Bauwelt

Raus aus dem BMI

Die gesamte Branche ist gespannt auf das neuen Bundesbauministerium. „400.000 neue Wohnungen“ heißt es im Koalitionsvertrag. Doch nicht nur darum sollte sich die Ministerin kümmern.

Text: Jaeger, Falk, Berlin

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Innerhalb eines Jahrzehnts ist in Köln-Widdersdorf das größte Neubaugebiet Deutschlands entstanden.
Foto: picture alliance/dpa/Henning Kaiser

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Raus aus dem BMI

Die gesamte Branche ist gespannt auf das neuen Bundesbauministerium. „400.000 neue Wohnungen“ heißt es im Koalitionsvertrag. Doch nicht nur darum sollte sich die Ministerin kümmern.

Text: Jaeger, Falk, Berlin

Angesichts der steigenden Energiepreise wird es für Geringverdienende einen einmaligen Heizkostenzuschuss von 135 Euro für Alleinstehende bzw. 175 Euro für Zweipersonenhaushalte geben. Die Meldung kam Mitte Januar aus dem Bundesbauministerium. Sozialleistungen aus dem BMWSB? Gibt es nicht ganz andere Aufgaben, die die neue Ministerin Klara Geywitz (SPD) zu stemmen hat? Oder betreibt sie weiterhin ihre Sozial­politik wie in Potsdam, nur unter neuer Flagge?
Ins Ministeramt gekommen war sie nicht als ausgewiesene Bauexpertin, sondern als Parteivize und Vertraute des Bundeskanzlers. Die bei­den hatten 2019 den Doppelvorsitz der SPD angestrebt und waren Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken unterlegen.
Ins Ministeramt gekommen war sie auch, weil sich die Koalition in der Phase der Ressortzuschnitte und der Postenverteilung dazu durchge­rungen hatte, ein eigenständiges Bundesbauministerium zu etablieren. Ein Aufatmen ging durch die Baubranche, denn seit 1998 war das Bauressort mit seinen 1500 Mitarbeitern anderen Ministerien zugeschlagen worden, um deren Gewicht zu stärken, mal dem Verkehr, mal Umwelt und Reaktorsicherheit. Zuletzt empörte man sich in Fachkreisen über die Amtsführung des „Bauministers“ Horst Seehofer. Der sich für Innere Sicher­heit und Heimat interessierte, aber erkennbar überhaupt nicht für das Bauen, ließ er sich doch so gut wie nie bei einem baubezogenen Termin blicken. Zum Glück und erstaunlicherweise hatte er den in Fachkreisen geschätzten Staatssekretär Gunther Adler trotz dessen SPD-Parteibuchs übernommen, der als Schattenbauminister agierte. Doch als Seehofer den rechtslastigen Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen mit einem adäquaten Posten im Staatssekretärrang versorgen wollte, musste Adler gehen. Auch wenn Seehofer die Rochade nur wenige Tage später blamabel revidieren musste, hatte er dem Bauressort nachhaltig geschadet. Adler allerdings verabschiedete sich alsbald auf einen ruhigeren Vorstandsposten bei der Autobahngesellschaft.
Neue Baustaatssekretärin wurde im März 2019 Anne Katrin Bohle, eine Juristin aus NRW, Ministerialbeamtin für Stadtentwicklung und Denkmalpflege. Die „Quotenfrau“ im Männerladen Innenministerium, als fleißig, loyal, zielstrebig und streng beschrieben, erwies sich nicht gerade als rhei­nische Frohnatur mit Kommunikationstalent.
