Weide und Erde
Am Karlsruher Institut für Technologie wird das Potenzial ungebräuchlich gewordener Materialien für ein kreislaufgerechtes Bauen mithilfe digitaler Entwurfs- und Fertigungsmethoden untersucht
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Weide und Erde
Am Karlsruher Institut für Technologie wird das Potenzial ungebräuchlich gewordener Materialien für ein kreislaufgerechtes Bauen mithilfe digitaler Entwurfs- und Fertigungsmethoden untersucht
Text: Friedrich, Jan, Berlin
An der Uni Stuttgart hat man auf der Suche nach einem regional verfügbaren, schnell nachwachsenden Rohstoff Flachs als leistungsfähiges Baumaterial wieder- respektive neuentdeckt. Mit ähnlichen Absichten erforschen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) die beiden Professuren „Digital Design and Fabrication“ (DDF) und „Design of Structures“ (dos), welche Anwendungsmöglichkeiten Materialien wie Weidenruten und Lehm bieten könnten – Baustoffe, die jahrhundertelang Teil des historischen Architekturrepertoires waren, ehe sie durch die Industrialisierung verdrängt wurden.
Langfristiges Ziel der Forscher ist es, kreislaufgerechte Bauweisen zu entwickeln, die mithilfe digitaler Entwurfs- und Fertigungsmethodenim industriellen Maßstab umsetzbar sind. Heute sei Holz das einzige bedeutende erneuerbare Baumaterial, so das Team um den Architekten Moritz Dörstelmann, Professor Digital Design Fabrication, und den Tragwerksplaner Riccardo La Magna, Professor Design of Structures. Um eine langfristige Abhängigkeit von dieser einzigen Ressource zu verhindern, müsse eine Diversifizierung erneuerbarer Materialien in der Architektur erreicht werden. Weide und Pappel hätten das Potenzial, „die lokale europäische Variante des Bambus“ zu werden.
Wissenschaftler und Studierende untersuchten also die Möglichkeiten, mit Weidenzweigen tragende Strukturen zu fertigen. Unterschiedliche Flechtarten und ihre Leistungsfähigkeit wurden erprobt. Ein erstes Demonstrationsobjekt ist entstanden, eine Mischung aus Stadtmöbel und Skulptur, das in einem ersten Schritt vor allem die Fertigungstechnik selbst vorführt, weniger ihr ästhetisches Potenzial. Das Objekt besteht aus 21 vorgefertigten Teilen, die leicht und schnell zusammengesetzt und wieder demontiert werden können.
Die Elemente sind aus Weidenzweigen gefertigt, die in ein Gerüst aus dünnen Holzstangen geflochten werden. Durch die Kombination verschiedener geometrischer Muster entsteht eine biegesteife Gesamtstruktur. Erde, die an einigen Stellen in die Struktur eingebracht wurde, sorgt für zusätzliche Stabilität. Für das Demonstrationsobjekt wurden die Elemente noch handwerklich gefertigt. Inzwischen ist es gelungen, ein Fertigungswerkzeug zu entwickeln, mit dem ein Roboter die Weidenruten greifen und durch die Holzstäbe fädeln kann.
Übrigens ist es kein Zufall, dass neben der Uni Stuttgart nun auch in Karlsruhe zu nachwachsenden Rohstoffen in Kombination mit robotischer Fertigung geforscht wird. Es handelt sich um die nächste Generation: Moritz Dörstelmann hat lange bei Achim Menges am ICD gearbeitet, Riccardo La Magna bei Jan Knippers am ITKE.
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