Bamako: den urbanen Kollaps verhindern
Die malische Hauptstadt erarbeitet mit ihren Umlandgemeinden einen Masterplan für die Metropolregion Grand Bamako
Text: Sow, Ousmane, Bamako
Bamako: den urbanen Kollaps verhindern
Die malische Hauptstadt erarbeitet mit ihren Umlandgemeinden einen Masterplan für die Metropolregion Grand Bamako
Text: Sow, Ousmane, Bamako
Um dem Entwicklungsdruck durch die Landflucht gerecht zu werden, hat sich 2018 die Planungsbehörde Grand Bamako gebildet. In ihr haben sich 24 Kommunen und die Distriktverwaltung zusammengeschlossen, um einen Masterplan für den Großraum Bamako zu erarbeiten. Direktor der Behörde ist Ousmane Sow. „Im Gegensatz zu den Urbanisierungswellen in Asien seit den neunziger Jahren verzeichnen die subsaharischen Staaten durch das Wachstum der Städte keine signifikante Zunahme der Wirtschaftsleistung“, so der Direktor. Dies erschwere die notwendigen Investitionen in die städtische Infrastruktur wie den Straßenbau. Nach wie vor seien über drei Viertel der Straßen von Bamako unbefestigt. „Mit Grand Bamako haben wir endlich ein Mittel gefunden, die stadtplanerische Ohnmacht zu überwinden“, führt Sow weiter aus. Die Strategie soll etwa regeln, wie landwirtschaftlich geprägte Gemeinden mit Hilfe von Photovoltaik-Anlagen ein dezentrales Stromnetz aufbau-en können, ohne kostspielige Überlandleitungen von der Hauptstadt aus finanzieren zu müssen. Perspektivisch sollen die Themen Raumplanung, Verkehr und Umwelt im Großraum Bamako zusammengeführt werden. Grundsätzlich sieht die Planung vor, dass sich die Umlandgemeinden selbst mit Wasser und Strom versorgen können und anfallende Überkapazitäten in die Hauptstadt liefern. Dank dem anfänglich von der Agence française de développement unterstützten Projekt verfügt Bamako heute über ein Planungsinstrument, das für andere Metropolen als Vorbild dienen kann. Philipp Meuser
Wie viele afrikanische Hauptstädte hat sich auch Bamako in den vergangenen 150 Jahren von einem kleinen Dorf zu einer Millionenmetropole entwickelt. Im Gegensatz zu den Küstenstädten konnte Bamako als Kapitale eines Binnenstaates keine vergleichbare wirtschaftliche Entwicklung durchlaufen. 30 Jahre lang stand das Wachstum weitgehend still, und erst seit etwa 15 Jahren ist eine Bevölkerungszunahme zu verzeichnen. Zeitweise galt Bamako sogar als die am schnellsten wachsende Stadt des Kontinents. Heute leben etwa 2,6 Millionen Menschen im Stadtgebiet von Bamako und eine weitere Million in den Nachbargemeinden. Damit zählt der Großraum Bamako fast drei Mal so viele Einwohner wie Niamey, die zweitgrößte Stadt am 4000 Kilometer langen Niger. Während Bamako nördlich des Niger gegründet wurde und sich dort die anfängliche Stadtentwicklung konzentrierte, leben die Bewohner heute zu fast gleichen Teilen an beiden Ufern des Flusses.
Die Ökonomie Bamakos macht gut ein Drittel der malischen Wirtschaftsleistung aus, was auch dem Anteil Kinshasas an dem der Demokratischen Republik Kongo oder dem Anteil Antananarivos an dem Madagaskars entspricht. Das Phänomen, das in Bamako zu beobachten ist, liegt jedoch in seiner seit Jahren stagnierenden Konjunktur. Dies hat auch 2019 die Weltbankstudie „Bamako – Motor für Wachstum und Leistungssteigerung“ bemängelt. Die Empfehlungen des Berichts identifizieren drei grundlegende Handlungsfelder. Zum einen muss in einem professionell geführten Grundstückskataster ein Flächenmanagement aufgebaut werden, das die kommunale Kontrolle über die Landnutzung festigt. Darüber hinaus müssen die öffentlichen Dienstleistungen wie etwa Straßenbau, Wasserversorgung und Müllabfuhr durch ein effizienteres Gebührensystem verbessert werden. Außerdem fordert die Studie die lokale Politik und Verwaltung auf, die interkommunale Koordination bei der Planung von Investitionen in die Infrastruktur zu festigen – namentlich den Regionalverband Grand Bamako.
