Bauwelt

Im Garten der Romantik

Text: Brosowski, Bettina Maria, Braunschweig

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Im Garten der Romantik

Text: Brosowski, Bettina Maria, Braunschweig

Umgangssprachlich bringt man Garten und Roman­tik gerne in Verbindung – ein Garten scheint per se romantisch, weil er all unse­re Sinne berührt. Beim Wandeln im Natur­raum sind wir der Witterung ausgesetzt, können vielleicht Früchte genießen – kurzum, ein Garten bereichert unser Leben aufs Angenehmste.
Mit dieser Vorstellung der Romantik räumt Hans von Tro­tha auf. Der Publizist und Kurator ist Kenner des englischen Landschaftsgartens des 18. Jahrhunderts wie der europäischen Gar- ten­geschichte allgemein. Sein Band „Der englische Garten. Eine Reise durch seine Geschich­te“ ist „Vorspann“ zum vorliegenden Buch. Ohne die natürlich erscheinenden, jedoch inszenierten Landschaftsbilder des englischen Gartens, geboren aus dem Geist der Aufklärung, wäre der radikale Vorstoß der Romantik in eine sich unendlich weitende Natur, vorrangig im eigenen Inneren, undenkbar gewesen. Von Trotha zeichnet die Idee des Erhabenen nach, eines ästhetischen Topos, der die empfindsamen Seelen des 18. Jahrhunderts etwa in schroffe Alpenregionen pilgern ließ. Diese Landschaft galt weniger als schön, denn als gefährlich – sie bescherte angenehmen Schauer oder frohen Schrecken. Nicht mehr der Mensch beherrschte die Natur (wie im Rationalismus mit seinem ästhetischen Weltmodell des französischen Gartens), er setzte sich ihr nun aus, wenngleich von sicherem Posten. Das Erhabene schlug sich im Schauerroman nieder, in gemalten Alpenpanoramen oder Seestücken; in Gärten als Miniatur-Felsenformationen, -Vulkane oder Ruinen. Aber auch die Idee des Erhabenen erstarrte bald, wie zuvor der objektivierte Kanon des Barock, zum verbindlichen Zeichensystem mit abrufbarer psychologischer Wirkung. Die Natur schien neuerlich gebändigt.
An der Wende zum 19. Jahrhundert regte sich Skepsis durch kritische Geister wie Wilhelm von Humboldt oder August Wilhelm Schlegel: sie verspürten im Angesicht alpiner Wasserfälle eben nicht das Erhabene. Die siche­re Konvention wich nun einem kollektiven Selbstversuch, das Unendliche, das Verlorengehen in einer unbekannten Welt, der Natur wie auch im eigenen Inneren, künstlerisch zum Ausdruck zu verhelfen. Die Natur blieb zentral, aber verlor ihren tröstenden Charakter. Caspar David Friedrich stellte seine Protagonisten, mit dem Rücken zum Betrachter, vor eine Weite ohne Zeichen der Hoffnung.
Und die Gartenkunst? Das 19. Jahrhundert war äußerst produktiv in der Professionalisierung und Kommerzialisierung des Gartenbaus. Auch gab es eindrucksvolle landschaftliche Realisierungen im Geist der Romantik, in Deutschland etwa jene Hermann Fürst von Pücklers. Der Weltreisende und Literat komponierte seine kosmopolitische wie pantheistische Weltsicht als poetische Ideal-Natur. Aber die Welt der Industrialisierung war mental im Umbruch: Hatte der Landschaftsgarten zuvor reale Sehnsuchtsorte simuliert, so gelang der Rücktransfer dieser Erlebnis­se in den Garten mittels Landschaftsgestaltung nicht, so von Trotha. Der Garten der Romantik ist poetische Idee, unerreichte Utopie, er bedurfte keines realen Ortes mehr. Literatur und Kunst wurden zu seinem Sachwalter, weiteten die Phantasie in die unberechenbare Natur und lieferten die individuelle Urerfahrung der Schutzlosigkeit. Von Trothas Buch schließt kein gartenhistorisches Desiderat, sondern eröffnet einen Gedankenraum, der sich durchaus in einem Garten niederschlagen kann.
Fakten
Autor / Herausgeber Hans von Trotha
Verlag Berenberg Verlag Berlin, 2016
aus Bauwelt 7.2022
Artikel als pdf

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