Handbuch der Stadtbaukunst
Anleitung zum Entwurf von städtischen Räumen
Text: Hotze, Benedikt, Berlin
Handbuch der Stadtbaukunst
Anleitung zum Entwurf von städtischen Räumen
Text: Hotze, Benedikt, Berlin
Die Schönheit der Stadt ist wieder da. Sie kommt im leinenbezogenen Schuber und besteht aus vier edlen Bänden. Die Schönheit bildet Räume aus: Stadträume, Hofräume, Platzräume und Straßenräume. Zusammengenommen sind sie Stadtbaukunst – so auch der Titel dieser Handbücher. Wer sie zur Hand nimmt, verfügt über das Handwerkszeug, schöne Städte zu bauen. Nach den Manualen und Atlanten von Vittorio Magnago Lampugnani (Bauwelt 19.2019) bereichern jetzt die Handbücher des Dortmunder Modells um Christoph Mäckler die Lehre von der Stadtbaukunst.
Wer wollte etwas gegen die Schönheit unserer Städte haben? Im Gegensatz zu Lampugnanis öden Atlanten in ihrer digitalen Übergenauigkeit wird hier mit Luftfotos, anschaulichen Lageplänen und Schemaskizzen gearbeitet. Gemeinsam bilden die vier Bände ein Kataster der städtebaulichen Positivbeispiele aus dem deutschsprachigen Raum, breitflächig typologisiert und – man hat es schon geahnt – weitgehend aus vergangenen Epochen stammend.
Als Ergebnis jahrelanger Lehre (mit einem öffentlich geförderten Forschungsbericht als Vorläufer) liegt damit jetzt das Opus Magnum der Dortmunder Lehrauffassung auf dem Tisch. Künstlerischer Städtebau statt sozialwissenschaftlicher Stadtplanung – ein plausibles Anliegen, nur: Wer hat heute noch die Chance, in diesen Maßstäben neu zu planen? Sonnenkönige gibt es nicht mehr, unsere Städte sind gebaut, und die Zukunft liegt in der Um-Orchestrierung des Bestands, nicht im frei gesetzten Entwurf.
Wer schön sein will, muss leiden. Die Beispiele sind weitgehend rückwärtsgewandt, von der Römerzeit bis in die 1920er Jahre (dort allerdings auch Bruno Taut, Ernst May, Fritz Schumacher). Aus der Gegenwart werden Retro-Planungen wie die von Brenner, Nöfer oder Kollhoff für schön befunden. Aber ist etwa ein Monte Carasso eines Luigi Snozzi nicht auch schön? Da war Wolfgang Sonne mit „Urbanität und Dichte im 20. Jahrhundert“ (Bauwelt 36.2014) etwas forscher; er brachte auch neuere Positiv-Beispiele – auch wenn diese umso dünner werden, je näher sie der Gegenwart kommen.
Wer eine „Entwurfsanleitung“ im Sinne des Akademismus des 19. Jahrhunderts anbietet, sieht die sozio-ökonomischen Ziele der Moderne nur ex negativo. Ausgeblendet wird, dass Städtebau ein komplexer interaktiver Vorgang mit einer Reihe von Akteuren und Interessen ist, die austariert werden müssen. Soziale und funktionale Mischung wird hier zwar auch angemahnt, aber die ökonomischen und politischen Bedingungen dafür werden nicht thematisiert, stattdessen werden positiv gemeinte Impressionen von Straßenszenen in „funktionierenden“ gründerzeitlichen Quartieren vorgeführt, die schon bald für die dort gewünschten Akteure unbezahlbar sein könnten.
Kurz: Städtebau ist hier ein rein ästhetisches Thema, kein soziales oder politisches. Zudem sind die kurzen Texte des Herausgebers paternalistisch und auch mal fachlich überholt, beispielsweise wenn Radwege aus ästhetischen Gründen „ähnlich dem Fußweg auf erhöhtem Straßenniveau“ (vulgo: auf Bürgersteigen) angelegt werden sollen.
0 Kommentare