Konzept Konsumismus
Gegen Wegwerfarchitektur – Ein Gespräch mit Lilith Unverzagt und Vittorio Magnago Lampugnani
Text: Sturm, Hanna, Leipzig
Konzept Konsumismus
Gegen Wegwerfarchitektur – Ein Gespräch mit Lilith Unverzagt und Vittorio Magnago Lampugnani
Text: Sturm, Hanna, Leipzig
Im Februar stellte der Architekt und Architekturtheoretiker Vittorio Magnago Lampugnani sein neustes Buch „Gegen Wegwerfarchitektur“ im Berliner Kunstgewebemuseum vor.
Moderiert von Susanne Schüssler philosophiert Lampugnani gemeinsam mit der Landschaftsarchitektin und wissenschaftlichen Mitarbeiterin an der UdK Berlin, Lilith Unverzagt, über drei Regeln für gutes Bauen, voreilige Geschmacksurteile und das Verhältnis von Stadt und Landschaft.
„Warum eigentlich noch ein gesellschaftskritisches Buch über das Bauen?“, nimmt Lampugnani gleich vorweg. Er habe sich beim Schreiben ein wenig Klarheit verschaffen wollen, über Dinge, die ihn in seiner Arbeit als Architekt beschäftigen. Zum Beispiel, was der semantisch überladene Begriff der Nachhaltigkeit heute bedeute. Tatsächlich beschäftigt sich Lampugnani seit nunmehr dreißig Jahren mit der Frage nach einer dauerhaften Architektur, die auch Titelgebend für seine erste Essaysammlung war („Die Modernität des Dauerhaften“, Wagenbach, 1995).
Der italienische Autor erzählt von einem Seminar an der ETH Zürich, wo er gemeinsam mit Studierenden den Konsumismus als Konzept auf die Architektur übertrug. Seine These: Die Vergänglichkeit von Gebäuden ist eine wirtschaftliche Erfindung. Die meisten Gebäude würden nicht aus Altersschwäche abgerissen, sondern, weil es sich lohne. Dieser kapitalistischen Logik setzten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Seminars drei Regeln entgegen: 1. Dichter bauen, 2. Besser Bauen und 3. Weniger Bauen.
Vorausahnend, dass seit Punkt Nr. 2 einige Anwesende unruhig auf ihren Sitzen herumrutschen, präzisiert Lampugnani, „Besser Bauen“ bedeute für ihn „dauerhaft bauen“. Dabei gehe es ihm einerseits um die Dauerhaftigkeit der Ressourcen, die in ein Haus fließen und andererseits darum, die bereits gewachsene Stadt als etwas Dauerhaftes zu betrachten.
Daran anknüpfend, führt Lilith Unverzagt ein Berliner Bürogebäude aus den 1960er Jahren von Werner Düttmann ins Feld, dessen Abriss sie mit der Initiative „an.ders Urania“ zu verhindern versucht. Das Gebäude entspricht als Hochhaus-Solitär stadträumlich nicht Lampugnanis Ideal einer dichten Blockrandbebauung, aber als er nach seiner Einschätzung zu Abriss oder Erhalt gefragt wird, lacht er. Vor dreißig Jahren hätte er anders geantwortet und genau aus diesem Grund, befürworte er heute den Erhalt des Gebäudes. Wir sollten mit unseren Urteilen vorsichtig sein, denn sowohl persönliche als auch gesellschaftliche Geschmacksurteile änderten sich. Eine Stadt erzähle ihre eigene Geschichte und dazu gehörten auch jene Kapitel, die wir aus heutiger Perspektive als Irrwege empfänden.
Uneins sind sich Unverzagt und Lampugnani bei der Rolle des Stadtgrüns. Während die Landschaftsarchitektin vom Landschaft-Entwerfen mit und in der Stadt spricht, setzt sich ihr Gesprächspartner für die klare Trennung von Stadt und Landschaft ein. Es gelte nicht immer „Je grüner, desto besser“. Auf die Frage, ob er eine Stadt kenne, die zu grün sei, antwortet er spontan: Berlin. Lautes Lachen im Saal und eine Debatte, die leider nicht zu Ende geführt werden kann, denn schon sind eineinhalb Stunden vorbei. Aber es lassen sich einige Gedanken mit dem kleinen Band „Gegen Wegwerfarchitektur“ wiederaufnehmen, der in seiner kurzen und klaren Form eine Richtschnur im Unterholz der aktuellen Nachhaltigkeits-Debatte sein kann.
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