Die Idee eines Regionalverbands
Im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit zwischen Frankreich und den ehemaligen Kolonien in Westafrika initiierten die Bürgermeister von Bamako und Lyon 2008 einen internationalen Workshop zum Management einer Metropole. An diesem ersten Workshop nahmen die sechs Gemeinden des Distrikts und einige der Peripherie teil – der Ausgangspunkt für einen föderativen Kooperationsprozess. Eine der Empfehlungen des Workshops war, eine Stadtplanungsagentur zu schaffen. Seinerzeit verzeichnete Bamako eine jährliche Urbanisierungsrate von 5,4 Prozent, und die Stadt zersiedelte zunehmend. Bis zur Gründung der Stadtplanungsagentur Cell im Jahr 2013 fanden vorbereitend jährliche Foren und Workshops mit internationaler Teilnahme statt, u.a. das Stadtentwicklungsforum (2010), das darauf abzielte, einen Raum für Debatten über Fragen des Ballungsraums zu eröffnen, der Workshop über die neuen Zentralitäten von Bamako (2011) und schließlich die Planungswerkstatt „Bamako Horizon 2030“ (2012). Um diese Debatte weiter voranzutreiben, schuf der Bürgermeister des Distrikts Bamako die Cell mit der Aufgabe, einen interkommunalen Regionalverband zu gründen. Mit der Gründung von Grand Bamako Ende Oktober 2018 verständigten sich die Gemeinden auch auf das Ziel, die neue Verwaltung als Ersatz für die fragmentierten lokalen Machtzentren zu verstehen. Weitere Ziele liegen – abstrakt formuliert – in einer Verbesserung der stadttechnischen Dienstleistungen, des Managements von politischenEntscheidungen und in der Erhaltung der Landwirtschaft im Umland. Insgesamt soll Bamako die Rolle eines Wachstumsmotors für ganz Mali übernehmen, was freilich eine Herkulesaufgabe darstellt, ist der Norden des Landes doch von kriegerischen Auseinandersetzungen mit Rebellen und einer daraus resultierenden Binnenmigration gen Süden geprägt.
Grand Bamako: ein Modell für Mali und Westafrika
Anfang 2019 schlossen sich drei weitere Gemeinden Grand Bamako an und erhöhten die Zahl der Mitglieder auf 25. Insgesamt besteht der Planungsrat aus 56 Delegierten mit einem neunköpfigen Vorstand und neun Arbeitsausschüssen. 2020 schätzte man die Zahl der Gesamtbevölkerung dieser Gemeinden mit einer Fläche von gut 3500 Quadratkilometern auf 3,5 Millionen Einwohner. Um die zusammengeschlossenen Kommunen mit technischen Dienstleistungen zu versorgen, beschloss der Bezirksrat, sich zu metropolisieren, d. h. seine Dienstleistungen auf den Großraum Bamako auszuweiten. So wurde zunächst die Agence urbaine du Grand Bamako geschaffen, die aus der Cell hervorging. Die Zuständigkeit weiterer Dienststellen des Bezirksamtes Bamako werden ebenfalls auf Grand Bamako ausgeweitet. Dies ist der Fall bei der Direktion für Straßen- und Tiefbau (DSUVA) sowie der Direktion für Verkehr und Transport (DRCTU).
Sollte sich diese Verwaltungsreform als erfolgreich erweisen, hat die Weltbank einen Kredit von 250 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Vor diesem Hintergrund erhält die Studie „Bamako – Motor für Wachstum und Leistungssteigerung“ eine umso wichtigere Rolle. Ein Arbeitsschwerpunkt von Grand Bamako ist daher gegenwärtig die Erarbeitung eines Masterplans für die Region, der Perspektiven für die Siedlungsentwicklung sowie für die Mobilität festlegt. Außerdem liegen die Schwerpunkte von Grand Bamako in der Ver- und Entsorgung. So etwa sieht die Planung zunächst vor, zwei von insgesamt fünf Mülldeponien zu errichten, zwei Klärwerke zu bauen und die Trinkwasserversorgung in den Schulen und Gesundheitszentren modernen hygienischen Anforderungen anzupassen. Außerdem sollen besonders vernachlässigte Stadtteile und informelle Siedlungen an die städtische Infrastruktur angeschlossen werden.
