Bauten des Bundes 1949–1989
Zwischen Architekturkritik und zeitgenössischer Wahrnehmung
Text: Rumpf, Peter, Berlin
Bauten des Bundes 1949–1989
Zwischen Architekturkritik und zeitgenössischer Wahrnehmung
Text: Rumpf, Peter, Berlin
Keine leichte Lektüre, in jeder Hinsicht. Sie wiegt gute sieben Pfund, umfasst 676 Seiten und birgt eine beeindruckende Fülle von Informationen. Auf der Umschlagseite zeigt das Buch einen Bau des Bundes, den wohl kaum einer kennt: die Botschaft von Rio de Janeiro. Auch wenn der Titel die Zusammenschau aller Objekte verspricht, als dessen Bauherr die Bundesrepublik Deutschland von ihrer Entstehung bis zur Wiedervereinigung 1989 verantwortlich zeichnet, liegt der Schwerpunkt – zumindest in der ersten Hälfte – auf der in der Presse publizierten Resonanz: der meist überregionalen Tagespresse und den einschlägigen Fachzeitschriften, also der „Süddeutschen Zeitung“ (mit Gottfried Knapp), der „Zeit“ (mit Manfred Sack), dem „Spiegel“, dem „Rheinischen Merkur“ und dem Berliner „Tagesspiegel“ so-wie dem „Architekturforum“, dem „Baumeister“, der „Bauwelt“, der „Deutschen Bauzeitschrift“, der „Arch+“ und der „Bauverwaltung“.
Das macht das Werk zusätzlich interessant, weil die jeweilige Sicht der verschiedenen Kritiker auf neue Architektur auch Rückschlüsse zum Verhältnis auf die Bundeshauptstadt Bonn als „Synonym für Provinzialität“ und die „Demokratie als Bauherr“ zulässt. Es spiegelt somit auch die zeitgenössische Gesellschaftskritik wider. Wobei nicht nur Bonn im Mittelpunkt steht, sondern alle Beispiele im Land wie im Ausland: Botschaften, Goethe-Institute, Deutsche Schulen, Weltausstellungen und Sonderaufgaben. Da trifft der Leser auf bekannte Namen wie Hans Scharoun (Botschaft in Brasilia, 1968–71), Egon Eiermann (Botschaft in Washington, 1962–64), Sep Ruf (Kanzlerbungalow, 1963), Sep Ruf mit Egon Eiermann (EXPO-Pavillon Brüssel, 1958). Für ein nicht-realisiertes Beispiel steht der von Helmut Kohl initiierte Wettbewerb Deutsches Historisches Museum im Berliner Spreebogen 1989, mit einem postmodernen Ensemble von Aldo Rossi als Gewinner, das heftigste Kontroversen in allen Blättern ausgelöst hat.
Man tut der Publikation keinen Gefallen, wenn man wie oben einzelne Bauten heraushebt. Ihre Stärke erweist sich ja gerade in der lückenlosen Fülle mit 168 Vorhaben. Die finden im Teil III (Katalog) – nach Grundlagen und Analysen I und II – ihre Auflistung auf meist einer Doppelseite mit Verfasser, Planungsgeschichte, Besonderheiten, aktuelle Situation sowie Lageplan und Fotos.
Betont werden muss, dass die vorliegende Arbeit nicht vom Bauherrn, der Bundesregierung, veranlasst wurde – und dass die Autorin sich jeglicher Benotung, was die Architektur betrifft, enthält. Nicht allerdings des Hinweises, dass auch „Bauten von sehr hoher Qualität“ entstanden sind. So plädiert sie dafür, beim Blick auf die Denkmalwürdigkeit die jeweilige Entstehungszeit und deren Einstellung zur „modernen“ Architektur alssolcher zu berücksichtigen.
Elisabeth Plessen hat Geschichte, Philosophie und Germanistik studiert. Das nun vorliegende opus magnum ist die überarbeitete Fassung ihrer Dissertation am Institut für Architektur der Universität Stuttgart.
PS: Wer sich für die deutsche Aristokratie interessiert, wird vielleicht in anderem Zusammenhang auf den Namen Plessen gestoßen sein und wissen, dass die Autorin nicht nur das „von“ in ihrem Namen gestrichen hat, sondern sich auch mit dem Roman „Die Unerwünschte“ und schon vorher mit „Mitteilungen an den Adel“ mehr als kritisch in das deutsche gesellschaftliche Selbstverständnis eingemischt hat. Insofern ist nun der Blick auf die bauliche Selbstdarstellung eine nicht ganz abwegige Fortsetzung.
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