Von wegen piazza aperta
Leonardo Costadura kam wie immer beglückt und besorgt zugleich aus der Ewigen Stadt zurück. Wo die Vergangenheit allgegenwärtig ist, dort ist (vielleicht gerade deswegen) ein Zukunftslabor.
Text: Costadura, Leonardo, Berlin
Von wegen piazza aperta
Leonardo Costadura kam wie immer beglückt und besorgt zugleich aus der Ewigen Stadt zurück. Wo die Vergangenheit allgegenwärtig ist, dort ist (vielleicht gerade deswegen) ein Zukunftslabor.
Text: Costadura, Leonardo, Berlin
Piazza ist ein hochgradig evokatives Wort: Sofort erstehen vor dem inneren Auge trutzige Kommunalpaläste aus dem zentralitalienischen Mittelalter, ornamental verspielte Pflasterungen oder palladianische Arkadenfluchten aus der Hochrenaissance. Brandreden von Savonarola, das Donnern der Pferdehufe beim Palio, das Knistern von Giordano Brunos Scheiterhaufen und ein salbungsvoller Urbi-et-orbi-Segen erfüllen das Ohr. Jeder weiß, wenn das Wort „piazza“ fällt, dann geht es um Gesellschaft, dann geht es um Politik, dann geht es ums Ganze – es sei denn, man liest ihn in einer Vermarktungsbroschüre für ein beliebig aussehendes aber verboten teures Wohnbauprojekt.
Wohl keine Stadt auf der Welt ist derart reich an Plätzen unterschiedlichster Form und Größe wie Rom. Mitten in seinem Zentrum liegen zwei Plätze direkt nebeneinander, die man seit der Gründung der Republik 1946 als Italiens politische Herzkammer ansprechen kann: Piazza Colonna, an der der Ministerpräsident, jetzt die Ministerpräsidentin residiert, und Piazza di Monte Citorio, an der das Parlament tagt.
Konnte man bis vor einigen Jahren noch an der Tür des Ministerpräsidenten vorbei zum Abgeordnetenhaus schlendern, ist dies schon seit einiger Zeit nicht mehr möglich; denn es wurde nicht etwa eine kleine Pufferzone vor den beiden Eingängen eingerichtet, nein, beide Plätze wurden einfach komplett abgesperrt. Im Sinne des „strategic urban planning“ wurden hier keine Anstalten gemacht, die Intention auch nur ansatzweise zu verschleiern: Ansammlungen sind dort, wo die demokratische Exekutive tätig ist, ausdrücklich nicht erwünscht. So wird der Res Publica, der „öffentlichen Angelegenheit“, Hohn gesprochen.
Vor diesem Hintergrund darf es dann auch niemand überraschen, dass eine, die sich als Volkstribunin aufspielt, so viel Zustimmung an den Urnen findet. Spannend wird freilich sein, ob diese beiden symbolträchtigen Plätze unter ihrer Ägide wieder geöffnet werden. Oder soll sie etwa eine Balkonrede, wie sie ihr historisches Vorbild so gerne ein paar hundert Meter weiter vom Palazzo Venezia aus hielt, vor leerem Platze schwingen?
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