Inzwischen dient Grand Bamako auch als Modell für andere Städte in Westafrika. Auf Initiative von UN-HABITAT wurden 2019 etwa den Stadtverordneten in Ouagadougou, Hauptstadt des Nachbarlands Burkina Faso, Struktur und Arbeitsweise von Grand Bamako erläutert. Das internationale Interesse an diesem ersten Regionalplanungsmodell in Westafrika scheint hoch. Auf Konferenzen in Kolumbien, China und in den Vereinigten Arabischen Emiraten traf Grand Bamako auf interessierte Zuhörer. Im vergangenen Jahr fand noch kurz vor der COVID-19-Pandemie eine weitere Konferenz in Bamako statt, an der alle acht Staaten der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion und Vertreter aus weiteren zwölf Ländern teilnahmen. Vom Modell Grand Bamako überzeugt, diskutierten sie die Schaffung einer Stadt- und Regionalplanungsagentur auf gesamtafrikanischer Ebene. Für 2021 hat die EU zugesagt, die burkinische Initiative zur Gründung einer Planungsbehörde Grand Ouaga zu unterstützen.
Der Weg zum Erfolg
Dass die Gründung von Grand Bamako ein Erfolg wurde, hat verschiedene Gründe. Ohne einen vom Staat festgesetzten Rechtsrahmen sowie personelle und technische Unterstützung im Rathaus des Distrikts Bamako konnte bei den Mitgliedern der Regionalbehörde keine entsprechende Akzeptanz geschaffen werden. Die Glaubwürdigkeit bei den Akteuren wird auch durch eine pro-aktive Kommunikation unterstützt, d.h. dass getroffene Gemeinden so früh wie möglich in eventuelle Veränderungen und Bauvorhaben im Rahmen des Masterplans eingebunden werden. Die Zeiten, in denen eine Zentralregierung einsam entschied, und die Konsequenzen daraus von den betroffenen Gruppen widerstandslos akzeptiert werden müssen, sind vorbei. Wichtig sind aber auch Steuern und Abgaben, die die Mitglieder an Grand Bamako abführen und mithilfe derer Maßnahmen koordiniert umgesetzt werden. Das ist für die Reputation einer solchen Behörde besonders wichtig.
Im Zuge der Gründung und des Beginns der Arbeit von Grand Bamako waren zwei Zitate ein Wegweiser. Der Satz von Henry Ford „Zusammenkommen ist ein Anfang, Zusammenbleiben ist Fortschritt und Zusammenarbeiten ist Erfolg“ und die Aussage von Martin Gray „Derjenige, der weiß, was er will, und der weiß, wohin er geht, dieser ist schon auf halbem Weg“ begleiten die Treffen und Gespräche der inzwischen 33 Mitglieder von Grand Bamako. Der Masterplan, der bis Ende 2021 als erster Entwurf vorgelegt und bis 2023 ausgearbeitet werden soll, ist ein wichtiger Meilenstein für die zukünftige Entwicklung der Region. Finanziert wird er durch die Weltbank – basierend auf der Studie „Horizon 2030“. Wenn es gelingt, die Ziele des Masterplans umzusetzen, kann es auch gelingen, die kaum aufzuhaltende Urbanisierung Bamakos für eine steigende Wirtschaftsleistung zu nutzen. Bamako könnte zu einem Beispiel werden, das beweist, dass auch Städte in Subsahara-Afrika die Kraft haben, mit einem Mehr an Bevölkerung auch ein Mehr an ökonomischer Kraft zu entfalten. Die Wege zu mehr Resilienz hat zumindest die Weltbank-Studie aufgezeigt. Ob einWohlstand in ähnlich kurzen Fristen wie bei den Verstädterungsprozessen in Asien seit den neunziger Jahren erreicht werden kann, bleibt abzuwarten. Die erheblichen Investitionen in die regionale Infrastruktur und die neue Behörde Grand Bamako haben jedoch eine Richtung aufgezeigt, wie die Urbanisierung von Bamako Wohlstand schaffen und sogar dazu führen kann, dass Bamako zum Wachstumsmotor von Mali wird.
Aus dem Französischen von Philipp Meuser
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