudernde Jugendliche –, dem sei entgegnet: Je mehr gute Freiräume es gibt, und je weniger sich diese auf die gleichen Quartiere konzentrieren, desto weiträumiger verteilt sich das Leben, das diese Orte ertragen können.
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