Bauwelt

Resiliente Stadtentwicklung in der Ukraine: Gestaltung öffentlicher Räume für einen neuen Zusammenhalt

Wie kann man den Austausch zwischen Binnenflüchtlingen und Be­woh­nern der ukrainischen Stadt Drohobych fördern? Die Universitäten in Lviv, Kyjiw und Kaiserslautern starteten ein Pilotprojekt.

Text: Kuzyshyn, Anna, Kaiserslautern; Kurth, Detlef, Kaiserslautern

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    Die Stadtmöbel wurden von Studierenden und lokalen Akteuren gemeinsam gebaut und im historischen Stadtzentrum von Dro­hobych ...
    Foto: Anna Kuzyshyn

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    Die Stadtmöbel wurden von Studierenden und lokalen Akteuren gemeinsam gebaut und im historischen Stadtzentrum von Dro­hobych ...

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    ... und an einer Fußgängerverbindung aufgestellt.
    Foto: Anna Kuzyshyn

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    Dem Bau der Möbel ging ein Workshop voran.
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    Das Projekt auf Facebook: www.facebook.com/Magicalsaltcities
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Resiliente Stadtentwicklung in der Ukraine: Gestaltung öffentlicher Räume für einen neuen Zusammenhalt

Wie kann man den Austausch zwischen Binnenflüchtlingen und Be­woh­nern der ukrainischen Stadt Drohobych fördern? Die Universitäten in Lviv, Kyjiw und Kaiserslautern starteten ein Pilotprojekt.