Lange hatten die Protagonisten im Bauwesen stillgehalten. Ende 2021 wurden Stimmen laut, die ein Ende des Bauressorts auf dem Sozius eines anderen Ministeriums forderten. Die Bauingenieurin Lamia Messari-Becker sah für einen Bauminister ein breites Aufgabenfeld vom Baurecht bis zum klimagerechten Bauen (Süddeutsche Zeitung, 9. August 2021). Christoph Mäckler und Werner Sonne, Deutsches Institut für Stadtbaukunst, beklagten die „Hässlichkeit, Tristesse und Leblosigkeit unserer Städte“ und verlangten eine Revision der Baugesetzgebung durch einen eigenständigen Bundesbauminister (FAZ, 27. Oktober 2021). Aedes ANCB veranstaltete vergangenen August eine Podiumsdiskussion mit Vertretern und Vertreterinnen der Architekten und Ingenieuren, dem Soziologen Harald Welzer sowie dem ehemaligen Baustaatssekretär Gunther Adler zu diesem Thema. Dass ein eigenständiges Bauministerium unverzichtbar sei, war Konsens. Lediglich Gunther Adler gab zu bedenken, dass ein starker Minister, wie es Seehofer einer war, im Kabinett für das Bauwesen mehr erreichen könne als ein Solominister. Ähnlich äußerte sich Ende Oktober Mike Groschek, Präsident Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, im Zweifel sei eine Ministerin mit viel Einfluss und starker Führung wichtiger als ein Nur-Bauminister, der im Kabinett wenig zu sagen habe. Es blieb jedoch bei zwei einzelnen Gegenstimmen. Die Bau- und Architektenverbände sprachen sich unisono für ein eigenständiges Ministerium aus. Auch weil durch die Vernetzung des Bauwesens mit der Gesamtwirtschaft und durch die inzwischen dringlicher gewordene Bedeutung des Bauens in der Klimaproblematik das Aufgabenspektrum gewachsen ist.
Doch die Architekturfreunde sollten sich keinen Illusionen hingeben. Die Entscheidung für ein eigenständiges Bauministerium (warum so kom­pliziert: „Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen BMWSB“? „Bauwesen“ schließt alles andere ein), diese Entscheidung ist nicht gefallen, weil es den Koalitionären um Baugesetzbücher, Industrienormen, Förderung innovativer Bauweisen, Minimierung der CO2-Emissionen im Bauwesen, zeitgemäßen Städtebau, Verteidigung der Honorarordnung gegenüber der EU, Vereinfachung interdisziplinärer Planungsprozesse und Zulassungsverfahren und so weiter ging. Es ist die Wohnungsfrage, die in den vergangenen Monaten alle Überlegungen dominiert und den Blick für bauspezifische Probleme vernebelte. Dabei geht es vor allem um Zahlen, um Finanzierungen, um politische Arrangements.
So hat man denn auch mit Klara Geywitz, die das Ministerium nun führt, keine Baufachfrau ausgewählt, sondern eine Berufspolitikerin, die beruflich nur kurz etwas mit Baufinanzierung zu tun hatte. Und so betreffen die Programmaussagen der neuen Bauministerin im Wesentlichen die Zielmarke von 400.000 Wohnungen, die gebaut werden müssen. Dabei ist der Wohnungsbau ein Feld, auf dem der Bund eigentlich keine wichtige Rolle spielt. Stadtplanung, Bauleitplanung, Wohnbauförderung, Grundstücksverkehr und der gleichen sind alles Bereiche, in denen die Länder und Kommunen das Sagen haben. Vielfach geht es diesbezüglich also ums Moderieren, aber in all die anderen Themen muss sie sich sorgfältig einarbeiten.
Immerhin ist das Bundebauministerium nun kein Männerladen mehr. Neben der Ministerin stehen die Staatssekretärin Cansel Kiziltepe sowie Sören Bartol (beide SPD MdB). Und die Pressestelle ist natürlich in weiblicher Hand. Vorerst verbreitet sich Geywitz über die sozialen Medien. Die Post wird noch im BMI durchleuchtet. Eine eigene Website gibt es noch nicht. Alles „muss beschafft, beantragt, genehmigt werden. Alles ohne Haushalt“, heißt es dazu. Hoffentlich reicht das Haushaltsgeld vorerst für Warmwasser und Strom.

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