Architectural Guide Chicago
A Critic’s Guide to 100 Post-Modern Buildings in Chicago
Text: Hamm, Oliver G., Berlin
Architectural Guide Chicago
A Critic’s Guide to 100 Post-Modern Buildings in Chicago
Text: Hamm, Oliver G., Berlin
Es ist schon eine ungewöhnliche Idee, einen ganzen Architekturführer nur einer einzigen Bauepoche einer Stadt zu widmen: Im Falle von New York City hatte sich der ukrainischstämmige Kurator und Kritiker Vladimir Belogolovsky die Zeitspanne 1999–2020 vorgenommen (publiziert 2019 bei DOM publishers), im Falle von Chicago fokussiert er auf die Post-Moderne im Sinne von „nach Mies und dessen Epigonen“ und in Abgrenzung zum „less is more“-Architekturdogma, also nicht im Sinne der durch ein viel engeres Zeitfenster begrenzten internationalen Architekturmode der Postmoderne. Sein Blick reicht dabei bis in die nahe Zukunft, d.h. er hat auch drei Gebäude berücksichtigt, die noch gar nicht vollendet sind. Das Einstiegsjahr des Autors ist 1978, in dem Stanley Tigerman in einer Collage Mies’ Crown Hall im Lake Michigan versenkte („The Titanic“), mit Helmut Jahn und anderen Gruppenmitgliedern der Chicago Seven an der Exquisite Corpse Exhibition in der Graham Foundation in Chicago teilnahm und die Illinois Regional Library for the Blind and Physically Handicapped (heute Lakeside Bank) vollendete, die heute als erstes Bauwerk der Postmoderne in Chicago gilt.
In zwölf Stadtteil-Kapiteln bietet der Autor eine große Bandbreite sowohl an Bauaufgaben als auch an architektonischen Handschriften an. Gleich acht Mal ist Helmut Jahn vertreten, dessen ikonisches James R. Thompson Center (Bauwelt 2.2022) auch den Auftakt bildet. Insgesamt 100 Bauwerke, überwiegend von lokal ansässigen Architekturbüros entworfen, werden in teils etwas langatmigen Texten vorgestellt und häufig mit mehreren Abbildungen illustriert. Mit seinem einführenden Beitrag „Chicago Architects“ lässt Belogolovsky zudem die „Vorväter“ – also jene Architekten, die schon lange vor 1978 den Ruf Chicagos als eine der Hauptstädte signifikanter Architektu-ren begründeten – und deren Hauptwerke Revue passieren. Ergänzt wird das Buch durch Interviews mit sechs der für das Chicago der letzten fünf Dekaden wichtigsten Architekten: Stanley Tigerman, Helmut Jahn, Adrian Smith (ehemals SOM), Ralph Johnson vom Büro Perkins & Will, John Ronan und Jeanne Gang.
Am Ende bleibt die grundsätzliche Frage, ob es bei einem Architekturführer wirklich sinnvoll ist, sich nur auf eine bestimmte Zeitspanne zu konzentrieren – diese Frage muss jeder Architekturtourist, der im Zweifelsfall zwei Bücher mit sich schleppen muss, wenn er vor Ort wirklich umfassend informiert sein will, selbst entscheiden.
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