Text: Kuzyshyn, Anna, Kaiserslautern; Kurth, Detlef, Kaiserslautern

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine seit Februar 2022 führt immer noch zu massiven Zerstörungen in den Städten und deren Infrastruktur. Auch wenn immer weniger davon berichtetet wird, werden fast täglich Krankenhäuser, Schulen, Regierungsgebäude und kulturelle Bauten gezielt bombardiert. Die nicht besetzten Städte stehen vor der Herausforderung, zerstörte Gebäude wiederaufzubauen und neuen Wohnraum sowie Infrastruktur zu schaffen – und über sechs Millionen Binnenflüchtlinge (Internal Displaced Persons IDP) aufzunehmen. Neben den baulichen Maßnahmen ist die Integration der IDP in den Zufluchtstädten sehr wichtig. Es gibt Unterschiede in der Mentalität und Kultur zwischen „einheimischen“ und „neuen“ Bewohnern und Bewohnerinnen – vielleicht vergleichbar mit der Aufnahme von Aussiedlern in die neue Bundesrepublik Deutschland nach 1945. Der öffentliche Raum eignet sich besonders als Plattform für den Austausch und die Aneignung.
Die Stadtentwicklung muss um bauliche und soziale Resilienz erweitert werden. UN-Habitat definiert „Urbane Resilienz“ als eine dreiteilige Strategie, bei der sich die Städte präventiv auf Risikoereignisse vorbereiten, robust darauf reagieren, und sie nach dem Krisenereignis besser wieder aufbauen – „building back better“. Die Ukraine möchte Mitglied der EU werden, das war bereits das Ziel der Maidan-Revolution von 2014. Sie hat schon 2017 mit der „Weißbuch Stadtentwicklung“ damit begonnen, die Ziele der Leipzig Charta für eine demokratische, integrierte und pluralistische Stadtentwicklung umzusetzen. Diese Stadtentwicklungskonzepte müssen nun ergänzt werden um Resilienzaspekte, z. B. Zivilschutz, Schutz kritischer Infrastruktur, Multifunktionalität und Flexibilität. Resilienz ist aber auch eine Frage des sozialen Zusammenhalts: Wie widerstandsfähig und robust ist eine Zivilgesellschaft? Wie gut kann sie die IDP integrieren?
Seit 2022 läuft das Projekt „Ukraine digital“ des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) zur integrierten Stadtentwicklung, das Lehrmodule, Vorlesungen und Stipendien beinhaltet. Unterstützt werden die Hochschulen in Lviv, Kyjv, Poltava, Odessa, Tscherniwzi und Charkiv über eine digitale Austausch- und Lernplattform (www.panforukraine.de) durch die RPTU Kaiserslautern, die BTU Cottbus, und die TH Lübeck. Darauf aufbauend wurden 2023 über dreißig Studierende und Dozenten von den Universitäten in Lviv, Kyjiw und Kaiserslautern von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ unterstützt, um das Projekt „Drohobych Common Spaces“ durchzuführen.
Die wichtigsten Leitbilder des Projektes waren die Unterstützung bei der Integration von IDP in die neue Stadt im Sinne der sozialen Resilienz, Schaffung neuer Narrative in der Ankunftsstadt bei gleichzeitiger Wahrung der Selbstidentität der IDP sowie die Etablierung eines trilateralen Austauschs zwischen „neuen“, einheimischen Bürgern und lokalen Behörden.
Der Dialog zwischen den IDP und den Einheimischen findet meist im öffentlichen Raum statt. In diesem Raum können neue Narrative entstehen – er ist das „Wohnzimmer“ der Stadt, in dem sich jeder Bewohner und jede Bewohnerin, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Status, eingebunden fühlt und sich mit ihm identifiziert. Die Hypothese lautete, dass die IDP durch die Nutzung gemeinsam gestalteter Räume und die Beteiligung an Workshops und der Projektumsetzung zu „neuen“ Bewohnern werden. Indem sie ihre Ideen und Ressourcen in die Umgestaltung des öffentlichen Raums einbringen, erhalten sie ein Umfeld, das Teil ihrer neuen Geschichte wird.
Die wichtigsten Projektziele waren:
- Integrierte Bildung: die Studierenden lernen, öffentliche Räume auf Grundlage partizipativer Prozesse und potenzieller Konflikte zu gestalten und gemeinsam Stadtmöbel zu realisieren
-Hochwertige Gestaltung: Entwicklung von Gestaltungszielen für den öffentlichen Raum im Stadtkontext
- Resiliente Zivilgesellschaft: Einbindung aller Akteure in die Entwicklung des öffentlichen Raums
Die Ziele wurden in drei Phasen umgesetzt: Die erste Phase umfasste eine Bestandsaufnahme, mit Skizzen, Kartierungen, Fotografien, Sozialforschung zur Geschichte und Sozioökonomie, um Orte für Interventionen zu identifizieren. In der zweiten Phase wurden zwei Workshops mit lokalen Akteuren durchgeführt, um Standorte und Projektvorschläge für den öffentlichen Raum zu ermitteln. In der dritten Phase haben die Studierenden zusammen mit den lokalen Akteuren die Stadtmöbel hergestellt und installiert.
Realisierte Modellprojekte
Das Projekt „Kamenyar“ wurde im historischen Zentrum von Drohobych realisiert, gegenüber dem Theater und der ehemaligen Buchhandlung „Kamenyar“, an deren Fassade sich das Gemälde „Mädchen mit Buch“ im Stil des sowjetischen Realismus befindet. Ziele waren die Stärkung der soziokulturellen Funktion und die bessere Aufenthaltsqualität. Zwei alte Bäume rahmen die Bänke ein. Die Gestaltung des Mobiliars erlaubt verschiedene Nutzungsszenarien, das Material und die Farbgebung orientieren sich an den vorhandenen Stadtmöbeln.
Das zweite Projekt „Park der Kultur“ befindet sich in Nähe des Hauses der Kultur, des Krimtatarischen Zentrums und der Staatlichen Pädagogische Universität; dort, wo sich die Fußgängerverbindungen vom Stadtzentrum aus kreuzen. Es war wichtig, die „klassischen“ Gestaltungsansätze zu überdenken: Im Gegensatz zur linearen Anordnung der Bänke entlang der Hauptwege sollten hier verschiedene Nutzungsszenarien in einer 360-Grad-Ausrichtung ermöglicht werden. Somit entsteht eine multifunktionale Alternative zu den üblichen Erholungsorten. Es entstand
eine Bank mit horizontalen Flächen und Tischen mit Platz für zwölf Personen.
Das Projekt zeigt, dass wichtige Impulse für die Neugestaltung des öffentlichen Raums in Krisenzeiten gegeben werden konnten, als ein Ort, an dem sich IDP und Bewohnerschaft begegnen und eine neue Stadtidentität für ihre
Zukunft prägen. Die Beteiligten haben nicht nur theoretisch das Thema erarbeitet und öffent­liche Räume entworfen, sondern auch vor Ort diskutiert und selbst Stadtmöbel gebaut, die dauerhaft das Stadtzentrum aufwerten und beleben werden. Dank der Austauschprogramme entsteht somit eine neue Generation von ukrai­nischen Architektinnen und Stadtplanern, die ihre Städte mit den lokalen Akteuren resilient umbauen wollen, als lebenswerte, demokratische und freie Gemeinwesen innerhalb Europas.

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