Hansaviertel
Portraits
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Hansaviertel
Portraits
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Die Architektur des Berliner Hansaviertels vorstellen und zugleich Menschen in ihren Wohnungen porträtieren, ist die Ambition dieses von Catarina Rancho (Fotos) und Anna Frey (Texte) konzipierten Buches. Gemeinsam ist beiden Herausgeberinnen die „Begeisterung für schöne Dinge und Geschichten“, die sie in farbenfrohen Fotos und Interviews aufs Papier bannen.
Die kursorisch vorgestellten Häuser der seinerzeit international, national oder zumindest regional führenden Architekten waren zuvörderst Exponate der Internationalen Bauausstellung 1957. In ihnen befanden sich so genannte „Muster-Wohnungen“, die nach dem völkischen Muff des Nationalsozialismus von einem neuen, offenen Lebensstil zeugen sollten.
Rund siebzig Jahre später wird nun das individuelle Aneignen gezeigt. Daniel im Eternit-Haus etwa möchte Wohnung und Haus wieder nahe dem von Paul Baumgarten entworfenen Zustand bringen: „The design is close to perfection“; Hannes und Peter sind froh über die drei Kammern in der ansonsten räumlich sparsam entworfenen Wohnung von Pierre Vago; Anna und Thomas nutzen im „Schwedenhaus“ von Fritz Jaenecke und Sten Samuelson die Möglichkeiten des flexiblen Grundrisses; der Architekturstudent Kei stellt in Egon Eiermanns Zwei-Zimmer-Wohnung fest: „Alles hat seinen Platz, jeder Quadratzentimeter ist gedacht.“
Vermissen tun sie zuweilen das soziale Miteinander. Otto, mit 90 Jahren der älteste Inter-viewpartner, befremdet, dass die Menschen hier eher für sich bleiben. Hoffnung erweckt der Blick des jungen Wissenschaftlers Felix auf die nicht genutzten Gemeinschaftsloggien im Hochhaus von Van den Broek en Bakema: „Dieses Partizipative ist etwas, das meiner Generation liegen könnte.“
Nahezu alle Porträtierten schwärmen von den herrlichen Ausblicken ins Grüne oder in die Weite: Die Hochhäuser und Zeilenbauten stehen schließlich im Tiergarten, der für die Interbau 57 auf das kriegszerstörte gründerzeitlich dicht bebaute Hansaviertel ausgeweitet wurde. Könnten nicht solche in einem Park errichtete Solitäre heutzutage mit Einfamilienhausgebieten konkurrieren?
Die Porträts überschreiten häufig die Grenze zu Home-Stories, zumal der Auswahl der zehn Männer und drei Frauen offensichtlich deren Distinktion für das Wohnen im Hansaviertel zugrunde liegt. Die ansprechende Buchgestaltung sorgt freilich für eine angenehme Zerstreuung, unbeschadet von den Ansprüchen heutiger Architektur.
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