Bauwelt

Reicht das?

Der zurückliegende Wohnungsbaugipfel der Bundesregierung stellt vierzehn baukonjunkturelle Maßnahmen in den Mittelpunkt, mit denen die Bauwirtschaft wiederbelebt werden soll.

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

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Kornsberg Süd, am Stadtrand von Hannover, läuft. Hier errichten kommunale und städtische Gesellschaften 4.000 Wohnungen.
Foto: Olaf Mahlstedt

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Kornsberg Süd, am Stadtrand von Hannover, läuft. Hier errichten kommunale und städtische Gesellschaften 4.000 Wohnungen.

Foto: Olaf Mahlstedt


Reicht das?

Der zurückliegende Wohnungsbaugipfel der Bundesregierung stellt vierzehn baukonjunkturelle Maßnahmen in den Mittelpunkt, mit denen die Bauwirtschaft wiederbelebt werden soll.

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

Im Kern geht es bei der Wohnungsbaukrise um zwei Dinge. Erstens, wie schaffen wir jetzt angemessenen und bezahlbaren Wohnraum für alle. Das hat die Politik erkannt. Zweitens, was müssen und dürfen wir bauen, damit dieser Gebäudebestand nicht zu einer städtebaulichen, architektonischen, strukturellen oder CO2-emittierenden Belastung für zukünftige Generationen wird? Wenn das nämlich nicht gelingt, vererben wir ein Problem, mit dem wir uns heute bei der Sanierung und Ertüchtigung der Bauten vergangener Jahrzehnte selbst beschäftigen müssen. Die vorgesehenen Maßnahmen verharren im Hier und Jetzt. Gebaut wird aber nicht für heute, gebaut wird für die Zukunft.
Die Baukrise, präzise gesagt, die Wohnungsbaukrise entwickelt sich zum perfekten Sturm, der Projekte, Investoren und Entwickler hinwegfegt. Die ehrgeizigen, von der Politik gesetzten Ziele von 400.000 zusätzlichen Wohnungen pro Jahr, von denen 100.000 öffentlich gefördert sein sollen, waren schon in besten Zeiten unerreichbar, nun sind sie Makulatur. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und identifiziert als Ursache dafür wirtschaftliche Rahmenbedingungen, gestiegene Kosten für Baumaterialen, höhere Zinsen und den Fachkräftemangel. Nicht aber das verspätete eigene Reagieren oder die Unfähigkeit, die Komplexität der Bauvorschiften oder Verordnungen zu reduzieren. Im besten seemännischen Sinne hat die Bundesregierung die Segel gestrichen und wartete auf besseres Wetter. Klara Geywitz (SPD) hat die Krise bis vor kurzem noch für eine „kurze konjunkturelle Herausforderung gehalten“. Zudem macht sie sich noch Mitte September in der Neuen Osnabrücker Zeitung Sorgen, dass „wir die Lage schlechter reden, als sie tatsächlich ist“.
Der Bundeskanzler sieht das offensichtlich anders und rief zum Wohnungsbaugipfel ins Kanzleramt. Er hat ja auch Recht, denn eine Gesellschaft kann an nicht so vielen Dingen auseinanderbrechen. Vielleicht daran, ob man sich Bildung leisten kann oder nicht, ob man Arbeit hat oder nicht oder ob man im Alter arm sein wird, trotz jahrzehntelanger Arbeit, oder eben nicht. Vielleicht noch an einem Gesundheitssystem, bei dem manche benachteiligt sind und andere nicht. Aber ganz sicher bricht eine Gesellschaft daran auseinander, ob man sich angemessenes Wohnen leisten kann oder nicht. Angemessen heißt dabei nicht nur bezahlbar. Das gewählte Domizil sollte auch am richtigen Ort stehen, was hilft es denn dem Pfleger oder der Polizistin, wenn sie 30 Kilometer entfernt von ihrer Arbeitsstätte wohnen und tagein, tagaus pendeln müssen. Homeoffice ist für diese Berufe keine Option.
