Das Buch als Entwurf
Textgattungen in der Geschichte der Architekturtheorie
Text: Hammerschmidt, Valentin, Dresden
Das Buch als Entwurf
Textgattungen in der Geschichte der Architekturtheorie
Text: Hammerschmidt, Valentin, Dresden
Man kann in vieler Weise über Architektur raisonnieren: im Tanz, am Klavier oder mit Bildern. Dieter Erben und seine Mitautoren wollen sich auf schriftliche, sprachliche Formate beschränken und nicht Aussagen zur Architektur untersuchen, sondern ihre literarische Form. Was dabei als Architekturtheorie gilt, bestimmen die Autoren. Vitruv kommt nur im Spiegel der Neuzeit vor, das Mittelalter wird übergangen. Zum Auftakt werden einige der monumentalen Schriften der Renaissance und des Barock vorgestellt. Wie aus diesen affirmativen Texten sukzessive die Unterminierung der Tradition und die Begründung der Moderne durch selbstständige Urteilsfähigkeit wurde, gehört zu den großen Faszinosa der Ideengeschichte.
Danach stellt sich das Problem der exponentiellen Zunahme an Publikationen: Mediale Verdichtung und das Wachstum der Wissenschaften lassen den einzelnen Text verschwinden und die Übersicht schwierig werden. Dass Gottfried Sempers theoretische Schriften zum Beispiel keine Reiseliteratur sind und dass sie nicht erst auf der Londoner Weltausstellung beruhen, sondern auf seinem Aufenthalt 20 Jahren früher in Paris – geschenkt. In der Architekturtheorie kann man ihn aber nicht aus der Evolutionslehre erklären – das verstellt das Verständnis seiner „4 Elemente der Baukunst“ ebenso wie das der „organischen“ Richtung der Architektur, die in diesem Band übrigens nicht vorkommt.
Ungewöhnlich in solchem Umfeld, findet sich aber tatsächlich eine Entwurfslehre – wohl auch, weil John Hejduk sie im MoMA ausgestellt hat. Dafür fehlt praktisch alles, was von und zu den Avantgarden und Arrièregarden des 20. Jahrhunderts geschrieben wurde. Wenn man den wortkargen „Amerika“-Bildband von Erich Mendelsohn, erschienen 1928, einbezieht, ist es wohlfeil, über einen Mangel an Theorie zu polemisieren. Dass sich Mendelsohns Reflexionen vor allem im Briefwechsel mit seiner Frau finden, passte nicht in das Konzept der Literatur-Gattungen.
Die „Subjektivierung“ des Urteils in der Moderne kulminiert in der Gattung der Architektenautobiographie. Hier steht dafür das schmale Büchlein Aldo Rossis, das tatsächlich tiefere – psychologische – Grundierungen seiner „Architettura razionale“ erkennen lässt. Matthias Noell gelingt es abschließend, in einem fulminanten Aufsatz über das Kultbuch „S,M,L,XL“, diesen sperrigen Klotz so aufzuschließen, dass tatsächlich eine Engführung des Geschriebenen mit Rem Koolhaas‘ Architektur erkennbar wird, und zu zeigen, wieviel Poesie in der Theorie stecken kann.
Dieter Erben gibt uns viel zu lesen, Interessantes und einiges Neues darunter. Für das Nachdenken über Architektur hat er die Methode der Literaturwissenschaft aber nur begrenzt nutzbar gemacht. Auch wenn „Das Buch als Entwurf“ genau so dick im Regal steht: Ein Handbuch wie „der Kruft“ wird es eher nicht.
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