Bauwelt

Funktionale Möbelgestaltung für Bildung und Büro

Die Geschichte der V/S 1898–2023

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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Funktionale Möbelgestaltung für Bildung und Büro

Die Geschichte der V/S 1898–2023

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Das Buch handelt von der Geschichte der Vereinigten Schulbankfab-riken V/S und erschien zum 125. Firmenjubiläum im letzten Jahr. Der Titel „Funktionale Möbelgestaltung für Bildung und Büro“ irritiert insofern, als man mit dem Unternehmen immer noch Schulmöbel verbindet, auch wenn es sich heute Vereinigte Spezialmöbelfabriken nennt und den „Lebens- und Arbeitsraum Büro mit intelligenten Möbeln und integrativen Lösungen“ abdeckt.
Thomas Müller, Autor des von Nicolaus Ott gestalteten Buchs, war bis 2016 in dritter Generation der Geschäftsführer. Er hat sich intensiv mit der langen, phasenweise bewegten Geschichte des Unternehmens befasst. Sie beginnt 1898 mit dem Zusammenschluss der Firmen Ramminger & Steller, C. A. Kapferer und der „Werkstätten für Schuleinrichtungen“ P. Johannes Müller zu den Vereinigten Schulbankfabriken. Die Produktion wuchs rasant. Das wohl eindrucksvollste Foto im Buch zeigt achtfach gestapelte Rettig-Schulbänke vor der Auslieferung. Architekt Wilhelm Rettig entwarf 1895 die lange Zeit erfolgreiche deutsche Zweisitz-Schulbank. Ein Großbrand 1923, inmitten der Inflation, war ein tiefer Rückschlag. Der Bau einer neuen Fabrik gelang mit vielen Unterstützern in der Region. Während des Nationalsozialismus „versuchte man auch bei V/S, sich zu arrangieren“. Im Zweiten Weltkrieg wurden jährlich mehrere tausend Munitionskisten produziert.
Nach dem Krieg expandierte das Unternehmen, neue Schulmöbel wurden gebraucht. Die Chronik von Müller stellt besonders die Bedeutung von Karl Nothhelfer und Verner Panton heraus. Nothhelfer war ab 1947 zuständig für das gesamte neue Programm. Er entwarf den berühmten zweibeinigen Kufenstuhl aus Holz. Von 1952 bis 1990 wurden sechs Millionen dieser Stühle hergestellt. Später kam der Stahlrohrstuhl mit Tisch hinzu. Nothhelfer war auch der Architekt von Firmengebäuden und des Direktorenwohnhauses nebenan. In den 1990er Jahren entstanden am Stammsitz Tauberbischofsheim Neubauten der Büros KSP Jürgen Engel und Behnisch Architekten. Günter Behnisch entwarf zuvor mit Hubertus Eilers Schuleinrichtungen und die Büromöbel der „Serie 900“ für das Unternehmen.
Wichtig ist Müller sein am Firmensitz geschaffenes Schulmöbelmuseum. Es basiert nicht allein auf den eigenen Möbeln, sondern auf seiner Passion, immer neue Sitzmöbel und Bänke, un-ter anderem von Jean Prouvé und Richard Neu-tra, zu erwerben. Müller unternahm auch den vergeblichen Versuch, Neutra-Möbel nachzubauen und auf den Markt zu bringen (Bauwelt 1–2. 2014). In der Ausstellung steht auch ein Modell von Neutras „Ring Plan School“ aus dem Jahr 1932. Vor fünf Jahren führte der Rezensent ein Interview mit Thomas Müller mit Blick auf das neue Stuhlprogramm von Jean Nouvel, das damals überraschte und neugierig machte (Bauwelt 11. 2019). Müller war der Meinung, dass nach Nothhelfer und der eine Epoche lang weltweit erfolgreichen Panton-Stuhlfamilie ein neuer großer Name der Szene für sein Unternehmen zu gewinnen sei, der als Architekt bereits Möbel entworfen hatte. Der Lehrer-Sohn Nouvel war interessiert, sagte 2017 zu, und es entstand in Variationen und großem Farbspektrum die Serie „Jumper“.
Leider entwickelt sich das Buch zum Ende hin mit der Auswahl an Abbildungen und dem Nachwort von Philipp Müller, der in vierter Generation das Unternehmen V/S weiterführt, allzu sehr in Richtung einer Festschrift zum Jubiläum. Die Chronik insgesamt ist aber basierend auf dem Archiv sorgsam dokumentiert mit vielen erstaun-lichen Details eines Unternehmens der Möbelproduktion, das in enger Bindung mit Designern und Architekten der Zeit die Schulplanung mit all ihren pädagogischen Veränderungen mitprägte.
Fakten
Autor / Herausgeber Thomas Müller
Verlag Weisse + Zohlen Verlag, Berlin 2024
Zum Verlag
aus Bauwelt 4.2025
Artikel als pdf

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4.2025

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