Deswegen nun also vierzehn zusätzliche Maßnahmen, die alle zusammen durchaus erfolgversprechend klingen. Im Rahmen des Wachstumschancengesetzes soll die degressive AfA in Höhe von sechs Prozent für neu errichtete Wohngebäude eingeführt werden. Das führt zu Investitionsanreizen, zumal nun davon abgesehen wird, nur Projekte mit dem Effizienzstandard EH40 zu fördern. Diese Forderung wird für sechs Jahre ausgesetzt, solange reicht EH55 aus. Außerdem stellt die Bundesregierung den Bundesländern für den Zeitraum 2022 bis 2027 18,15 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Mit der Kofinanzierung durch die Länder kommen so gesamtstaatlich rund 45 Milliarden Euro für diese Aufgabe zusammen. Bei angenommenen Baukosten, DIN 276, nur Kostengruppen 300 und 400, von 200.000 Euro pro Einheit reicht dies für 225.000 Wohnungen in fünf Jahren, also für 45.000 Wohnungen pro Jahr. Die angestrebten 100.000 öffentlich geförderten Wohnungen entstehen allein so nicht. Die Schaffung von Wohneigentum für Familien mit mindestens zwei Kindern soll ebenfalls attraktiver werden. Die geförderten Kredithöchstbeträge werden um 30.000 Euro angehoben, gleichzeitig erhöht sich die Grenze des zu versteuernden Jahreseinkommens, bei dem zinsvergünstigte Darlehen beantragt werden können, von 60.000 Euro auf 90.000 Euro. Eine weitere Maßnahme ist die Förderung der Umnutzung von Gewerbe- und Büroimmobilien zu Wohnungen, um den Leerstand in Städten ab­zubauen. 480 Millionen Euro werden zur Verfügung gestellt. Das Bauministerium hat in einer Studie festgestellt, dass es hierfür ein Potential von 235.000 Wohnungen besteht, für jede einzelne Maßnahme gibt es also durchschnittlich 2.000 Euro Förderung.
Ein besonderes Augenmerk wird auf den neu ins Leben gerufenen „Gebäudetyp E“ gelegt. Mit diesem kann experimenteller und einfacher gebaut werden, ohne die Bauordnungen zu missachten. Dafür beabsichtigen Bund und Länder Änderungen der Musterbauordnung und der Landesbauordnungen. Den wirklich großen Schritt, die Homogenisierung aller Landesbauordnungen, wagen sie nicht, hier fehlt die Kooperationsbereitschaft der Landesbauämter, die schon seit Jahrzehnten allen Bestrebungen der Vereinfachung wiederstehen. Immerhin sollen die Planungs- und Genehmigungsverfahren durch Digitalisierung vereinfacht werden und für alle Genehmigungsverfahren im Wohnungsbau soll in allen Ländern eine Genehmigungsfiktion von drei Monaten eingeführt werden. Wenig Hoffnung besteht indes bei der Senkung der Grunderwerbssteuer, die ein wesent­licher Hebel zur Reduzierung der Erwerbsnebenkosten wäre. Der Bund möchte eine flexiblere Gestaltung, beispielsweise durch einen Freibetrag, ob die Länder zumindest temporär auf diese Einnahmequelle verzichten werden, ist aber ungewiss.
Diese Maßnahmen haben das Potential, den Wohnungsbau zu reaktivieren, wenn Länder und Kommunen mitziehen. Aber bauen wir damit auch das Richtige? In den vergangenen 15 Jahren der baukonjunkturellen Hochphase ist nicht allzuviel Zukunftsträchtiges zustande gekommen, wohl auch, weil wir einen Energiestandard gefördert haben, der fast nur auf den Verbrauch von fossilen Energieträgern abzielte. Das WDVS wurde so für viele Bauvorhaben das Mittel der Wahl, um diese Ziele zu erreichen.
Gefördert werden auch jetzt Dinge, die beispielsweise die demografische Entwicklung unser Gesellschaft außer Acht lassen. Auch das wirklich nachhaltige, dauerhafte Bauen, bei dem Umnutzungen, Demontage und Wiederverwertung von Bauteilen und Systemen eingeplant werden, wird nicht besonders gefördert. Das ist kurzsichtig. So bauen wir für kommende Generationen Bauwerke, die zu einer ökonomischen und ökologischen Belastung werden, zu Problemen von morgen, die wir anderen überlassen.

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